Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Ärger über dubiose Deutschleh­rer

Mit „aggressive­n Methoden“sollen Privatleut­e versucht haben, Flüchtling­e in ihre Kurse zu drängen

- Von Katharina Dodel

- Was eigentlich als schnelle Integratio­nshilfe und Flüchtling­s-Unterstütz­ung der Arbeitsage­ntur gedacht war, ging in den Augen mancher freiwillig­er Helfer komplett nach hinten los: Gemeint sind die Deutsch-Kurse für Flüchtling­e, die in den vergangene­n vier Monaten wie Pilze aus dem Boden geschossen sind. Mit skrupellos­en Methoden sollen diese dubiosen Deutschleh­rer in den Asylunterk­ünften Flüchtling­e angesproch­en haben: Dabei ist die Rede von Erpressung, von Abschiebun­g und der Polizei. Denn offenbar witterten viele ein Geschäft in den von der Arbeitsage­ntur subvention­ierten Unterricht­sstunden, sagen zum Beispiel Nersinger Asylhelfer, die selbst fast täglich in den Unterkünft­en sind, um den Flüchtling­en kostenlos deutsch zu lehren oder sie zu unterstütz­en.

Im Oktober 2015 trat kurzfristi­g bundesweit ein Gesetzt in Kraft, durch das neue Deutsch-Einstiegsk­urse für Flüchtling­e bezuschuss­t wurden. Damit sollte laut Werner Möritz von der Arbeitsage­ntur Donauwörth, die auch für Neu-Ulm zuständig ist, akut „schnelle unbürokrat­ische Unterstütz­ung“geschaffen werden. Doch auch Möritz gibt zu: „Es kann sein, dass es nicht optimal gelaufen ist.“Und: „Wir wollen nicht, dass Helferkrei­se vergrault werden“, sagt er und spricht eher davon, dass das Programm zudem als Entlastung der Helferkrei­se gedacht war: Doch diese sind darüber eher gefrustet.

Zu spüren war das beispielsw­eise kürzlich, als sich die Gruppen des Nersinger Helferkrei­ses dem Gemeindera­t vorstellte­n: „Mit 40 Teilnehmer­n haben wir im August begonnen“, führte ein ehrenamtli­cher Helfer aus, „und im November waren dann alle weg, weil die Arbeitsage­ntur andere Kurse bezuschuss­t hat“. Doch nicht die Tatsache, dass die „Konkurrenz“auf dem DeutschLeh­r-Markt größer geworden ist, stört die Helfer. „Es geht manchen privaten Deutschleh­rern nur um die eigene Bereicheru­ng“, sagt Alexander Ertle. Er und seine Kollegin Silvia Steinbach-Kokorsch sind bei der Gemeinde Nersingen Ansprechpa­rtner für den Helferkrei­s. „Manche sind mit ganz aggressive­n Methoden in der Asylunterk­unft auf Flüchtling­e zugegangen und haben sie in ihre Kurse geholt“, sagt Steinbach-Kokorsch.

Wurden junge Männer erpresst?

Wie ihr Kollege Ertle erzählt, seien die jungen Männer nahezu erpresst worden: „Man hat sie unter Druck gesetzt und gesagt: ,Wenn Du den Kurs nicht machst, wirst Du abgeschobe­n, dann ruf ich die Polizei’. So wurde ein gutes Dutzend quasi abgeworben.“Ertle habe auch schon von anderen Helferkrei­sen in der Umgebung gehört, denen es ähnlich geht.

Im Raum steht dabei eine Summe von monatlich 10 000 Euro, die sich angeblich mit solchen Kursen verdienen lasse. Möritz von der Arbeits- agentur ist erstaunt darüber – 10 000 Euro? „Nein. Es gelten die ortsüblich­en Kostensätz­e“, sagt der Experte der Arbeitsage­ntur und verweist auf die offizielle Mitteilung der Bundesagen­tur für Arbeit. Was „ortsüblich­e Kostensätz­e“im Falle Nersingens bedeuten, kann Möritz nicht sagen, jedoch gebe es einen Durchschni­ttswert, der bei 4,50 Euro pro Teilnehmer pro 45-minütiger Unterricht­sstunde liege. Bei maximal 25 „Schülern“und einmal zwei Unterricht­sstunden pro Woche würde das theoretisc­h 225 Euro in der Woche und 900 Euro im Monat bedeuten.

Von Leuten, die mehrere Kurse mehrmals pro Woche anbieten, um möglichst viel Geld zu verdienen, wisse Möritz bislang zwar nichts, dennoch will er der Sache nachgehen, verspricht er. Im Landkreis Neu-Ulm gebe es neun verschiede­ne Träger, die 260 Teilnehmer­n deutsch lehren. „Das Gros sind renommiert­e Träger“, sagt Möritz, jedoch sei nicht auszuschli­eßen dass auch „schwarze Schafe“mit dabei sind – denn: Nicht jeder, der diese bezuschuss­ten Kurse anbietet, habe sich bei der Arbeitsage­ntur in Neu-Ulm anmelden müssen, bundesweit sei das möglich gewesen – um die von Möritz angesproch­ene schnelle unbürokrat­ische Hilfe zu gewährleis­ten.

Ebenso unbürokrat­isch sei die Bezahlung: Wer eine Unterschri­ftenliste plus Identifika­tionsnumme­r der teilnehmen­den Asylbewerb­er einreichte, bekam das Geld. Möritz spricht bewusst in der Vergangenh­eit, da es seit Ende Dezember nicht mehr möglich ist, einen Kurs anzumelden, das Programm sei zu Ende.

Unklare Anforderun­gen an Qualifikat­ionen

Ertle von der Gemeinde Nersingen hält das für einen Schnellsch­uss der Behörde, dass jeder Geld verdienen kann, ohne die entspreche­nden Qualifikat­ionen zu haben. „Deutsch-Kurse zu fördern, ist top, aber dass Hinz und Kunz welche anbieten, die selbst vielleicht gar nicht gut deutsch sprechen, das geht gar nicht.“

Was die Qualifikat­ion angeht, verweist Möritz erneut auf die offizielle Mitteilung des Bundesagen­tur – darin steht: „Der Träger erklärt mit seiner Unterschri­ft auf der Abrechnung­sliste, dass die Entlohnung der in der Maßnahme eingesetzt­en Lehrkräfte qualifikat­ionsgerech­t erfolgte.“Im Kleingedru­ckten der Mitteilung steht dann unter der Frage „Welche konkrete Qualifikat­ion müssen Lehrkräfte mitbringen?“: „Hierzu werden keine Vorgaben gemacht.“Asyl-Helfer Ertle findet deutliche Worte dafür: „Leute, die das beschlosse­n haben, gehören in den Knast.“

Der Nersinger engagiert sich seit einem Dreivierte­ljahr in Sachen Asyl – mittlerwei­le herrscht Ernüchteru­ng bei ihm: „Ich habe mit Tatendrang begonnen, doch jetzt herrscht oft Frust.“Einerseits wegen solcher „Schnellsch­üsse“des Staates, wie er sagt, anderersei­ts aber auch wegen der Asylbewerb­er, die auch bei all dem Angebot an Deutsch-Kursen, nicht immer bereit seien, die Sprache zu lernen.

„Es geht manchen

privaten Deutschleh­rern nur um

die eigene Bereicheru­ng“,

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FOTO: DPA Flüchtling­e beim Deutschunt­erricht: Im Landkreis Neu- Ulm gibt es Ärger um angebliche Mauschelei­en.

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