Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Möglicher Anschlag in Berlin verhindert
Terrorzelle hatte angeblich Touristenmagnet Checkpoint Charlie im Visier
- Festnahme im sauerländischen Attendorn: Am frühen Donnerstagmorgen greifen die Ermittler zu. Schauplatz ist die Sporthalle des 25 000-Einwohner-Städtchens, in der Flüchtlinge untergebracht sind. Ein 35-jähriger Algerier wird festgenommen, der hier mit seiner Familie untergebracht war. Gegen den Mann besteht Terrorverdacht. Er wird in seinem Heimatland wegen Mitgliedschaft in der Terrormiliz IS gesucht und soll womöglich einen Anschlag in Deutschland geplant haben.
Auch in anderen Städten geht die Polizei gegen mutmaßliche Islamisten vor. In Niedersachsen und Berlin werden Verdächtige festgenommen. Es ist eine groß angelegte Aktion. Bereits seit Dezember laufen die Ermittlungen gegen die mutmaßlich vierköpfige Terrorzelle, die einen Anschlag in Berlin vorbereitet haben soll, auf Hochtouren. Es bestehe der Verdacht einer schweren staatsgefährdenden Straftat, heißt es.
Von der Bundesregierung gibt es zunächst keinen Kommentar. Wie weit waren die Anschlagsvorbereitungen? Welches Ziel in der Hauptstadt hatten die Terroristen im Visier? Schnell werden Alexanderplatz und der Checkpoint Charlie genannt. Beide Orte sind Anziehungspunkte für Touristen aus aller Welt. Hintergrund: Die Polizei hatte einen Backshop sowie einen Imbiss in der Nähe durchsucht, wo zwei der Verdächtigen zuletzt gejobbt hatten – womöglich, um den Tatort auszuspähen und Informationen zu sammeln.
Spekulationen, die von den Behörden erst einmal nicht bestätigt werden. „Es geht um mögliche Anschlagsplanungen für Deutschland – konkret für Berlin“, bestätigt der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, Martin Steltner. In Sicherheitskreisen heißt es später, die Anschlagsplanungen hätten sich in einem frühen Stadium befunden.
Erst die Anschläge von Paris, im November dann die Absage des Fußball-Länderspiels in Hannover, in der Silvesternacht der Terroralarm in München und jetzt die Großrazzia – der Zugriff zeigt, dass sich die Hinweise auf Aktivitäten im islamistischen Milieu häufen. Der im Sauer- land festgenommene Algerier, der in der Flüchtlingsunterkunft mit seiner Frau und seinen beiden kleinen Kindern untergebracht war, soll im vergangenen Jahr über die Balkanroute nach Deutschland gekommen und hier auch registriert worden sein. Ein Betreuer berichtet, der Mann habe sich unauffällig verhalten.
Einer der Verdächtigen in Hannover, der allerdings nicht festgenommen wurde, soll Kontakt zu Islamisten in Belgien gehabt haben. Der 26-Jährige sei vor wenigen Wochen mindestens einmal in die Brüsseler Gemeinde Molenbeek gereist, hieß es in Sicherheitskreisen. Dort hatte auch der getötete mutmaßliche Drahtzieher der islamistischen Anschläge in Paris vom 13. November, Abdelhamid Abaaoud gelebt.
Verschlüsselte Kommunikation
Die mutmaßlichen Mitglieder der Terrorzelle hatten verschlüsselt kommuniziert und unter Geheimhaltung operiert, wie die dpa aus Sicherheitskreisen erfuhr. Ein Bezug ins Bürgerkriegsland Syrien habe sich bei wochenlangen Ermittlungen ergeben. Um den Jahreswechsel herum hätten sich die Erkenntnisse gegen die Männer verdichtet. Das Berliner Landeskriminalamt leitete die zeitgleichen Durchsuchungen. Rund 450 Beamte stellten Computer, Mobiltelefone und Aufzeichnungen sicher. Die Beweismittel sollten ausgewertet, die Festgenommenen einem Haftrichter vorgeführt werden.
Für Experten sind die Zugriffe in Berlin, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen ein Beleg dafür, dass radikale Islamisten die Flüchtlingskrise und die lückenhafte Registrierung in Deutschland gezielt ausnutzen, um Kämpfer einzuschleusen. Eine Kommandoaktion wie in Paris könne auch in Deutschland nicht ausgeschlossen werden. Es gehe dem IS vor allem um sogenannte „weiche Ziele“: große Menschenmengen wie belebte Plätze, Bahnhöfe, womöglich aber auch Karnevalszüge.
Wie sicher ist das närrische Treiben? Es gebe keine konkreten Hinweise auf Anschläge, heißt es aus dem NRW-Innenministerium. Sicherheitskreise versichern, die Razzien hätten sich allein auf einen möglichen Anschlag in Berlin bezogen.