Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Gratwanderung in Saudi-Arabien
Außenminister Steinmeier will trotz Kritik den Gesprächsfaden nicht abreißen lassen
(dpa) - Beim Auftakt des einzigen großen Kulturfests in Saudi-Arabien dürfen die Kamele nicht fehlen. Die Saudis verstehen Kamelrennen quasi als Kulturerbe. Diesmal sitzt ein prominenter Deutscher auf der Tribüne: Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD).
Das Dschanadrija-Fest ist ein Unikum in dem streng islamischen Saudi-Arabien, das sonst kaum öffentliche Kulturveranstaltungen kennt. Das Festival kann man sich vorstellen wie eine Weltausstellung nur für Saudi-Arabien. Jede der 13 Regionen stellt sich in einem Pavillon vor. Mehr als eine Million Besucher kommen jedes Jahr. Und seit sieben Jahren gibt es auch immer ein Gastland. China, die Türkei und Frankreich waren schon eingeladen – und jetzt Deutschland.
Gegen die Teilnahme des Außenministers kann eigentlich niemand etwas haben, sollte man meinen. Aber gerade erst haben die Saudis mit der Hinrichtung von 47 Menschen an einem einzigen Tag wieder Schlagzeilen gemacht. Kann man mit Herrschern, die das mitzuverantworten haben, Feste feiern?
Die Linke-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht spricht von einer „moralischen Bankrotterklärung“und einer Legitimierung der „saudischen Kopf-ab-Diktatur“. Ihre Kollegin Katrin Göring-Eckardt von den Grünen meint, Steinmeier suggeriere damit eine Normalität im Verhältnis zu Saudi-Arabien, wo es keine Normali- tät geben könne. Auch von prominenten Vertretern des Koalitionspartners CDU bekam Steinmeier schon vor Wochen die Empfehlung, dem Festival fern zu bleiben.
Die Menschenrechtssituation bezeichnet Amnesty International als „katastrophal“. Zur Symbolfigur für Repression in Saudi-Arabien ist der inhaftierte Blogger Raif Badawi geworden. Die Rüstungslieferungen an Saudi-Arabien werden vor allem dann zum Thema, wenn Unternehmer aus diesem Bereich zur Wirtschaftsdelegation gehören. Diesmal ist Friedrich Lürßen dabei, dessen Werft gerade 15 Patrouillenboote für Saudi-Arabien baut. Sie sollen für den Küstenschutz und zur Abwehr von Piraterie eingesetzt werden.
Eine Gratwanderung sind Minister-Reisen nach Riad immer. Steinmeier kennt das schon. Für ihn ist absolut prioritär, den Gesprächsfaden aufrecht zu erhalten. Wenn die Teilnahme an einem Kulturfestival dazu beitragen kann, nimmt er die Kritik gerne in Kauf.