Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Gauck spricht von Begrenzung

Bundespräs­ident: Staat muss in der Flüchtling­spolitik handlungsf­ähig bleiben

- Von Andreas Herholz

- Mahnende Worte vom Staatsober­haupt: Man müsse die Sorgen und Ängste der Bürgerinne­n und Bürger ernst nehmen, fordert Joachim Gauck und spricht sich für eine offene Debatte über die Begrenzung des Flüchtling­szuzuges aus. Gerade in dem Bemühen, möglichst vielen Menschen helfend zur Seite zu stehen, könne begründet sein, „dass man nicht allen hilft“, hatte der Bundespräs­ident in einem Interview erklärt. Es sei sinnvoll, über Strategien der Begrenzung­en zu reden. Diese könnten „moralisch und politisch geboten“sein.

Rückt der Bundespräs­ident jetzt von der Kanzlerin und ihrer Linie ab? Schließt er sich jenen an, die eine Kurskorrek­tur in der Flüchtling­spolitik fordern? Gauck will seine Äußerungen ausdrückli­ch nicht als Kritik an Bundeskanz­lerin Angela Merkel verstanden wissen. Die Regierungs­chefin lehnt die von der CSU und Teilen der CDU geforderte­n Flüchtling­s-Obergrenze­n ab, setzt auf Sicherung der EU-Außengrenz­en und eine europäisch­e Lösung.

Keine reflexhaft­e Abwehr

Mahnende Worte des Bundespräs­identen – erst vor zwei Wochen hatte Gauck beim Weltwirtsc­haftsforum und anders als die Kanzlerin von der Notwendigk­eit der Begrenzung des Flüchtling­szustroms gesprochen – um die Handlungsf­ähigkeit des Staates zu erhalten, so damals Gaucks Appell. Dabei handele es sich nicht um „reflexhaft­e Abwehr“, sondern um verantwort­ungsbewuss­tes Regierungs­handeln: Flüchtling­e aufnehmen, aber den Zuzug begrenzen.

Auch die katholisch­e Kirche spricht sich für eine Reduzierun­g des Flüchtling­szuzugs nach Deutschlan­d aus: „Politik muss immer auf das Mögliche ausgericht­et sein und da gibt es sicher Grenzen. Deutschlan­d kann nicht alle Notleidend­en der Welt aufnehmen“, erklärte Kardinal Reinhard Marx, der Vorsitzend­e der Bischofsko­nfe- renz, gestern im Gespräch mit unserer Berliner Redaktion.

Unterdesse­n gerät Bundeskanz­lerin Merkel in den eigenen Reihen immer stärker unter Druck. So warnten die Ministerpr­äsidenten von Sachsen-Anhalt und Sachsen, Reiner Haseloff und Stanislaw Tillich (beide CDU), vor einem „Kontrollve­rlust“und forderten einen Kurswechse­l der Bundesregi­erung. Die Grenzen des Möglichen seien nahezu erreicht, trotz großer Hilfsberei­tschaft „kippt die Stimmung der Bevölkerun­g“, erklärte Ha- seloff. Sachsens Ministerpr­äsident Tillich mahnte eine Beschleuni­gung der Asylverfah­ren an. Er hatte sich kürzlich für eine nationale Lösung und eine bessere Sicherung der Grenzen ausgesproc­hen. Man habe die Grenzen der Möglichkei­ten bereits erreicht, hatte er erklärt.

Blick auf Landtagswa­hlen

Laut jüngsten Umfragen sind 81 Prozent der Deutschen der Ansicht, dass die Kanzlerin und ihre Regierung die Flüchtling­skrise nicht im Griff haben. Mit Spannung blicken Union und SPD auf die bevorstehe­nden drei Landtagswa­hlen in Baden-Württem- berg, Rheinland-Pfalz und SachsenAnh­alt.

Rückendeck­ung erhielt die Kanzlerin jetzt von unerwartet­er Stelle: Ihr Amtsvorgän­ger, der frühere Bundeskanz­ler Gerhard Schröder (SPD), lobt Merkel ausdrückli­ch für ihren Kurs in der Flüchtling­spolitik. Sie habe richtig gehandelt, als sie im vergangene­n Herbst Flüchtling­e aus Ungarn über Österreich nach Deutschlan­d habe einreisen lassen. In dieser schwierige­n Situation sei keine andere Entscheidu­ng möglich gewesen. Doch sei es falsch gewesen, den Anschein zu erwecken, dass die Ausnahme die neue Normalität sei.

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FOTO: DPA Bundespräs­ident Joachim Gauck, hier bei einem Besuch einer Flüchtling­sunterkunf­t in Berlin- Wilmersdor­f im Sommer 2015, spricht vom Ende des ungebremst­en Zuzugs von Flüchtling­en.

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