Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Ärger über dubiose Deutschlehrer
Mit „aggressiven Methoden“sollen Privatleute versucht haben, Flüchtlinge in ihre Kurse zu drängen
- Was eigentlich als schnelle Integrationshilfe und Flüchtlings-Unterstützung der Arbeitsagentur gedacht war, ging in den Augen mancher freiwilliger Helfer komplett nach hinten los: Gemeint sind die Deutsch-Kurse für Flüchtlinge, die in den vergangenen vier Monaten wie Pilze aus dem Boden geschossen sind. Mit skrupellosen Methoden sollen diese dubiosen Deutschlehrer in den Asylunterkünften Flüchtlinge angesprochen haben: Dabei ist die Rede von Erpressung, von Abschiebung und der Polizei. Denn offenbar witterten viele ein Geschäft in den von der Arbeitsagentur subventionierten Unterrichtsstunden, sagen zum Beispiel Nersinger Asylhelfer, die selbst fast täglich in den Unterkünften sind, um den Flüchtlingen kostenlos deutsch zu lehren oder sie zu unterstützen.
Im Oktober 2015 trat kurzfristig bundesweit ein Gesetzt in Kraft, durch das neue Deutsch-Einstiegskurse für Flüchtlinge bezuschusst wurden. Damit sollte laut Werner Möritz von der Arbeitsagentur Donauwörth, die auch für Neu-Ulm zuständig ist, akut „schnelle unbürokratische Unterstützung“geschaffen werden. Doch auch Möritz gibt zu: „Es kann sein, dass es nicht optimal gelaufen ist.“Und: „Wir wollen nicht, dass Helferkreise vergrault werden“, sagt er und spricht eher davon, dass das Programm zudem als Entlastung der Helferkreise gedacht war: Doch diese sind darüber eher gefrustet.
Zu spüren war das beispielsweise kürzlich, als sich die Gruppen des Nersinger Helferkreises dem Gemeinderat vorstellten: „Mit 40 Teilnehmern haben wir im August begonnen“, führte ein ehrenamtlicher Helfer aus, „und im November waren dann alle weg, weil die Arbeitsagentur andere Kurse bezuschusst hat“. Doch nicht die Tatsache, dass die „Konkurrenz“auf dem DeutschLehr-Markt größer geworden ist, stört die Helfer. „Es geht manchen privaten Deutschlehrern nur um die eigene Bereicherung“, sagt Alexander Ertle. Er und seine Kollegin Silvia Steinbach-Kokorsch sind bei der Gemeinde Nersingen Ansprechpartner für den Helferkreis. „Manche sind mit ganz aggressiven Methoden in der Asylunterkunft auf Flüchtlinge zugegangen und haben sie in ihre Kurse geholt“, sagt Steinbach-Kokorsch.
Wurden junge Männer erpresst?
Wie ihr Kollege Ertle erzählt, seien die jungen Männer nahezu erpresst worden: „Man hat sie unter Druck gesetzt und gesagt: ,Wenn Du den Kurs nicht machst, wirst Du abgeschoben, dann ruf ich die Polizei’. So wurde ein gutes Dutzend quasi abgeworben.“Ertle habe auch schon von anderen Helferkreisen in der Umgebung gehört, denen es ähnlich geht.
Im Raum steht dabei eine Summe von monatlich 10 000 Euro, die sich angeblich mit solchen Kursen verdienen lasse. Möritz von der Arbeits- agentur ist erstaunt darüber – 10 000 Euro? „Nein. Es gelten die ortsüblichen Kostensätze“, sagt der Experte der Arbeitsagentur und verweist auf die offizielle Mitteilung der Bundesagentur für Arbeit. Was „ortsübliche Kostensätze“im Falle Nersingens bedeuten, kann Möritz nicht sagen, jedoch gebe es einen Durchschnittswert, der bei 4,50 Euro pro Teilnehmer pro 45-minütiger Unterrichtsstunde liege. Bei maximal 25 „Schülern“und einmal zwei Unterrichtsstunden pro Woche würde das theoretisch 225 Euro in der Woche und 900 Euro im Monat bedeuten.
Von Leuten, die mehrere Kurse mehrmals pro Woche anbieten, um möglichst viel Geld zu verdienen, wisse Möritz bislang zwar nichts, dennoch will er der Sache nachgehen, verspricht er. Im Landkreis Neu-Ulm gebe es neun verschiedene Träger, die 260 Teilnehmern deutsch lehren. „Das Gros sind renommierte Träger“, sagt Möritz, jedoch sei nicht auszuschließen dass auch „schwarze Schafe“mit dabei sind – denn: Nicht jeder, der diese bezuschussten Kurse anbietet, habe sich bei der Arbeitsagentur in Neu-Ulm anmelden müssen, bundesweit sei das möglich gewesen – um die von Möritz angesprochene schnelle unbürokratische Hilfe zu gewährleisten.
Ebenso unbürokratisch sei die Bezahlung: Wer eine Unterschriftenliste plus Identifikationsnummer der teilnehmenden Asylbewerber einreichte, bekam das Geld. Möritz spricht bewusst in der Vergangenheit, da es seit Ende Dezember nicht mehr möglich ist, einen Kurs anzumelden, das Programm sei zu Ende.
Unklare Anforderungen an Qualifikationen
Ertle von der Gemeinde Nersingen hält das für einen Schnellschuss der Behörde, dass jeder Geld verdienen kann, ohne die entsprechenden Qualifikationen zu haben. „Deutsch-Kurse zu fördern, ist top, aber dass Hinz und Kunz welche anbieten, die selbst vielleicht gar nicht gut deutsch sprechen, das geht gar nicht.“
Was die Qualifikation angeht, verweist Möritz erneut auf die offizielle Mitteilung des Bundesagentur – darin steht: „Der Träger erklärt mit seiner Unterschrift auf der Abrechnungsliste, dass die Entlohnung der in der Maßnahme eingesetzten Lehrkräfte qualifikationsgerecht erfolgte.“Im Kleingedruckten der Mitteilung steht dann unter der Frage „Welche konkrete Qualifikation müssen Lehrkräfte mitbringen?“: „Hierzu werden keine Vorgaben gemacht.“Asyl-Helfer Ertle findet deutliche Worte dafür: „Leute, die das beschlossen haben, gehören in den Knast.“
Der Nersinger engagiert sich seit einem Dreivierteljahr in Sachen Asyl – mittlerweile herrscht Ernüchterung bei ihm: „Ich habe mit Tatendrang begonnen, doch jetzt herrscht oft Frust.“Einerseits wegen solcher „Schnellschüsse“des Staates, wie er sagt, andererseits aber auch wegen der Asylbewerber, die auch bei all dem Angebot an Deutsch-Kursen, nicht immer bereit seien, die Sprache zu lernen.
„Es geht manchen
privaten Deutschlehrern nur um
die eigene Bereicherung“,