Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Der Sound der Freiheit
Zwei alte Freunde treffen sich nach 40 Jahren wieder: Andreas, der berühmte Schauspieler, und Wolf, ein renommierter Regisseur. Bei Hummersüppchen und Lammrücken erinnern sich die kultivierten Herren an die 1970er-Jahre, als sie beide in einer „repressionsfreien WG“dasselbe Mädchen liebten und versuchten, bloß nicht spießig zu denken.
Wolfs Tagebuch aus Studententagen erzählt direkt vom Sound, vom Esprit einer Zeit, als eine ganze Generation wie berauscht war von der Idee der Freiheit. Statt Hochzeitsrituale zu organisieren, wurde ungehemmter Sex im Kino und manchmal auch im Leben als Ausdruck der Revolte inszeniert. Es gab die Pille, und es gab noch kein Aids. Alles war möglich. Vieles wurde ausprobiert – mit einer Unbefangenheit, die man auch Naivität nennen kann. Das Spiel zu dritt, das Wolf und Andreas mit Kommilitonin Lissa praktizieren, überfordert die Gefühle.
Volker Hage, 1949 geboren, pensionierter „Spiegel“-Literaturredakteur, hat eine klare, lebhafte, knackig kurze Erzählung geschrieben, die seiner eigenen Generation sowieso Spaß macht und junge Leser sicher fasziniert. Denn die Social Media der frühen Seventies, das waren abgetippte Texte, Super-8-Filme, Polaroids und Songs, die man mit dem Mikro aus dem Radio aufzunehmen pflegte. Der Kassettenrekorder für die persönlichen Hitparaden war gerade mal erfunden worden. Hage erinnert uns an jene ungestüme Epoche, deren Idealismus in so manchen Irrweg führte – und die doch ein Feld der Sehnsucht bleibt.