Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Bayern in Moskau mit „ehrlichem Herzen“
Ministerpräsident Horst Seehofer und Edmund Stoiber treffen Kremlchef Putin
(dpa) - Nun stehen sie sich gegenüber, Wladimir Putin und Horst Seehofer – wobei der russische Präsident mindestens einen Kopf kleiner ist als sein bayerischer Gast. Sie begrüßen sich freundlich – wenn auch die Atmosphäre nicht einladend ist: ein schmuckloser Raum in Putins Residenz. Geradezu herzlich umarmen sich aber Putin und Seehofers Vorvorgänger Edmund Stoiber, der das Treffen arrangiert hat.
In Wahrheit freilich ist es um die Größe und die Bedeutung der beiden Politiker – Seehofer und Putin – gerade andersherum bestellt: Dass ein deutscher Ministerpräsident vom russischen Präsidenten persönlich empfangen wird, das ist keinesfalls eine Selbstverständlichkeit. Doch es ist ein besonderer Termin – und zwar für beide. Und für Seehofer ein heikler noch dazu. Die mediale Aufmerksamkeit zu Hause ist immens.
Wieder mehr Vertrauen herstellen
Die beiden üben den Schulterschluss: Seehofer betont zu Beginn des Gesprächs, ohne Russland seien die Probleme der Welt nicht zu lösen. Und versichert: „Wir wollen mit ehrlichem Herzen unseren Beitrag leisten, dass wir in schwierigem politischem Umfeld wieder ein Stück Vertrauen und Normalität herstellen. Daran wollen wir mitwirken.“Putin erwidert: „Wir wissen um Ihre Haltung, Ihren Willen, viel für eine Normalisierung zu tun.“Und die heutigen Probleme beträfen alle.
Wären die Zeiten normal, man könnte sagen: Es ist mehr als recht und billig, dass sich ein Ministerpräsident um die Interessen der Wirtschaft kümmert und um einen Termin bei Putin bittet. Schließlich ist Russland wichtiger Handelspartner Bayerns. Andererseits bekommen bayerische Regierungschefs, egal wohin sie reisen, traditionell auch solche Gesprächspartner, die eigentlich der Kanzlerin oder dem Außenminister vorbehalten sind.
Doch die Zeiten sind nicht normal: Der Ukraine-Konflikt schwelt weiter, die Wirtschaftssanktionen gegen Russland wurden noch einmal verlängert. Die Syrien-Krise ist ungelöst, die Flüchtlingskrise in Europa deshalb ebenso. Zudem gab es kürzlich Verwerfungen wegen russischer Falschmeldungen über eine angebliche Vergewaltigung einer 13-jährigen Russlanddeutschen in Berlin.
In dieser komplizierten Gemengelage ist Seehofer also bei Putin. Auf dem Flug nach Moskau packt der CSU-Chef ein Gastgeschenk aus: Er wirbt für eine Lockerung oder gar ein Ende der Wirtschaftssanktionen. Sie hätten „massive negative Rückwirkungen“in Bayern. Auch die russische Wirtschaft habe Schaden genommen. „Und deshalb, glaube ich, sollte es im Interesse aller Beteiligten sein, dass wir in überschaubarer Zeit zu Veränderungen kommen. Und dafür werde ich werben.“Nun müsse man sehen, wie man von den Sanktionen wegkomme, „in Schritten oder in einem Schritt“. Putin dürfte derlei gerne hören.
Kreml sieht keine Verschwörung
Unklar ist, was sich der Kremlchef außerdem von dem Treffen mit Seehofer verspricht. Sucht er einen Verbündeten gegen Kanzlerin Merkel? Dazu sagt die Führung in Moskau, das Treffen trage keinen „Verschwörungscharakter“. Die Position Seehofers, der die Sanktionen kritisch sehe, sei der russischen Regierung natürlich näher als die Position von Befürwortern der Strafmaßnahmen, sagt Kremlsprecher Dmitri Peskow. „Man muss hier aber keine Verschwörungen oder Pläne suchen.“
Das hatte die Opposition dem – außenpolitisch relativ unerfahrenen – CSU-Chef vorgeworfen: sich Putin anzubiedern und Merkel in den Rücken zu fallen. Auch ein CDU-Außenpolitiker rief Seehofer zur Absage der Reise auf. Seehofer weist derlei Kritik zurück. „Jeder Ministerpräsident hat die verdammte Pflicht, sein Land überall auf der Welt zu vertreten.“Viele Konflikte ließen sich eben nur mit Russland lösen, deshalb auch der Besuch bei Putin. Man habe gleichgerichtete Interessen. „Wir machen keine Machtspielchen.“