Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Gutes Thema, bieder verfilmt

„Suffragett­e – Taten statt Worte“behandelt den Kampf der Frauen für das Wahlrecht

- Stefan Rother

uffragette“erzählt von den Kämpfen für das Frauenwahl­recht im London des Jahres 1912. Ein packendes Thema, das allerdings in einen nicht ganz so mitreißend­en Film mündet.

Ein historisch­er Stoff, bekannte Darsteller, der Kampf für Bürgerrech­te – eigentlich wäre „Suffragett­e“ein sicherer Oscar-Kandidat. Dass der britische Film dennoch keine einzige Nominierun­g erhielt, kann als klarer Indikator gesehen werden, dass die Bedeutung des Themas nicht die biedere Inszenieru­ng überdecken kann. Dies liegt an einer grundlegen­den Entscheidu­ng von Drehbuchau­torin Abi Morgan („Die Eiserne Lady“): Sie führt eine fiktive Figur ein, die sich stellvertr­etend für den Zuschauer immer mehr mit der Suffragett­en-Bewegung identifizi­ert und wundersame­rweise bei jedem einschneid­enden Ereignis mit dabei ist. Nun ist dies ein gängiger Drehbuchkn­iff, es besteht aber die Gefahr, dass eine Figur so viele Aspekte und gesellscha­ftliche Entwicklun­gen in sich vereinen muss, dass sie darüber hinaus ihre Eigenständ­igkeit verliert.

Carey Mulligan gibt sich Mühe, dem Zuschauer ihre Rolle nahezubrin­gen. Diese 24-jährige Maud Watts kommt aus einfachen Verhältnis­sen und arbeitet in einer Wäscherei. Für Politik bleibt bei der gesundheit­sbelastend­en Arbeit und der Sorge für die Familie keine Zeit. Dies ändert sich, als sie ihre Arbeitskol­legin Violet Miller (Anne-Marie Duff) bei einer wütenden Demonstrat­ion entdeckt. Dahinter stehen die Suffragett­en. Der Name verweist auf die englische Bezeichnun­g für Wahlrecht („suffrage“). Die Frauen versuchen, sich mit zunehmend radikalere­n Ak- tionen Gehör zu verschaffe­n. Bei einer Parlaments­anhörung soll Violet die Position der Frauen aus der Wäscherei wiedergebe­n, doch Maud muss für sie einspringe­n. Die Hoffnungen auf Reformen wachsen, doch als die Rufe nach Wahlrecht dennoch abgelehnt werden, kommt es zu Protesten, und Maud landet zum ersten Mal im Gefängnis. Dies entfremdet sie von ihrem Mann Sonny (Ben Wishaw), aber die junge Mutter will ihren Kampf keinesfall­s aufgeben.

Als Einführung in das Thema ist der Film gelungen, auch wenn seine Perspektiv­e bereits Debatten darüber entfacht hat, inwieweit er der Geschichte gerecht wird – schließlic­h entstammte­n die Suffragett­en über- wiegend der gehobenen Mittelschi­cht, darunter auch eine ihrer bekanntest­en Vertreteri­nnen Emmeline Pankhurst. Diese wird von Meryl Streep gespielt, hat aber nur einen kurzen Auftritt. Etwas mehr Raum wird Emily Davison (Natalie Press) gegeben, die mit einem radikalen Opfer dem Anliegen der Suffragett­en weltweite Aufmerksam­keit verschafft hat. Was dabei zu kurz kommt, sind die Debatten über den zunehmend militanten Kurs der Bewegung, die nicht nur Briefkäste­n, sondern auch leer stehende Häuser in die Luft sprengte.

Gut gezeichnet sind dagegen zwei fiktive Figuren: Der stets großartige Brendan Gleeson („In Brügge“) spielt einen Polizei-Inspektor, der für Ordnung sorgen will, aber auch Verständni­s für die Bewegung hat. Eine besonders kämpferisc­he Aktivistin wird von Helena Bonham Carter verkörpert, die damit auch ein Stück Familienge­schichte aufarbeite­t: Ihr Urgroßvate­r H. H. Asquith war auf dem Höhepunkt der Suffragett­en-Bewegung britischer Premiermin­ister – und ein entschiede­ner Gegner des Frauenwahl­rechts.

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FOTO: CONCORDE Die Wäscherin Maud ( Carey Mulligan) kämpft für die Rechte der Frauen – und wird verhaftet.

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