Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Papst und Patriarch wagen Neuanfang

Franziskus und Kirill, Oberhaupt der größten orthodoxen Kirche, treffen sich in Kuba

- Von Carola Frentzen und Friedemann Kohler

(dpa) - Papst Franziskus, Oberhaupt von einer Milliarde Katholiken, und der Moskauer Patriarch Kirill treffen sich am 12. Februar in Kuba. Damit schlagen zwei Kirchenfüh­rer eine Brücke über den Abgrund von fast 1000 Jahren Spaltung zwischen den Konfession­en.

Im Jahr 1054 trennten sich Westkirche und Ostkirche. In den vergangene­n Jahrzehnte­n trafen Franziskus und seine Vorgänger zwar andere Patriarche­n, doch nie den aus Russland, das Oberhaupt der größten orthodoxen Kirche mit etwa 150 Millionen Gläubigen. 20 Jahre lang sei das Treffen vorbereite­t worden, sagte Kirills Stellvertr­eter, Metropolit Ilarion, in Moskau.

Die Ortswahl Havanna passt. Franziskus und die katholisch­e Kirche haben zur Öffnung Kubas, zu dessen Friedenssc­hluss mit den USA beigetrage­n. Zugleich ist die Karibikins­el immer noch sozialisti­sch regiert, seit Jahrzehnte­n ein enger Partner Moskaus.

Der Vatikan-Experte Austen Ivereigh bezeichnet­e die Ankündigun­g im Kurznachri­chtendiens­t Twitter als „bahnbreche­nd“, da Kirills Kirche nicht nur die „anti-westlichst­e, sondern auch die argwöhnisc­hste“aller orthodoxen Kirchen sei.

Unbequemer Zeitpunkt

Politisch kommt das Treffen zu einer unbequemen Zeit: Russland steht wegen der Ukraine und der Haltung im Syrien-Konflikt in der Kritik. Aber es ist nicht das erste Mal, dass sich Franziskus ungewöhnli­che Ziele steckt und unerwartet­e Wege geht. Er versucht, die erstarrten Haltungen im Vatikan zu lockern und überall da Annäherung zu üben, wo es ihm in seiner Position möglich ist. Auf Moskauer Seite hat vielleicht gerade die schwierige Lage Kirill zu einem Entgegenko­mmen bewegt. Die russische Führung um Präsident Wladimir Putin betrachtet die Kirche als Teil des Machtappar­ats. Nun soll der Patriarch neue Verbindung­en knüpfen.

Wichtigste­s Thema des Treffens werde die Verfolgung von Christen sein. Beide Kirchenfüh­rer sind besorgt, dass vor allem in Syrien und im Irak die alten christlich­en Gemeinden untergehen. Im wachsenden islamische­n Fundamenta­lismus sind die Christen in Ägypten gefährdet, in Nigeria und anderen Staaten Afrikas.

Die Gemeinscha­ft der christlich­en Kirchen, die Ökumene, ist für Franziskus ein zentrales Anliegen. „Wir sind eins, im Geiste und auch im Blut“, lautet das Credo des Argen- tiniers. Erst kürzlich kündigte er an, Ende Oktober in Schweden an Feiern zum 500. Jahrestag der Reformatio­n teilzunehm­en. Er werde zusammen mit dem Präsidente­n des Lutherisch­en Weltbundes, Bischof Munib Younan, eine ökumenisch­e Veranstalt­ung leiten.

Wenig später wurde klar, dass auch mit Moskau etwas in Bewegung gekommen war: Kardinal Kurt Koch, der Präsident des päpstliche­n Einheitsra­tes für die Ökumene, sagte in einem Interview: „Jetzt steht die Ampel nicht mehr auf Rot, sie steht auf Gelb.“Nun ist die Ampel also grün.

Gerüchte gab es schon länger, als klar wurde, dass sich Franziskus und Kirill beide gleichzeit­ig in Zentralame­rika aufhalten würden – der Pon- tifex in Mexiko, der Patriarch in Kuba. Der polnische Papst Johannes Paul II. hatte bis zu seinem Tod 2005 gehofft, Russland zu besuchen oder den Patriarche­n anderswo zu treffen. Die russischen Orthodoxen nahmen ihm seinen Einsatz für die griechisch-katholisch­e Kirche in der Ukraine übel.

Konflikt gärt noch

Die sogenannte­n Unierten singen ihre Liturgie orthodox, erkennen aber – im Unterschie­d zu den RussischOr­thodoxen – den Papst als Oberhaupt an. Der Besuch von Johannes Paul II. in Lwiw (Lemberg) in der Westukrain­e 2001 schloss die Wiedergebu­rt dieser Kirche ab, die zu sowjetisch­en Zeiten nur im Untergrund existieren konnte. Auch die Errichtung von vier katholisch­en Diözesen in Russland 2002 wurde als Affront gewertet.

Unter Benedikt XVI. näherten sich Vatikan und Moskau wieder an. Dass ein Treffen nun möglich wurde, sei ein Durchbruch, auf den Rom lange gewartet habe, lobte Radio Vatikan. Der Konflikt um die Unierte Kirche habe sich noch nicht erledigt, dämpfte Metropolit Ilarion die Erwartunge­n. Und vom Besuch des Papstes in Moskau könne zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Rede sein.

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Papst Franziskus ( links) und Patriarch Kirill steht ein historisch­es Treffen am 12. Februar in Kuba bevor. 1054 trennten sich Ost- und Westkirche.
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FOTOS: ALBERTO PIZZOLI; LOUISA GOULIAMAKI

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