Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Gutes Thema, bieder verfilmt
„Suffragette – Taten statt Worte“behandelt den Kampf der Frauen für das Wahlrecht
uffragette“erzählt von den Kämpfen für das Frauenwahlrecht im London des Jahres 1912. Ein packendes Thema, das allerdings in einen nicht ganz so mitreißenden Film mündet.
Ein historischer Stoff, bekannte Darsteller, der Kampf für Bürgerrechte – eigentlich wäre „Suffragette“ein sicherer Oscar-Kandidat. Dass der britische Film dennoch keine einzige Nominierung erhielt, kann als klarer Indikator gesehen werden, dass die Bedeutung des Themas nicht die biedere Inszenierung überdecken kann. Dies liegt an einer grundlegenden Entscheidung von Drehbuchautorin Abi Morgan („Die Eiserne Lady“): Sie führt eine fiktive Figur ein, die sich stellvertretend für den Zuschauer immer mehr mit der Suffragetten-Bewegung identifiziert und wundersamerweise bei jedem einschneidenden Ereignis mit dabei ist. Nun ist dies ein gängiger Drehbuchkniff, es besteht aber die Gefahr, dass eine Figur so viele Aspekte und gesellschaftliche Entwicklungen in sich vereinen muss, dass sie darüber hinaus ihre Eigenständigkeit verliert.
Carey Mulligan gibt sich Mühe, dem Zuschauer ihre Rolle nahezubringen. Diese 24-jährige Maud Watts kommt aus einfachen Verhältnissen und arbeitet in einer Wäscherei. Für Politik bleibt bei der gesundheitsbelastenden Arbeit und der Sorge für die Familie keine Zeit. Dies ändert sich, als sie ihre Arbeitskollegin Violet Miller (Anne-Marie Duff) bei einer wütenden Demonstration entdeckt. Dahinter stehen die Suffragetten. Der Name verweist auf die englische Bezeichnung für Wahlrecht („suffrage“). Die Frauen versuchen, sich mit zunehmend radikaleren Ak- tionen Gehör zu verschaffen. Bei einer Parlamentsanhörung soll Violet die Position der Frauen aus der Wäscherei wiedergeben, doch Maud muss für sie einspringen. Die Hoffnungen auf Reformen wachsen, doch als die Rufe nach Wahlrecht dennoch abgelehnt werden, kommt es zu Protesten, und Maud landet zum ersten Mal im Gefängnis. Dies entfremdet sie von ihrem Mann Sonny (Ben Wishaw), aber die junge Mutter will ihren Kampf keinesfalls aufgeben.
Als Einführung in das Thema ist der Film gelungen, auch wenn seine Perspektive bereits Debatten darüber entfacht hat, inwieweit er der Geschichte gerecht wird – schließlich entstammten die Suffragetten über- wiegend der gehobenen Mittelschicht, darunter auch eine ihrer bekanntesten Vertreterinnen Emmeline Pankhurst. Diese wird von Meryl Streep gespielt, hat aber nur einen kurzen Auftritt. Etwas mehr Raum wird Emily Davison (Natalie Press) gegeben, die mit einem radikalen Opfer dem Anliegen der Suffragetten weltweite Aufmerksamkeit verschafft hat. Was dabei zu kurz kommt, sind die Debatten über den zunehmend militanten Kurs der Bewegung, die nicht nur Briefkästen, sondern auch leer stehende Häuser in die Luft sprengte.
Gut gezeichnet sind dagegen zwei fiktive Figuren: Der stets großartige Brendan Gleeson („In Brügge“) spielt einen Polizei-Inspektor, der für Ordnung sorgen will, aber auch Verständnis für die Bewegung hat. Eine besonders kämpferische Aktivistin wird von Helena Bonham Carter verkörpert, die damit auch ein Stück Familiengeschichte aufarbeitet: Ihr Urgroßvater H. H. Asquith war auf dem Höhepunkt der Suffragetten-Bewegung britischer Premierminister – und ein entschiedener Gegner des Frauenwahlrechts.