Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Srdan Gemaljevic ist dem DFB um 20 Jahre voraus
55-jähriger Fußball-Lehrer aus Lindau trainierte in Bregenz und auch im Iran
- Der Höhepunkt hatte 2012 in Teheran stattgefunden, als Srdan Gemaljevic drei Monate nicht aus dem Iran ausreisen durfte. Aber wie es sich im gesamten Verlauf der Trainerkarriere des mittlerweile 55-Jährigen zeigen sollte, blieben dem Lindauer oftmals nicht nachvollziehbare Entscheidungen von Vereinsoberen treu.
Vielleicht, weil sich „Gema“mit seiner Meinung, die er zumeist offen kundtat, nicht nur Freunde schaffte. So ließ er nun nach der Lektüre des „Kicker“-Interviews mit DFB-Sportdirektor Hansi Flick (50), dem einstigen Assistenten von Jogi Löw, süffisant lächelnd wissen: „20 Jahre später habe ich darin die Anerkennung für meine Arbeit gefunden.“Er habe im „Kicker“über seine Philosophie gelesen und müsse jüngeren Kollegen leider sagen, dass sie ohne Beziehungen oder auch Verbindungen sowie ohne Laptop nicht viele Chancen haben, sich als Trainer durchzusetzen, so der gebürtige Serbe.
Mit dem ASV Fellheim feierte Srdan Gemaljevic von 1993 bis 1996 drei Meisterschaften in unteren bayrischen Ligen. 1995 war „Gema“zeitgleich Co-Trainer und Nachwuchsleiter bei Casino SW Bregenz. Es folgten teilweise überaus erfolgreiche Jahre in Bregenz und beim FC Lustenau – die jedoch auch ein überraschendes, weil jähes Ende nahmen. Branko Ivancovic, damals Coach des iranischen Nationalteams, hatte Gemaljevic empfohlen, das Angebot von Esteghlal Teheran anzuhören. Der Lindauer, der dem Kroaten auch 2012 nach Abu Dhabi folgte, ließ dafür ein Angebot von Union Berlin links liegen.
„Josef Fitz war ein guter Präsident, der Aufstieg von Bregenz von der dritten über die zweite in die erste Liga ein Märchen“, antwortet Srdan Gemaljevic, wenn der 55-Jährige gefragt wird, was ihm als erstes zu seinem Ex-Klub einfalle. Peter Assion war der Trainer, Gemaljevic sein Co. „Ich habe Peter in der 2. Liga abgelöst, nach zwei Spielen“, erinnert sich der ehemalige Erstligakicker von OFK Belgrad und Scout des serbischen Nationalteams, der Schwarz-Weiß mit null Punkten nach vier Runden übernommen hatte und noch auf Platz drei führte.
Souveräner Bundesliga-Aufstieg
In der Saison 1998/99 folgte der souveräne Aufstieg in die „max. Bundesliga“– und in der darauffolgenden Saison die laut Gemaljevic „erste und einzige negative Schlagzeile unter mir: meine Entlassung“. Der ALizenz-Trainer wurde – so mutmaßt Gemaljevic – vom damaligen Co und späteren Sportdirektor Ove FlindtBjerg abgesägt. Für ihn sei es eine „riesengroße Enttäuschung“gewesen: „Ich wollte mit Bregenz international spielen und hatte Angebote von Rapid, Austria, aus Mainz und Nürnberg abgelehnt. Es war der größte Fehler meiner Karriere. Aber ich hätte nie gedacht, dass ich entlassen werde.“Dafür sah der Familienvater voraus, dass „es für Bregenz ein böses Ende nehmen wird. Schwarz-Weiß hätte nur mit eigenem Nachwuchs überlebt“. Der Bregenzer Niedergang fand mit dem Konkurs 2005 seinen Höhepunkt.
Talente gebe es in Österreich so viel wie in anderen Ländern auch, „aber du brauchst ein gutes Konzept. Dieses fehlt jedoch bei den meisten Vereinen. Doch wenn du siehst, wie viele Politiker in den Klubs das Sa- gen haben, wie sollen dann diese Konzepte entstehen?“
Von 2001 bis 2003 war der 55-Jährige Trainer des FC Lustenau, der in dieser Zeit als Erstliga-Siebter so gut wie nie zuvor platziert war. „Als ich beim FC war, hatten wir mit Baldauf, Minoretti und Netzer in der U19 sowie mit Jerkovic und Sara in der U21 fünf Spieler in verschiedenen Auswahlmannschaften. Keiner hatte mehr. Aber der Verein hat mein Konzept nicht verstanden.“Für Gemaljevic ist es zudem ein Unding, dass vor dieser Saison nicht Damir Canadi Nachfolger von Adi Hütter bei Meister Salzburg geworden ist. „Er hat mit Altach das Maximum, die Europa-League-Qualifikation, herausgeholt, das war eine enorme Leistung. Für mich ist er nach Nationaltrainer Marcel Koller der beste Trainer in Österreich. Aber ihm fehlen die für den Job in Salzburg benötigten Beziehungen.“
Hansi Flick sei das Paradebeispiel, „dass es in unser (Fußball-) Welt nicht nach Leistung geht. Er hat gezeigt, dass er nicht einmal mit Hoffenheim in die 2. Liga aufsteigen kann“, so „Gema“, der aus dem „Kicker“-Interview zitiert: „Es muss von der U15 bis zum Nationalteam eine einheitliche Linie geben. Die Optimierung der Trainerausbildung soll der rote Faden des DFB sein.“Und: „Wir müssen an den Grundvoraussetzungen wie das Passspiel sowie die Ballan- und Ballmitnahme arbeiten. Und an 1:1-Situationen.“Gemaljevic legt das Fachblatt zur Seite. „All dies habe ich jeden Mittwoch vor 20 Jahren in Bregenz bei der U10, U12 und U14 gemacht.“
„Müssen uns besser aufstellen“
Auf Serbien hält der gebürtige Serbe große Stücke. Vielleicht aber nicht nur aufgrund der Nähe zur Heimat. Bei der U20-WM wurde Brasilien im Finale besiegt, bei der U21-EM wurde Titelverteidiger Spanien aus dem Rennen genommen. Und Deutschland? „Scheiterte bei der WM mit Chefausbilder Frank Wormuth an Mali, bei der EM gab es ein 0:5 gegen Portugal. Der DFB ist super organisiert, überall gibt es Stützpunkte mit Laptopträgern, die fleißig aussortieren. Wer kann links schießen, wer ist kopfballstark. Der Laptop spielt eine große Rolle, dabei gilt es, mit den Jugendlichen zu trainieren“, weiß Gemaljevic, der mit einem Beispiel von Hansi Flick nichts anfangen konnte: „England hat elf Analysten, Deutschland zwei. Da müssen wir uns besser aufstellen.“Gemaljevic schaut sich fragend um. „Warum soll das ein gutes Beispiel sein? Was hat England denn in jüngster Zeit erreicht?“