Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Angespitzt
Es gibt ein paar Weisheiten, die darf man nicht einmal mehr denken, geschweige denn laut sagen. Wer beispielsweise SaintExupérys Kernsatz „Man sieht nur mit dem Herzen gut ...“vollendet, wird entweder intellektuell geächtet oder mit Rosamunde Pilcher nicht unter zwölf Bänden bestraft. Und der gute Hermann Hesse ist einst im sonnigen Tessin sicher trübsinnig darüber geworden, wie inflationär sein „Allem Anfang wohnt ...“völlig unzauberhaft inflationiert worden ist.
Dabei ist seine Erkenntnis nur eine Teilweisheit. Denn nicht dem Anfang, sondern auch dem Ende wohnt oft ein Zauber inne, was Leidensgenossen nachfühlen können, die ihre Lebensgefährtinnen auf Entsorgungstripps zu Flohmärkten oder Wertstoffhöfen begleiten. Normalerweise geht man auf einen Flohmarkt, um seinen Kruscht und Krempel loszuwerden – im Glücksfall auch noch gegen geldlichen Gegenwert. Im Normalfall leert sich eine halbe Bananenkiste. Blöd nur, wenn das Sammelsurium der Wahnsinnsschnäppchen eine ganze wieder füllt. Beim Flohmarkt in Rot an der Rot kam ein vernünftig wirkender Mann an den Stand, beide Arme voll mit günstigen Einkäufen, erspähte noch einmal begehrenswerte Objekte und bat inbrünstig um eine Tasche: „Ich hab extra keine mitgenommen, damit ich nicht so viel kaufe.“Der Mensch denkt, der Schnäppchentrieb lenkt.
Flohmärkte sind verführerische Lokalitäten. Weniger verführerisch stellt sich da ein Wertstoffhof dar, wo sich zwischen Grünmüll, Glasmüll und Plastikverpackungsmüll die ökologisch bewussten Menschen ihrer Konsumrückstände entledigen. Und den die allermeisten schnellstmöglich wieder verlassen.
Die allermeisten sind nicht alle. Wer mit einem innovativen Lebenspartner geschlagen ist, sollte auf der Hut sein. Ein angefaulter, baumdicker Pfahl im Grünmüll? „Passt prima als Begrenzung der Gartentreppe.“70 Bände Nora-Roberts-Krimis aus dem Papiermüll? „Bringt auf dem Flohmarkt bares Geld.“Ein Metallgehäuse tief in den Eingeweiden des Metallcontainers? „Du glaubst doch nicht, dass ich da reinklettere“, sagt der Gatte. Zehn Minuten später legt der domestizierte Lebenspartner das Ding in den Kofferraum. „Kann ich prima brauchen“, jauchzt die Gattin.
Wie war das mit den Weisheiten? „Die wahren Abenteuer sind im Kopf“, sang einst der Österreicher André Heller. André, du bist von vorgestern. Die wahren Abenteuer sind auf dem Wertstoffhof.“