Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Energieversorger dürfen Gas nicht „zu teuer“einkaufen
BGH ebnet wohl Weg für bessere Kontrolle von Preiserhöhungen
- Der Bundesgerichtshof wird voraussichtlich die Rechte von Gaskunden im Kampf gegen Preiserhöhungen stärken. Das deutete sich am Mittwoch in der Revisionsverhandlung über einen Fall aus Ravensburg an. Eine Tarifkundin streitet dabei mit ihrem regionalen Gasversorger, den Technischen Werken Schussental (TWS). Es geht darum, ob der Versorger das Erdgas zu teuer eingekauft hat und per Preiserhöhungen überhöhte Kosten an die Kunden weitergegeben hat.
Der BGH hatte im Oktober 2015 zwar entschieden, dass Gasversorger eigene Bezugskostensteigerungen an Tarifkunden weitergeben dürfen. Doch diese Weitergabe habe „Grenzen“, kündigte der BGH nun an. Das Urteil wird erst am 6. April verkündet (Az. VIII ZR 71/10).
„Nicht zu beliebig hohen Preisen“
In der Verhandlung deutete sich aber eine Tendenz an: Kunden kann wohl nicht zugemutet werden, die vom Versorger vorgelegten Zahlen zum Bezugskostenanstieg klaglos hinzunehmen. Sie dürften wohl das Recht haben, gerichtlich detailliert überprüfen zu lassen, ob der Versorger die Steigerung hätte vermeiden können. „Ein Gasversorger darf Gas nicht zu beliebig hohen Preisen einkaufen“, betonte Kläger-Anwalt Peter Wassermann.
Im vorliegenden Altfall verlangen die TWS von einer Tarifkundin die Nachzahlung von 2733 Euro für Erdgaslieferungen in den Jahren 2005 bis 2007. Die Kundin hatte den Preiserhöhungen, die der Versorger in diesen Jahren wegen angeblicher Bezugskostensteigerungen vorgenommen hatte, widersprochen. Die Kundin argumentierte, die TWS hätten den Anstieg bei den Einkaufskosten fürs Erdgas durch eine besondere Gestaltung der Vertriebsform „selbst verursacht“. Denn der Gasversorger TWS sei jeweils an seinen Vorlieferanten beteiligt: an der GVO Gashandelsgesellschaft als Gesellschafter und am Zweckverband Gasversorgung Oberschwaben als Mitglied. Dies diene dem Zweck, „die eigenen Bezugspreise künstlich in die Höhe zu treiben“, während die TWS auf der anderen Seite von den Gewinnen dieser Vorlieferanten profitiere.
In der Vorinstanz hatte das Landgericht Ravensburg die Preiserhöhungen jedoch als gültig angesehen, weil sie „im Wesentlichen“auf gestiegene Bezugskosten zurückzuführen seien. Die Behauptung der Kundin, der Versorger habe die Bezugskosten durch die Vertriebsform künstlich aufgebläht, sei „unerheblich“, meinte das Landgericht. Denn die Bezugskosten unterlägen gar nicht der „gerichtlichen Kontrolle“.
Dem schien die Vorsitzende Richterin des 8. Zivilsenats des BGH, Karin Milger, am Mittwoch in ihrer „vorläufigen rechtlichen Würdigung“nicht folgen zu wollen. Möglicherweise werde das Landgericht hier doch noch einmal ins Detail gehen müssen, deutete sie an.
Die TWS sind jedoch überzeugt, dass die vorgelegten Tabellen und Unterlagen zum Anstieg der Bezugskosten einer gerichtlichen Nachprüfung standhalten würden. TWS-Ge- schäftsführer Andreas Thiel-Böhm sagte nach der Verhandlung: „Wir haben diese Gesellschaft gegründet, um Einkaufsvorteile zu erzielen – und zwar im Sinne der Kunden.“Der Vorwurf, die TWS habe ihr Erdgas zu teuer eingekauft und „sich die Taschen gefüllt“, sei unzutreffend. Dieser Nachweis sei „einfach zu führen“.
TWS-Anwalt Thomas Winter sagte, in den hier maßgeblichen Geschäftsjahren sei der Handelszuschlag für das bei der GVO eingekaufte Erdgas verschwindend gering gewesen. Die Handelsspanne habe im Promillebereich gelegen – konkret zwischen 0,0014 und 0,0023 Prozent der Einkaufssumme.
Was das umgerechnet für die einzelnen Gaskunden bedeutet habe, verdeutlichte Geschäftsführer Andreas Thiel-Böhm am Rande der BGH-Verhandlung in Karlsruhe so: „Wir reden hier über den Wert einer Briefmarke.“