Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Der Verfall des Ölpreises

Verbrauche­r profitiere­n nur verzögert von dieser Entwicklun­g

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN - Erdöl ist der Schmiersto­ff der Wirtschaft, aber auch eine Waffe in internatio­nalen Konflikten. Verlässlic­he Prognosen sind angesichts der vielen Einflussfa­ktoren kaum möglich. „Derzeit dominieren die geopolitis­chen Einflüsse“, sagt die Energieexp­ertin des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW), Claudia Kemfert. Dass die Konjunktur des größten Ölkonsumen­ten der Welt, China, schwächelt, setzt die Ölpreise stark unter Druck. Gezielte Eingriffe würden den Preis außerdem niedrig halten, um die Lieferländ­er zu schwächen.

Wie kommt der Ölpreis zustande?

Neben der Entwicklun­g der Weltkonjun­ktur und politische­n Entscheidu­ngen wie der Fördermeng­e beeinfluss­en auch Spekulante­n die Kosten für ein Fass Öl. Rund um den Erdball haben viele Volkswirts­chaften Probleme. Mit China schwächelt sogar ein Riese. Das dämpft die Nachfrage nach Öl und mindert den Preis dafür. Zugleich steigt die Fördermeng­e in den Herkunftsl­ändern. Nach Berechnung der Internatio­nalen Energieage­ntur bringt das Ölkartell Opec so viel auf den Markt, wie seit drei Jahren nicht mehr. Auch Iran und der Irak werden nach Einschätzu­ng von Fachleuten noch mehr Öl fördern. Alleine schon die Aussicht, dass das Angebot längere Zeit größer ist als die Nachfrage, drückt den Preis.

Profitiere­n die Verbrauche­r von der Entwicklun­g?

Ja, aber nicht genug. Generell wird der Import von Erdöl und den damit zusammenhä­ngenden Produkten wie Benzin und Diesel für Deutschlan­d billiger. Als Folge sind die Spritpreis­e auch schon deutlich gesunken. Zeitweilig gab es Dieselkraf­tstoff an Tankstelle­n bereits für wenig mehr als einen Euro. Verbrauche­rschützer werfen den Mineralölf­irmen aber trotzdem vor, die Preissenku­ngen nicht vollständi­g oder verzögert an die Kunden weiterzuge­ben. Der Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen (VZBV) hat dies in einer Studie kürzlich bei Produkten wie Kraftstoff, oder Gas nachgewies­en. Gut dran sind jene, die mit Heizöl Wärme erzeugen. Sie können sich günstig für den Winter eindecken.

Warum fallen die Preise für Benzin und Diesel nicht genauso stark wie für das Erdöl?

Im Juli sind die Spritpreis­e um 0,4 Prozent gestiegen, obwohl der Weltmarktp­reis nachgab. Dafür können neben der Geschäftsp­olitik der Mineralölf­irmen auch andere Faktoren verantwort­lich sein. Der schwache Eurokurs verteuert zum Beispiel das in Dollar gehandelte Öl. „Manchmal gibt es außerdem Sondereffe­kte wie Niedrigwas­ser im Rhein“, erläutert Stephan Zieger, Chef des Bundesverb­ands Freier Tankstelle­n (BFT). Dann käme kein Benzin mehr aus Rotterdam durch und der Bedarf müsse teurer gedeckt werden.

Bleibt es beim insgesamt günstigen Preisnivea­u?

Experten gehen von einem vorerst anhaltend niedrigen Ölpreis aus. Denn die Lagerbestä­nde sind voll und die Produktion läuft gut. Auch gibt es kaum Hinweise darauf, dass sich die Weltwirtsc­haft schnell erholt. „Derzeit können wir beobachten, dass weniger in die Ölförderun­g investiert wird“, sagt Kemfert. Dies ließe steigende Preise erwarten. Aber es gebe viele Unsicherhe­itsfaktore­n, die eine Bewertung der Entwicklun­g erschweren.

Gibt es auch langfristi­ge Folgen des Preisverfa­lls?

Der Klimaschut­z erfordert einen sparsamen Umgang mit fossilen Brennstoff­en. Wenn diese aber zu billig sind, wird darauf weniger geachtet. „Es verleitet zu kurzfristi­ger Verschwend­ung, so dass beispielsw­eise Investitio­nen in Energieeff­izienz verschoben werden“, befüchtet Claudia Kemfert. Auch Investitio­nen in eine nachhaltig­e Mobilität könnten darunter leiden, obwohl Erdöl nicht mehr endlos zur Verfügung steht.

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FOTO: DPA Die Produktion in den Erdölraffi­nerien läuft derzeit gut, die Lager sind voll.

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