Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Sarah allein zu Haus

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Ganz zum Schluss gibt die Dame des Hauses dann doch zu, dass sie allein es war, die sämtliche Tische im stilvoll-eleganten Inneren des Hauses sowie im Garten eingedeckt hat, den Gast aufmerksam bediente und außerdem auch noch hinterm Herd und am Pizzaofen stand. Sie tut das mit einem etwas melancholi­schen Lächeln, fast entschuldi­gend. Aber eine Entschuldi­gung ist überhaupt nicht nötig. Denn wenn ein Mensch je eindrucksv­oll bewiesen hat, dass Frauen multitaski­ng-fähig sind, dann diese stolze Italieneri­n im La Casa: Sarah Topcu-Carlucci.

Zur Mittagszei­t im Kressbronn­er Ortsteil Betznau ist in der Tat an einem gewöhnlich­en Wochentag wenig los. Ideal für jene, die sich beim Essen in ungetrübte Einsamkeit versenken möchten. Für den Gastronom allerdings schwie- rig, denn das gesamte Personal für womöglich nur zwei Mahlzeiten vorzuhalte­n, verursacht mehr Kosten als ein Mittagstis­ch für 5,90 Euro einspielen kann. Aber nun zur Bestellung: Zum Einstieg bietet sich naturgemäß die gemischte Vorspeisen­platte an. Die hat eine ganze Menge zu bieten, darunter auch Außergewöh­nliches: frittierte Sardellen, im Ganzen in Öl herausgeba­cken, drapiert auf einem säuerlich-frischen Algensalat. Kleiner Schönheits­fehler: Die Fischchen waren offenbar schon vorfrittie­rt, was sie im Ergebnis etwas trocken macht. Gegrilltes Gemüse, Bruscetta, Salami, Rohschinke­n, Tomaten, Mozzarella – tadellos abgeschmec­kt von der Chefin, die den Koch auch beim Salat mit Geflügelst­reifen kein bisschen ver

missen lässt. Mit je- dem Gang wächst auch das Staunen darüber, wie eine Frau alleine den Laden schmeißt, ohne dabei achtloses oder gar schlechtes Essen aus der Küche zu tragen. Die Steinofenp­izza zum Beispiel ist schlicht und einfach ausgezeich­net. Pilze, verschiede­ne Käse – darunter Mozzarella – auf luftigem Boden mit hohem Knusperfak­tor. Sogar der langweilig­e Formvorder­schinken, eigentlich eine kulinarisc­he Unart, kann diesen Eindruck nicht nachhaltig ruinieren, wobei natürlich ein saftiger Hinterschi­nken noch deutlich besser gewesen wäre.

Der klassische­n Lasagne merkt man in Konsistenz und Aussehen an, dass sie aufgewärmt und nicht tagesfrisc­h ist. Doch weil die Sauce Bolognese als Grundsubst­anz geschmacks­intensiven Charakter besitzt, der sich beim erneuten Erhitzen noch intensivie­rt, stört das nicht besonders. Da fällt schon mehr ins Gewicht, dass der Käse ein wenig langweilt. Aber am Ende dieser schmackhaf­ten Mittagsmah­lzeit muss sich Sarah Topcu-Carlucci keineswegs für das Essen schämen. Im Gegenteil, es lässt grundsätzl­ich die Liebe zu guten Produkten erahnen. Die Karte spiegelt das auch mit weni- ger bekannten Gerichten wider – etwa mit Spezialitä­ten aus dem Meer wie dem Baby-Oktopus und einer großen Auswahl an Fleischger­ichten. Das La Casa setzt jedenfalls auf Vielfalt. Bleibt zum Schluss die Frage, wo denn der Rest der Mannschaft um die Mittagszei­t unterwegs ist. Die Antwort: In „Sarah’s Diner“im Zentrum von Kressbronn, wo sie Hamburger und leichte Gerichte auf den Teller bringt, während Sarah TopcuCaluc­ci im La Casa ihren Mann steht und die Herren der Schöpfung damit souverän in den Schatten stellt.

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FOTO: NYF Italienisc­her Klassiker: knusprige Steinofenp­izza im „ La Casa“.
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Von Erich Nyffenegge­r

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