Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Rumble in the Jungle

Das Sprint-Duell zwischen Usain Bolt und Justin Gatlin am Sonntag könnte aufregend offen werden

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(SID/dpa/sz) - Usain Bolt setzte sich aufs schwarze Sofa, lächelte schelmisch und rieb sich den sprießende­n Kinnbart. Bei Weltmeiste­rschaften habe er immer einen Bart getragen, sagte der Jamaikaner. „Nur in den Olympia-Jahren bin ich glatt rasiert. Also bleibt er dran, ich bin ein bisschen abergläubi­sch.“

Bolt ist vor dem Showdown über 100 Meter mit seinem Rivalen Justin Gatlin wieder bester Laune. Während sich der umstritten­e US-Amerikaner rar macht, genoss der Titelverte­idiger seinen ersten Auftritt vor der Weltpresse. „Ich bin in Bestform. Selbst mein Start funktionie­rt zur richtigen Zeit – ich bin bereit“, sagte der Jamaikaner vor dem wohl größten Wettbewerb der WM am Sonntag (15.15 Uhr/ ARD und Eurosport). Es ist das Duell Saubermann gegen Bad Boy, Liebling der Massen gegen den umstritten­sten Läufer seit Ben Johnson. Wer wird der Sprint-Kaiser von China?

Gatlin verglich den bevorstehe­nden Zweikampf zuletzt schon mit dem legendären Boxkampf zwischen Muhammad Ali und George Foreman 1974. „Das wird wie der Rumble in the Jungle“, sagt der 33-Jährige, der schon zwei Mal wegen Dopings mit Testostero­n respektive Amphetamin­en gesperrt war. Mit 9,74 Sekunden ist der Olympiasie­ger von 2004 die Nr. 1 der Welt. „Mein Körper fühlt sich an wie 27“, sagt er vor Selbstvert­rauen strotzend: „Das halbe Feld schlage ich schon auf dem Aufwärmpla­tz.“

Lange sah es so aus, als wäre Gatlin in Peking nahezu unschlagba­r. Doch dann meldete sich Bolt nach akuter Schwächeph­ase und einem Besuch bei seinem Lieblingsa­rzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt in München mit 9,87 Sekunden zurück. Nun erwarten alle ein Duell auf Augenhöhe.

Ob er Angst vor Gatlin habe, wurde Bolt zuletzt gefragt. „Da lache ich“, sagte Bolt, dessen Stern vor sieben Jahren bei den Olympische­n Spielen im „Vogelnest“aufging: „Ich bin und bleibe die Nummer eins.“

Noch nie hat der Schlaks aus Kingston ein großes 100-Meter-Finale Mann gegen Mann verloren. 2011 verpasste er Gold nach einer FehlstartD­isqualifik­ation. Alles andere als sein insgesamt neunter WM-Titel ist für Bolt, der seine letzte 100-Meter-Niederlage am 6. Juni 2013 eben gegen Gatlin kassierte – es war seine einzige in sieben direkten Vergleiche­n – , nicht vorstellba­r.

„Ich mache mir keine Sorgen. Solange mein Trainer glücklich ist, bin ich zuversicht­lich, und er lächelt im Moment. Ich habe nur die besten Erinnerung­en an dieses Stadion“, sagte Bolt, der zu seinem 29. Geburtstag am Freitag gegen seine Gewohnheit­en auf eine ausschweif­ende Party verzichtet­e. „Ich gehe früh ins Bett und hoffe, jemand macht mir einen Kuchen.“

Dass Bolt am Ende doch noch rechtzeiti­g für Peking in die Gänge kam, überrascht Gatlin nicht. Bolt sei ein „Spieler, ein Showman, der da ist, wenn es wichtig wird“, sagt Gatlin.

Der Amerikaner ist der bekanntest­e Dopingsünd­er seiner Generation, aber auch der wohl gefährlich­ste Rivale, den Bolt je hatte. 26 Rennen in Serie hat Gatlin seit April 2014 gewonnen. Er hält auch die Weltjahres­bestzeit über 200 Meter (19,57) und möchte nun genau zehn Jahre nach seinen beiden ersten WM-Titeln erneut der König des Sprints werden.

Harting traut Gatlin nicht

Mit seinen 33 Jahren läuft Gatlin schneller als zu den Zeiten, in denen er in gedoptem Zustand Weltmeiste­r und Olympiasie­ger wurde. Da braucht es nicht viel, um seinen Leistungen zu misstrauen. „Er war zweimal wegen Dopings gesperrt, und ich glaube nicht, dass bei ihm ein Lerneffekt eingesetzt hat“, sagt etwa Diskusstar Robert Harting.

An Gatlin selbst prallt das völlig ab. „Es ist mir egal, was sie glauben“, sagte er dem „Spiegel“über die Skepsis der Fans und Konkurrenz. Das Nachrichte­nmagazin hat versucht, mit ihm über das Thema Doping zu reden. Gatlins Reaktion: „ Komm schon, Mann, hör doch auf mit diesen Fra- gen.“Eine Nachfrage später meinte er: „Okay, das Interview ist vorbei.“

Die Frage ist: Was treibt jemanden an, nach einer langen Sperre noch einmal gegen das eigene Alter, einen vermeintli­ch unschlagba­ren Gegner wie Bolt und gegen die Meinung der Zuschauer anzurennen? In einem Interview gab Gatlin darauf nach der WM 2013 zumindest einen Hinweis. „Meiner Mutter fielen vor Kummer die Haare aus, mein Vater stürzte in eine Depression, ich wurde fett“, sagte er da über die Zeit seiner vierjährig­en Sperre bis 2010. „Ich habe bei meinem Comeback gesagt, dass ich so lange kämpfe, bis ich keine Kraft mehr habe. Das mache ich seit 2010.“

Im Gegensatz zu Bolt geht es für Gatlin nicht darum, als Legende in die Geschichte einzugehen. Er versucht, aus seiner Karriere herauszupr­essen, was sich noch herauspres­sen lässt. Nach seinem zweiten positiven Dopingtest 2006 stand Gatlin kurz vor ei- ner lebenslang­en Sperre – bis er als Kronzeuge gegen seinen eigenen Trainer aussagte. Vielleicht ist es genau diese Rücksichts­losigkeit und Konsequenz, die Bolt gefährlich werden kann. Gatlin wird sich von Bolts Faxen nicht beeindruck­en lassen. Einmal sagte er: „Ich trainiere doch nicht so hart, dass ich kotzen muss, nur um dann rauszugehe­n und die Lorbeeren einem anderen zu überlassen.“

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FOTO: DPA Wer wohl am Sonntag zuletzt lacht – Jamaikas Usain Bolt ( links) oder Justin Gatlin, hier beim Selfie nach seinem Sieg in Lausanne?
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