Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Der Untergang des Abendlandes
Zum Artikel „ Bayern droht mit Verfassungsklage“( 27.1.): Seit Monaten wird von verschiedenen Seiten angeprangert, dass das, was momentan im Rahmen der Flüchtlingsströme geschieht, gegen europäisches und deutsches Recht verstoße. Und während die einen für den ungehinderten Zuzug von Flüchtlingen plädieren, mahnen die anderen zur Abschottung Europas und Deutschlands. Zwischen diesen beiden Extremen bewegt sich das derzeitige Meinungsspektrum in Deutschland. Und nun gar der Ruf nach Wiederherstellung von „Recht und Ordnung“.
Bereits um das Jahr 1202 n. Chr. taucht in dem Buch „Iwein“(Vers 172) des deutschen (!) Dichters Hartmann von Aue die Redensart „Gnade vor Recht“auf. Iwein war ein Ritter der Tafelrunde des König Artus. Wolfram von Eschenbach nimmt in seinem „Parzival“Bezug auf von Aues Werk. Es war eine Zeit, in der das Schwert regierte und nicht nur in ehrwürdigen Ritterrunden, sondern vor allem von Christen gegenüber dem Islam (gegen Saladin, 1138 – 1193). In diesem Kontext bekommt das Wort „Gnade vor Recht“seine eigentliche tiefe Bedeutung. Mit „Recht“ist nichts anderes gemeint als die Gesetzgebung des jeweiligen Landes. Und Gnade? Gnade ist nichts anderes als Barmherzigkeit, ein Wort, das Martin Luther bei der Übersetzung des Neuen Testaments aus dem Altgriechischen in den deutschen Wortschatz eingeführt hat, sodass auch der „Gemeine“verstehen konnte, was gemeint ist: Ein Herz, das sich angesichts der Not des anderen umdreht. Hunger und Durst – sowohl physisch, als auch psychisch – sind mächtiger als irgendein Gesetz.
Schon lange wird in der Gegenwart das schmutzige „Schwert des Mundes“gegen Muslime und Fremde von denen gewetzt, die behaupten, das christliche Abendland verteidigen zu wollen. Was der „Gemeine“verstanden hat, wollen sie nicht begreifen. Und da kommt Herr Seehofer und gibt ihnen „Recht“. Das ist der wirkliche Untergang des Abendlandes.
Ravensburg
Schaffa statt schwätza
Zum Artikel „ Klöckners Plan kommt in der SPD nicht an ( 26.1.): Muss man im Wahlkampf wirklich jeden Tag eine andere Sau durchs Dorf jagen? Genau das macht nun auch Frau Klöckner in der Flüchtlingsfrage: Ein total realitätsferner „Plan A2“, der bei einer etwaigen Realisierung kein Problem lösen, sondern nur neue schaffen würde.
Wir haben genau ein effizient arbeitendes Registrierungszentrum für Flüchtlinge in Deutschland, und das befindet sich im Patrick Henry Village in Heidelberg. Das kann zwar als Vorbild für andere Zentren dienen, aber es kann eben nicht einfach an die bayerisch-österreichische Grenze oder sonst wohin verpflanzt werden, ohne zunächst mal wieder das Chaos zu vergrößern. Die Grenzregionen würden sich bedanken, wenn dort weitere Flächen für Registrierungscamps requiriert würden und zugleich die Grenzübergänge durch Feldlager auf der anderen Seite verstopft würden, in denen Hunderte auf die nächste KontingentFreigabe warteten. Derzeit haben wir einen leichten Rückgang der Neuzugänge; würde sich dieser Trend verstetigen, würden es maximal eine halbe Million Flüchtlinge 2016. Immer noch sehr viel, aber eben nicht die Horrorzahlen, die von einigen Wahlkämpfern gern kolportiert werden. Schaffa statt schwätza – das sollte hier die Devise sein. Die Union macht es gerne umgekehrt.
Ravensburg