Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Sie sind wieder da
Der Blaue Reiter kehrt zurück ins Lenbachhaus in München
- Ab sofort sind sie nun wieder da, die Schätze des Blauen Reiters. Viele Werke der expressionistischen Künstlergruppe waren als Leihgaben im Ausland unterwegs, jetzt sind all die Münters und Jawlenskys, Klees und Kandinskys, Mackes und Marcs in die Städtische Galerie im Lenbachhaus zurückgekehrt und werden in neuer Zusammenstellung im zweiten Stock präsentiert.
Nicht das blaue Pferd, nicht die gelbe Kuh oder der hellbraune Tiger von Franz Marc wirbt für die neue Dauerausstellung, sondern Alexej Jawlenskys „Bildnis des Tänzers Sacharoff“von 1909. Dessen androgynes Antlitz ziert auf Plakaten die ganze Stadt. Das rote Kleid auf türkisfarbenem Hintergrund, dazu die pechschwarzen Haare, die das weiß geschminkte Gesicht einrahmen, sind ein Hingucker. Der russische Tänzer, Choreograf und Maler, der übrigens kein Transvestit war, gehörte zum Kreis des Blauen Reiters und steht für den neuen Ansatz im Lenbachhaus: Den Blauen Reiter sehen heißt, nicht nur seine populären Bilder zu betrachten, sondern auch seine Ideen zu verstehen.
„Der Almanach“war der Anfang
Zentrales Element ist deshalb das Buch „Der Almanach“, das 1912 den Beginn der Künstlerbewegung markiert. In der Schau kann der Besucher auf einem Touchscreen durch die digitalisierte Originalausgabe blättern und so nachvollziehen, wie eine neue Kunstidee Gestalt annahm. Die Intention des „Almanachs“hat Wassily Kandinsky wunderbar auf den Punkt gebracht: „Das ganze Werk, Kunst genannt, kennt keine Grenzen und Völker, sondern die Menschheit.“Eine Ansage gegen jede Ideologie. Eine Ansage, die alle Genres einbezog, die Volkskunst gleichwertig neben akademische Kunst stellte, die afrikanische Schnitzereien oder bayerische Hinterglasmalereien neben europäischen Meisterwerken sah. Der Blaue Reiter war weltoffen, international und pluralistisch ausgerichtet und hat deshalb bis heute diese Strahlkraft, wie Museumsdirektor Matthias Mühling immer wieder betont.
Wie das in der Realität aussah, zeigen ein paar Fotografien, die Gabriele Münter 1911 gemacht hat. Darauf zu sehen ist Kandinsky in der gemeinsamen Wohnung in der Ainmillerstraße in München. Die Wand ist vollgehängt mit Kinderzeichnungen und Heiligenbildchen. In der Ausstellung werden diese Objekte, die Teil der Münter-Schenkung sind, an der Wand gegenüber präsentiert. Hinzu kommen eigene Hinterglasmalereien in Schaukästen.
Die Ausstellung bietet viel fürs Auge. In zwölf farbig gestalteten Räumen kann man die Künstlergruppe neu entdecken und die alten Lieblinge in verändertem Kontext bewundern. Da sind Münter und Kandinsky mit den frühen Ölskizzen, dann in Murnau das Viergespann Münter und Kandinsky, Jawlensky und Werefkin. Überhaupt gibt man Alexej Jawlensky mehr Gewicht als früher. Mal wird er mit Paul Klee kombiniert, mal mit Gabriele Münter, während Franz Marc wie gewohnt mit August Macke im großen Saal gezeigt wird. Auch die beiden Kandinsky-Räume mit den farbintensiven Improvisationen und Komposi- tionen auf steingrauem Grund blieben unverändert und sind nach wie vor eine Wucht. Neu ist dafür die Abteilung mit dem Bezug zu Franz von Stuck und dem Jugendstil. Bewusst aufgenommen wurde auch Volkskunst wie etwa Marienfiguren, die sich in den harmonischen Stillleben von Münter wiederfinden.
Ein Höhepunkt ist ihr Gemälde „Im Zimmer“, eines von drei großen Figureninterieurs der Künstlerin. Es gehört erst seit 2013 zur hauseigenen Sammlung. Darauf ist ihre Nichte Elfriede Schröter im Sessel zu sehen, im Hintergrund zwei kleine Bilder, gemalt von der Zehnjährigen. Genau diese beiden Kinderzeichnungen hängen nun direkt neben Münters Bild und veranschaulichen so die Ideen des Blauen Reiters.
Ein weiterer Blickfang ist Jawlenskys „Bildnis des Tänzers Sacha- roff“, das ja als Plakatmotiv dient. Das Gemälde wurde für die Schau frisch restauriert. Seine Farben leuchten noch stärker als zuvor. Vielleicht liegt es auch daran, dass das Porträt nun allein hängt und ausreichend Platz hat, um zur Geltung zu kommen. Angeblich hat der Künstler das Bild innerhalb von einer Stunde gemalt und noch feucht mit nach Hause genommen. Tatsächlich sind auf dem türkisfarbenen Hintergrund einige Fehlstellen zu sehen, die bei der Restaurierung bewusst nicht übertüncht wurden.