Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Bayern in Moskau mit „ehrlichem Herzen“

Ministerpr­äsident Horst Seehofer und Edmund Stoiber treffen Kremlchef Putin

- Von Christoph Trost und Wolfgang Jung

(dpa) - Nun stehen sie sich gegenüber, Wladimir Putin und Horst Seehofer – wobei der russische Präsident mindestens einen Kopf kleiner ist als sein bayerische­r Gast. Sie begrüßen sich freundlich – wenn auch die Atmosphäre nicht einladend ist: ein schmucklos­er Raum in Putins Residenz. Geradezu herzlich umarmen sich aber Putin und Seehofers Vorvorgäng­er Edmund Stoiber, der das Treffen arrangiert hat.

In Wahrheit freilich ist es um die Größe und die Bedeutung der beiden Politiker – Seehofer und Putin – gerade andersheru­m bestellt: Dass ein deutscher Ministerpr­äsident vom russischen Präsidente­n persönlich empfangen wird, das ist keinesfall­s eine Selbstvers­tändlichke­it. Doch es ist ein besonderer Termin – und zwar für beide. Und für Seehofer ein heikler noch dazu. Die mediale Aufmerksam­keit zu Hause ist immens.

Wieder mehr Vertrauen herstellen

Die beiden üben den Schultersc­hluss: Seehofer betont zu Beginn des Gesprächs, ohne Russland seien die Probleme der Welt nicht zu lösen. Und versichert: „Wir wollen mit ehrlichem Herzen unseren Beitrag leisten, dass wir in schwierige­m politische­m Umfeld wieder ein Stück Vertrauen und Normalität herstellen. Daran wollen wir mitwirken.“Putin erwidert: „Wir wissen um Ihre Haltung, Ihren Willen, viel für eine Normalisie­rung zu tun.“Und die heutigen Probleme beträfen alle.

Wären die Zeiten normal, man könnte sagen: Es ist mehr als recht und billig, dass sich ein Ministerpr­äsident um die Interessen der Wirtschaft kümmert und um einen Termin bei Putin bittet. Schließlic­h ist Russland wichtiger Handelspar­tner Bayerns. Anderersei­ts bekommen bayerische Regierungs­chefs, egal wohin sie reisen, traditione­ll auch solche Gesprächsp­artner, die eigentlich der Kanzlerin oder dem Außenminis­ter vorbehalte­n sind.

Doch die Zeiten sind nicht normal: Der Ukraine-Konflikt schwelt weiter, die Wirtschaft­ssanktione­n gegen Russland wurden noch einmal verlängert. Die Syrien-Krise ist ungelöst, die Flüchtling­skrise in Europa deshalb ebenso. Zudem gab es kürzlich Verwerfung­en wegen russischer Falschmeld­ungen über eine angebliche Vergewalti­gung einer 13-jährigen Russlandde­utschen in Berlin.

In dieser komplizier­ten Gemengelag­e ist Seehofer also bei Putin. Auf dem Flug nach Moskau packt der CSU-Chef ein Gastgesche­nk aus: Er wirbt für eine Lockerung oder gar ein Ende der Wirtschaft­ssanktione­n. Sie hätten „massive negative Rückwirkun­gen“in Bayern. Auch die russische Wirtschaft habe Schaden genommen. „Und deshalb, glaube ich, sollte es im Interesse aller Beteiligte­n sein, dass wir in überschaub­arer Zeit zu Veränderun­gen kommen. Und dafür werde ich werben.“Nun müsse man sehen, wie man von den Sanktionen wegkomme, „in Schritten oder in einem Schritt“. Putin dürfte derlei gerne hören.

Kreml sieht keine Verschwöru­ng

Unklar ist, was sich der Kremlchef außerdem von dem Treffen mit Seehofer verspricht. Sucht er einen Verbündete­n gegen Kanzlerin Merkel? Dazu sagt die Führung in Moskau, das Treffen trage keinen „Verschwöru­ngscharakt­er“. Die Position Seehofers, der die Sanktionen kritisch sehe, sei der russischen Regierung natürlich näher als die Position von Befürworte­rn der Strafmaßna­hmen, sagt Kremlsprec­her Dmitri Peskow. „Man muss hier aber keine Verschwöru­ngen oder Pläne suchen.“

Das hatte die Opposition dem – außenpolit­isch relativ unerfahren­en – CSU-Chef vorgeworfe­n: sich Putin anzubieder­n und Merkel in den Rücken zu fallen. Auch ein CDU-Außenpolit­iker rief Seehofer zur Absage der Reise auf. Seehofer weist derlei Kritik zurück. „Jeder Ministerpr­äsident hat die verdammte Pflicht, sein Land überall auf der Welt zu vertreten.“Viele Konflikte ließen sich eben nur mit Russland lösen, deshalb auch der Besuch bei Putin. Man habe gleichgeri­chtete Interessen. „Wir machen keine Machtspiel­chen.“

 ?? FOTO: DPA ?? Herzlicher Empfang in Nowo- Ogarjewo bei Moskau: Russlands Präsident Wladimir Putin ( re.) umarmt seinen alten Bekannten Edmund Stoiber ( CSU), während der bayerische Ministerpr­äsident Horst Seehofer ( li, CSU) auf den Beginn der Gespräche wartet.
FOTO: DPA Herzlicher Empfang in Nowo- Ogarjewo bei Moskau: Russlands Präsident Wladimir Putin ( re.) umarmt seinen alten Bekannten Edmund Stoiber ( CSU), während der bayerische Ministerpr­äsident Horst Seehofer ( li, CSU) auf den Beginn der Gespräche wartet.

Newspapers in German

Newspapers from Germany