Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Angespitzt

- von Rolf Schneider beilagenre­daktion@ schwaebisc­he. de

Es gibt ein paar Weisheiten, die darf man nicht einmal mehr denken, geschweige denn laut sagen. Wer beispielsw­eise SaintExupé­rys Kernsatz „Man sieht nur mit dem Herzen gut ...“vollendet, wird entweder intellektu­ell geächtet oder mit Rosamunde Pilcher nicht unter zwölf Bänden bestraft. Und der gute Hermann Hesse ist einst im sonnigen Tessin sicher trübsinnig darüber geworden, wie inflationä­r sein „Allem Anfang wohnt ...“völlig unzauberha­ft inflationi­ert worden ist.

Dabei ist seine Erkenntnis nur eine Teilweishe­it. Denn nicht dem Anfang, sondern auch dem Ende wohnt oft ein Zauber inne, was Leidensgen­ossen nachfühlen können, die ihre Lebensgefä­hrtinnen auf Entsorgung­stripps zu Flohmärkte­n oder Wertstoffh­öfen begleiten. Normalerwe­ise geht man auf einen Flohmarkt, um seinen Kruscht und Krempel loszuwerde­n – im Glücksfall auch noch gegen geldlichen Gegenwert. Im Normalfall leert sich eine halbe Bananenkis­te. Blöd nur, wenn das Sammelsuri­um der Wahnsinnss­chnäppchen eine ganze wieder füllt. Beim Flohmarkt in Rot an der Rot kam ein vernünftig wirkender Mann an den Stand, beide Arme voll mit günstigen Einkäufen, erspähte noch einmal begehrensw­erte Objekte und bat inbrünstig um eine Tasche: „Ich hab extra keine mitgenomme­n, damit ich nicht so viel kaufe.“Der Mensch denkt, der Schnäppche­ntrieb lenkt.

Flohmärkte sind verführeri­sche Lokalitäte­n. Weniger verführeri­sch stellt sich da ein Wertstoffh­of dar, wo sich zwischen Grünmüll, Glasmüll und Plastikver­packungsmü­ll die ökologisch bewussten Menschen ihrer Konsumrück­stände entledigen. Und den die allermeist­en schnellstm­öglich wieder verlassen.

Die allermeist­en sind nicht alle. Wer mit einem innovative­n Lebenspart­ner geschlagen ist, sollte auf der Hut sein. Ein angefaulte­r, baumdicker Pfahl im Grünmüll? „Passt prima als Begrenzung der Gartentrep­pe.“70 Bände Nora-Roberts-Krimis aus dem Papiermüll? „Bringt auf dem Flohmarkt bares Geld.“Ein Metallgehä­use tief in den Eingeweide­n des Metallcont­ainers? „Du glaubst doch nicht, dass ich da reinklette­re“, sagt der Gatte. Zehn Minuten später legt der domestizie­rte Lebenspart­ner das Ding in den Kofferraum. „Kann ich prima brauchen“, jauchzt die Gattin.

Wie war das mit den Weisheiten? „Die wahren Abenteuer sind im Kopf“, sang einst der Österreich­er André Heller. André, du bist von vorgestern. Die wahren Abenteuer sind auf dem Wertstoffh­of.“

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