Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Der Verfall des Ölpreises
Verbraucher profitieren nur verzögert von dieser Entwicklung
BERLIN - Erdöl ist der Schmierstoff der Wirtschaft, aber auch eine Waffe in internationalen Konflikten. Verlässliche Prognosen sind angesichts der vielen Einflussfaktoren kaum möglich. „Derzeit dominieren die geopolitischen Einflüsse“, sagt die Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Claudia Kemfert. Dass die Konjunktur des größten Ölkonsumenten der Welt, China, schwächelt, setzt die Ölpreise stark unter Druck. Gezielte Eingriffe würden den Preis außerdem niedrig halten, um die Lieferländer zu schwächen.
Wie kommt der Ölpreis zustande?
Neben der Entwicklung der Weltkonjunktur und politischen Entscheidungen wie der Fördermenge beeinflussen auch Spekulanten die Kosten für ein Fass Öl. Rund um den Erdball haben viele Volkswirtschaften Probleme. Mit China schwächelt sogar ein Riese. Das dämpft die Nachfrage nach Öl und mindert den Preis dafür. Zugleich steigt die Fördermenge in den Herkunftsländern. Nach Berechnung der Internationalen Energieagentur bringt das Ölkartell Opec so viel auf den Markt, wie seit drei Jahren nicht mehr. Auch Iran und der Irak werden nach Einschätzung von Fachleuten noch mehr Öl fördern. Alleine schon die Aussicht, dass das Angebot längere Zeit größer ist als die Nachfrage, drückt den Preis.
Profitieren die Verbraucher von der Entwicklung?
Ja, aber nicht genug. Generell wird der Import von Erdöl und den damit zusammenhängenden Produkten wie Benzin und Diesel für Deutschland billiger. Als Folge sind die Spritpreise auch schon deutlich gesunken. Zeitweilig gab es Dieselkraftstoff an Tankstellen bereits für wenig mehr als einen Euro. Verbraucherschützer werfen den Mineralölfirmen aber trotzdem vor, die Preissenkungen nicht vollständig oder verzögert an die Kunden weiterzugeben. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) hat dies in einer Studie kürzlich bei Produkten wie Kraftstoff, oder Gas nachgewiesen. Gut dran sind jene, die mit Heizöl Wärme erzeugen. Sie können sich günstig für den Winter eindecken.
Warum fallen die Preise für Benzin und Diesel nicht genauso stark wie für das Erdöl?
Im Juli sind die Spritpreise um 0,4 Prozent gestiegen, obwohl der Weltmarktpreis nachgab. Dafür können neben der Geschäftspolitik der Mineralölfirmen auch andere Faktoren verantwortlich sein. Der schwache Eurokurs verteuert zum Beispiel das in Dollar gehandelte Öl. „Manchmal gibt es außerdem Sondereffekte wie Niedrigwasser im Rhein“, erläutert Stephan Zieger, Chef des Bundesverbands Freier Tankstellen (BFT). Dann käme kein Benzin mehr aus Rotterdam durch und der Bedarf müsse teurer gedeckt werden.
Bleibt es beim insgesamt günstigen Preisniveau?
Experten gehen von einem vorerst anhaltend niedrigen Ölpreis aus. Denn die Lagerbestände sind voll und die Produktion läuft gut. Auch gibt es kaum Hinweise darauf, dass sich die Weltwirtschaft schnell erholt. „Derzeit können wir beobachten, dass weniger in die Ölförderung investiert wird“, sagt Kemfert. Dies ließe steigende Preise erwarten. Aber es gebe viele Unsicherheitsfaktoren, die eine Bewertung der Entwicklung erschweren.
Gibt es auch langfristige Folgen des Preisverfalls?
Der Klimaschutz erfordert einen sparsamen Umgang mit fossilen Brennstoffen. Wenn diese aber zu billig sind, wird darauf weniger geachtet. „Es verleitet zu kurzfristiger Verschwendung, so dass beispielsweise Investitionen in Energieeffizienz verschoben werden“, befüchtet Claudia Kemfert. Auch Investitionen in eine nachhaltige Mobilität könnten darunter leiden, obwohl Erdöl nicht mehr endlos zur Verfügung steht.