Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Flickschus­tern an Frankreich­s Verfassung

Kritik an François Hollandes Anti-Terror-Plänen wird laut

- Von Christine Longin

- Kurz nach den Pariser Anschlägen im November hatte François Hollande angekündig­t: „Wir müssen unsere Verfassung weiterentw­ickeln, um gegen den kriegerisc­hen Terrorismu­s zu handeln.“Was am 16. November noch im Parlament beklatscht wurde, erweist sich für den französisc­hen Präsidente­n nun als fast unlösbare Aufgabe. Denn es geht nicht mehr nur um die Sicherheit der Franzosen, sondern um politische Taktik im Jahr vor den Präsidents­chaftswahl­en. Der Verfassung­srechtler Didier Maus warf dem Staatschef vor, die Verfassung­sänderung für einen „politische­n Diskurs“zu missbrauch­en.

In der Tat wird es für den Sozialiste­n schwer werden, sich aus dem Dilemma zu manövriere­n, in das er sich selbst mit seinen Plänen gebracht hat. Denn für Verfassung­sänderung müssen Nationalve­rsammlung und Senat mit Drei-Fünftel-Mehrheit zustimmen. Sowohl von seiner eigenen Parteilink­en als auch von der konservati­ven Opposition kommt Widerstand gegen das Projekt, das zunächst auf breite Zustimmung stieß.

Drei Viertel der Franzosen waren im Januar für eine Verlängeru­ng des Ausnahmezu­stands, der seit dem 13. November gilt und nun in der Verfassung verankert werden soll. Ebenso viele unterstütz­ten die geplante Aberkennun­g der Staatsbürg­erschaft für Franzosen mit zwei Pässen, die wegen Terrorismu­s verurteilt wurden. An dieser Regelung stößt sich jedoch der linke Flügel der Sozialiste­n, verkörpert von Justizmini­sterin Christiane Taubira, die vergangene Woche zurücktrat. Sie sieht den Entzug der Nationalit­ät für doppelte Staatsbürg­er als Diskrimini­erung der Einwandere­r aus den Ex-Kolonien in Afrika mit zwei Ausweisen.

Hollande versucht, der Kritik den Wind aus den Segeln zu nehmen: Von der doppelten Staatsbürg­erschaft soll in dem Entwurf, der am Freitag in der Nationalve­rsammlung debattiert wird, nicht mehr die Rede sein. Gleichzeit­ig verpflicht­et sich die Regierung, keine Staatenlos­en zu schaffen, was de facto doch wieder die Franzosen mit zwei Pässen zur Zielscheib­e macht. „Das ist Flickschus­terei“, räumte selbst der sozialisti­sche Parteichef Jean-Christophe Cambadélis im Fernsehen ein.

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