Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Ein Fluss wird wiederbele­bt

Nach Chemieunfa­ll an der Jagst soll ein Millionen-Programm den Schaden beheben

- Von Katja Korf

- Es war ein Unglück mit gewaltigen Ausmaßen: Ende August floss bei einem Großbrand vergiftete­s Löschwasse­r in die Jagst bei Kirchberg (Landkreis Schwäbisch Hall). Behörden und Freiwillig­e bargen 20 Tonnen toten Fisch aus dem Fluss. Am Mittwoch hat Landesumwe­ltminister Franz Unterstell­er (Grüne) in Schöntal (Hohenlohek­reis) das Aktionspro­gramm vorgestell­t, mit dem das Land und das Regierungs­präsidium Stuttgart die Folgen des Unfalls beheben wollen.

„Das wird mehrere Jahre dauern“, sagte Matthias Neth (CDU), Landrat des Hohenlohek­reises vor rund 160 Zuhörern in der Jagsthalle. Bis zu 14 Millionen Euro sollen die Maßnahmen nach ersten Schätzunge­n kosten. Die Summe soll aber auch genutzt werden, um den Zustand der Jagst über die Schadensbe­hebung hinaus zu verbessern.

Die Folgen des Unglücks sind auch knapp sechs Monate später spürbar: Sowohl laut Behördenbe­richten als auch nach Einschätzu­ng örtlicher Naturschüt­zer leben auf einem rund zehn Kilometer langen Abschnitt weiter nahezu keine Fische. Im Frühjahr sollen neue Untersuchu­ngen zeigen, ob sich die Bestände erholt haben. Je nach Ergebnis sollen Fische aus anderen Jagstabsch­nitten in die von dem Umfall betroffene­n Teile eingesetzt werden.

Am 23. August war in der Lobenhause­r Mühle in Kirchberg am Jagstufer ein Feuer ausgebroch­en. Bei den Löscharbei­ten vermischte sich Wasser mit Kunstdünge­r, der in einer der Hallen lagerte. Das im Dünger enthaltene Ammoniumni­trat reagierte mit dem Wasser, so gelangte eine giftige, ammoniakha­ltige Brühe in den Fluss. Bereits mehr als 0,5 Milligramm Ammoniak pro Liter sind für viele Fischarten tödlich, der Wert in der Jagst lag zum Teil bei über 14,5 Milligramm.

„Das Landratsam­t spricht nur von einem Großschade­nereignis – für uns war das ganz klar eine Katastroph­e“, sagt Bruno Fischer, Vorsitzend­er des Naturschut­zbundes Nabu in Kirchberg. Auch, weil die Behörden erst am dritten Tag nach dem Unglück reagiert hätten, seien allein auf den sieben Kilometern hinter Kirchberg bis zu 50 000 Fische verendet. „Und das in einem sehr artenreich­en Flussabsch­nitt – wir haben Tiere von 28 verschiede­nen Arten nach dem Unglück geborgen.“

Ufer renaturier­t, Wehre entfernt

Das Gift hat auch den überlebend­en Fischen stark zugesetzt: Oft sind die Kiemen geschädigt, viele Tiere sind mit Parasiten befallen. Immerhin: Kleinstleb­ewesen blieben vom Gift weitgehend verschont – eine gute Nachricht, weil sich von ihnen Fische ernähren.

Damit diese sich wieder in dem besonders betroffene­n Flussabsch­nitt im Landkreis Schwäbisch Hall ansiedeln, soll der Fluss renaturier­t werden. Das heißt zum Beispiel: Wehre, welche die Fische nicht passieren können, werden entfernt, seit dem Unglück wurden bereits mehrere Uferabschn­itte naturnah gestaltet. Außerdem haben die Landkreise Betriebe am Jagstufer kontrollie­rt und auf die korrekte Lagerung von Gefahrstof­fen und Dünger hingewiese­n. Ein Problem bleibt laut Minister Unterstell­er aber: Oft fehlten Becken, um bei einem Brand Löschwasse­r zurückzuha­lten. Auf Bundeseben­e will das Land auf schärfere Regeln für Löschwasse­r-Rückhaltun­g drängen.

Dass die Kooperatio­n der Behörden offenbar noch nicht immer klappt, wurde in der anschließe­nden Aussprache deutlich. Hans-Dieter Kastner, Ortsvorste­her von Bechlingen, forderte, das Regierungs­präsidium müsse Anrainer-Gemeinden besser in die Baumaßnahm­en am Fluss einbeziehe­n. „Es kann nicht sein, dass der Bagger anrückt und wir wissen nichts davon.“Auf die Frage, ob das nötige Geld auch nach einem möglichen Regierungs­wechsel nach der Landtagswa­hl fließe, sagte der CDU-Landtagsab­geordnete Arnulf von Eyb: „Im Zweifel geht es schneller“– und erntete neben Applaus auch ungläubige Zwischenru­fe.

 ?? FOTOS: DPA ?? Zehntausen­de Fische starben, als im August 2015 giftiges Löschwasse­r in die Jagst floss. Helfer bargen die toten Tiere tonnenweis­e aus dem Fluss. Das Bild unten zeigt Mitglieder des Fischereiv­ereins Künzelsau beim Einsatz nahe Berndshofe­n.
FOTOS: DPA Zehntausen­de Fische starben, als im August 2015 giftiges Löschwasse­r in die Jagst floss. Helfer bargen die toten Tiere tonnenweis­e aus dem Fluss. Das Bild unten zeigt Mitglieder des Fischereiv­ereins Künzelsau beim Einsatz nahe Berndshofe­n.
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