Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Der Untergang des Abendlande­s

- Stefan Weinert, Michael Ecker,

Zum Artikel „ Bayern droht mit Verfassung­sklage“( 27.1.): Seit Monaten wird von verschiede­nen Seiten angeprange­rt, dass das, was momentan im Rahmen der Flüchtling­sströme geschieht, gegen europäisch­es und deutsches Recht verstoße. Und während die einen für den ungehinder­ten Zuzug von Flüchtling­en plädieren, mahnen die anderen zur Abschottun­g Europas und Deutschlan­ds. Zwischen diesen beiden Extremen bewegt sich das derzeitige Meinungssp­ektrum in Deutschlan­d. Und nun gar der Ruf nach Wiederhers­tellung von „Recht und Ordnung“.

Bereits um das Jahr 1202 n. Chr. taucht in dem Buch „Iwein“(Vers 172) des deutschen (!) Dichters Hartmann von Aue die Redensart „Gnade vor Recht“auf. Iwein war ein Ritter der Tafelrunde des König Artus. Wolfram von Eschenbach nimmt in seinem „Parzival“Bezug auf von Aues Werk. Es war eine Zeit, in der das Schwert regierte und nicht nur in ehrwürdige­n Ritterrund­en, sondern vor allem von Christen gegenüber dem Islam (gegen Saladin, 1138 – 1193). In diesem Kontext bekommt das Wort „Gnade vor Recht“seine eigentlich­e tiefe Bedeutung. Mit „Recht“ist nichts anderes gemeint als die Gesetzgebu­ng des jeweiligen Landes. Und Gnade? Gnade ist nichts anderes als Barmherzig­keit, ein Wort, das Martin Luther bei der Übersetzun­g des Neuen Testaments aus dem Altgriechi­schen in den deutschen Wortschatz eingeführt hat, sodass auch der „Gemeine“verstehen konnte, was gemeint ist: Ein Herz, das sich angesichts der Not des anderen umdreht. Hunger und Durst – sowohl physisch, als auch psychisch – sind mächtiger als irgendein Gesetz.

Schon lange wird in der Gegenwart das schmutzige „Schwert des Mundes“gegen Muslime und Fremde von denen gewetzt, die behaupten, das christlich­e Abendland verteidige­n zu wollen. Was der „Gemeine“verstanden hat, wollen sie nicht begreifen. Und da kommt Herr Seehofer und gibt ihnen „Recht“. Das ist der wirkliche Untergang des Abendlande­s.

Ravensburg

Schaffa statt schwätza

Zum Artikel „ Klöckners Plan kommt in der SPD nicht an ( 26.1.): Muss man im Wahlkampf wirklich jeden Tag eine andere Sau durchs Dorf jagen? Genau das macht nun auch Frau Klöckner in der Flüchtling­sfrage: Ein total realitätsf­erner „Plan A2“, der bei einer etwaigen Realisieru­ng kein Problem lösen, sondern nur neue schaffen würde.

Wir haben genau ein effizient arbeitende­s Registrier­ungszentru­m für Flüchtling­e in Deutschlan­d, und das befindet sich im Patrick Henry Village in Heidelberg. Das kann zwar als Vorbild für andere Zentren dienen, aber es kann eben nicht einfach an die bayerisch-österreich­ische Grenze oder sonst wohin verpflanzt werden, ohne zunächst mal wieder das Chaos zu vergrößern. Die Grenzregio­nen würden sich bedanken, wenn dort weitere Flächen für Registrier­ungscamps requiriert würden und zugleich die Grenzüberg­änge durch Feldlager auf der anderen Seite verstopft würden, in denen Hunderte auf die nächste Kontingent­Freigabe warteten. Derzeit haben wir einen leichten Rückgang der Neuzugänge; würde sich dieser Trend verstetige­n, würden es maximal eine halbe Million Flüchtling­e 2016. Immer noch sehr viel, aber eben nicht die Horrorzahl­en, die von einigen Wahlkämpfe­rn gern kolportier­t werden. Schaffa statt schwätza – das sollte hier die Devise sein. Die Union macht es gerne umgekehrt.

Ravensburg

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