Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Grundschulleiter verzweifelt gesucht
Zu viele Aufgaben für zu wenig Zeit und Geld – Kultusministerium steuert gegen
- Knapp 2000 Grundschulen gibt es im Land, etwa jede zehnte sucht einen neuen Schulleiter. Gerade bei dieser Schulart ist die Suche schwierig, nicht selten im ersten Durchlauf erfolglos. Experten erklären das damit, dass der Mehraufwand nicht im Verhältnis steht zur kaum besseren Vergütung. Das Kultusministerium hat das Problem erkannt und steuert nach – durch Seminare für interessierte Bewerber und mehr Freiraum für die Leitungsaufgaben. Die Vergütung bleibt aber wenig verlockend.
An der Grundschule in Denkingen, einem Ortsteil von Pfullendorf im Landkreis Sigmaringen, verabschiedet sich die Schulleiterin Ilona Heigle zum Ende des Schuljahres in den Ruhestand. Eine Nachfolge ist nicht in Sicht, obwohl die Stelle seit September ausgeschrieben ist. Die kleine Schule, an der rund 40 Mädchen und Jungen in jahrgangsübergreifenden Klassen unterrichtet werden, ist keine Ausnahme. Grundschulen in ähnlicher Größenordnung gibt es im ländlichen Raum häufig – und fast genauso häufig das Problem, frei werdende Schulleiterposten zu besetzen.
Kleine Schule, hoher Aufwand
Stefan Meißner vom Regierungspräsidium (RP) Tübingen bestätigt das. „Grundsätzlich ist die Zahl der Bewerbungen in Schulleiterbesetzungsverfahren leicht rückläufig.“Von den derzeit 37 Ausschreibungen für Schulleitungen an Grund- sowie Grund- und Werkrealschulen konnten sechs im ersten Verfahren nicht besetzt werden.
Fritz Erb, der lange Jahre Vorsitzender der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) im Bereich Ravensburg/Bodenseekreis war, betont: „Der Aufwand für einen Rektor in einer kleinen Grundschule ist extrem. Er muss genauso viele Bereiche abdecken wie der einer großen Schule, in der es mehr Unterstützung gibt.“Ähnlich drückt sich Michael Gomolzig vom Verband Bildung und Erziehung (VBE) aus: „Die Aufgaben haben zugenommen“, sagt er und nennt Inklusion als Beispiel.
Zudem soll jeder Rektor Schulund Personalentwicklung betreiben. „Das braucht einfach Zeit. Auch die pädagogische Arbeit ist nicht einfacher geworden“– unter anderem durch reizüberflutete Kinder, durch Flüchtlinge und durch Kinder aus zerrütteten Elternhäuser. Dazu kom- me der Elternkontakt, Arbeitstreffen mit dem Bürgermeister und kommunalen Gruppen, Arbeit im Förderverein.
Das Kultusministerium steuert gegen das Schulleiterschwinden an. So hat die Landesregierung jüngst kleine Schulen gestärkt. Leiter von Schulen mit weniger als acht Klassen haben ab kommendem Schuljahr zehn Wochenstunden für ihre Leitungsaufgaben zur Verfügung. Bisher waren es acht. Die dafür neu geschaffenen 88 Vollzeitdeputate kosten dieses Jahr 1,6 Millionen Euro, ab 2017 dann jährlich fünf Millionen Euro im Landeshaushalt. Laut Kultusministerium werden die Leiter von 1250 Schulen – darunter mehr als 1000 Grundschulen – davon profitieren.
Programme für Führungskräfte
„Lange Zeit ist in den Grundschulen nichts passiert“, kommentiert das GEW-Landesgeschäftsführer Matthias Schneider. Nun ist er voll des Lobes für Kultusminister Andreas Stoch (SPD). Die erhöhte Leitungszeit werde die Probleme nicht vollständig lösen können. „Aber es ist ein wichtiges Signal für die Lehrerinnen und Lehrer.“
Meißner vom RP Tübingen sagt, dass sich die Schulverwaltung als Arbeitgeber mehr Lehrer wünschte, die sich für die Führungsaufgabe interessierten. Das Kultusministerium hat deshalb im Sommer das Programm „Fit für Führung“aufgelegt. Durch verschiedene Angebote sollen Lehrer gezielt für eine Führungsaufgabe begeistert und vorbereitet werden.
180 Euro Zuschlag
Die Resonanz scheint dem Bedarf an diesem Programm Recht zu geben. Zu einer Info-Veranstaltung vergangenen November in Weingarten kamen etwa 150 Lehrer, an Orientierungstagungen haben im RP Tübingen bereits 140 Lehrer teilgenommen und 150 Anmeldungen gab es für Vertiefungsseminare wie „Schwierige Gesprächssituationen“oder „Führungsverständnis / Teamarbeit / Rollenwechsel“. Ähnliches berichten die drei anderen Regierungspräsidien.
Doch bei aller Arbeit, die an den Leitern kleiner Schulen hängen bleibe, müsse auch die Bezahlung stimmen, betont Gomolzig. Ein Rektor solch einer Schule werde nach Tarif A12 bezahlt und bekommt lediglich einen Zuschlag von rund 180 Euro brutto – insgesamt etwa 2000 Euro weniger als der Leiter eines Gymnasiums.