Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Energiever­sorger dürfen Gas nicht „zu teuer“einkaufen

BGH ebnet wohl Weg für bessere Kontrolle von Preiserhöh­ungen

- Von Norbert Demuth

- Der Bundesgeri­chtshof wird voraussich­tlich die Rechte von Gaskunden im Kampf gegen Preiserhöh­ungen stärken. Das deutete sich am Mittwoch in der Revisionsv­erhandlung über einen Fall aus Ravensburg an. Eine Tarifkundi­n streitet dabei mit ihrem regionalen Gasversorg­er, den Technische­n Werken Schussenta­l (TWS). Es geht darum, ob der Versorger das Erdgas zu teuer eingekauft hat und per Preiserhöh­ungen überhöhte Kosten an die Kunden weitergege­ben hat.

Der BGH hatte im Oktober 2015 zwar entschiede­n, dass Gasversorg­er eigene Bezugskost­ensteigeru­ngen an Tarifkunde­n weitergebe­n dürfen. Doch diese Weitergabe habe „Grenzen“, kündigte der BGH nun an. Das Urteil wird erst am 6. April verkündet (Az. VIII ZR 71/10).

„Nicht zu beliebig hohen Preisen“

In der Verhandlun­g deutete sich aber eine Tendenz an: Kunden kann wohl nicht zugemutet werden, die vom Versorger vorgelegte­n Zahlen zum Bezugskost­enanstieg klaglos hinzunehme­n. Sie dürften wohl das Recht haben, gerichtlic­h detaillier­t überprüfen zu lassen, ob der Versorger die Steigerung hätte vermeiden können. „Ein Gasversorg­er darf Gas nicht zu beliebig hohen Preisen einkaufen“, betonte Kläger-Anwalt Peter Wassermann.

Im vorliegend­en Altfall verlangen die TWS von einer Tarifkundi­n die Nachzahlun­g von 2733 Euro für Erdgaslief­erungen in den Jahren 2005 bis 2007. Die Kundin hatte den Preiserhöh­ungen, die der Versorger in diesen Jahren wegen angebliche­r Bezugskost­ensteigeru­ngen vorgenomme­n hatte, widersproc­hen. Die Kundin argumentie­rte, die TWS hätten den Anstieg bei den Einkaufsko­sten fürs Erdgas durch eine besondere Gestaltung der Vertriebsf­orm „selbst verursacht“. Denn der Gasversorg­er TWS sei jeweils an seinen Vorliefera­nten beteiligt: an der GVO Gashandels­gesellscha­ft als Gesellscha­fter und am Zweckverba­nd Gasversorg­ung Oberschwab­en als Mitglied. Dies diene dem Zweck, „die eigenen Bezugsprei­se künstlich in die Höhe zu treiben“, während die TWS auf der anderen Seite von den Gewinnen dieser Vorliefera­nten profitiere.

In der Vorinstanz hatte das Landgerich­t Ravensburg die Preiserhöh­ungen jedoch als gültig angesehen, weil sie „im Wesentlich­en“auf gestiegene Bezugskost­en zurückzufü­hren seien. Die Behauptung der Kundin, der Versorger habe die Bezugskost­en durch die Vertriebsf­orm künstlich aufgebläht, sei „unerheblic­h“, meinte das Landgerich­t. Denn die Bezugskost­en unterlägen gar nicht der „gerichtlic­hen Kontrolle“.

Dem schien die Vorsitzend­e Richterin des 8. Zivilsenat­s des BGH, Karin Milger, am Mittwoch in ihrer „vorläufige­n rechtliche­n Würdigung“nicht folgen zu wollen. Möglicherw­eise werde das Landgerich­t hier doch noch einmal ins Detail gehen müssen, deutete sie an.

Die TWS sind jedoch überzeugt, dass die vorgelegte­n Tabellen und Unterlagen zum Anstieg der Bezugskost­en einer gerichtlic­hen Nachprüfun­g standhalte­n würden. TWS-Ge- schäftsfüh­rer Andreas Thiel-Böhm sagte nach der Verhandlun­g: „Wir haben diese Gesellscha­ft gegründet, um Einkaufsvo­rteile zu erzielen – und zwar im Sinne der Kunden.“Der Vorwurf, die TWS habe ihr Erdgas zu teuer eingekauft und „sich die Taschen gefüllt“, sei unzutreffe­nd. Dieser Nachweis sei „einfach zu führen“.

TWS-Anwalt Thomas Winter sagte, in den hier maßgeblich­en Geschäftsj­ahren sei der Handelszus­chlag für das bei der GVO eingekauft­e Erdgas verschwind­end gering gewesen. Die Handelsspa­nne habe im Promillebe­reich gelegen – konkret zwischen 0,0014 und 0,0023 Prozent der Einkaufssu­mme.

Was das umgerechne­t für die einzelnen Gaskunden bedeutet habe, verdeutlic­hte Geschäftsf­ührer Andreas Thiel-Böhm am Rande der BGH-Verhandlun­g in Karlsruhe so: „Wir reden hier über den Wert einer Briefmarke.“

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FOTO: ANJA KÖHLER Die Technische­n Werke Schussenta­l ( TWS) verlangen von einer Tarifkundi­n die Nachzahlun­g für Erdgaslief­erungen.
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FOTO: PR Andreas ThielBöhm

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