Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Machtkampf im Kabelschacht
Nutzung bestehender Leitungen soll Ausbau des schnellen Internets beschleunigen
- Die unscheinbaren grauen Kästen am Straßenrand fallen den meisten Menschen kaum mehr auf. Allenfalls darauf geklebte Plakate finden manchmal Beachtung. Und doch tobt rund um diese Verteilerkästen der Telekom gerade ein heftiger Streit. Denn von hier aus werden die privaten Haushalte an das große Kommunikationsnetz angeschlossen. Wer im Geschäft mit DSL-Anschlüssen oder der Festnetztelefonie mitmischen will, muss in der Regel einen Zugang zu einer dieser Schaltstellen haben. 330 000 davon gibt es im gesamten Bundesgebiet, vor allem in den Städten und Gemeinden. Wer den Zugang dazu kontrolliert, hat im Wettbewerb die besten Karten. Und darum kämpfen die Branchenunternehmen gerade heftig.
Deutschland im Rückstand
Hintergrund des Streites ist die Breitband-Offensive der Bundesregierung. Bis Ende 2018 sollen möglichst alle Haushalte in Deutschland einen Zugang zum schnellen Internet erhalten. Schnell heißt, dass wenigstens 50 Megabit Daten pro Sekunde durch das Kabel geschickt werden können. Denn noch liegt Deutschland bei der Digitalisierung im internationalen Vergleich zurück. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes verfügt nicht einmal jedes dritte Unternehmen über einen Breitbandanschluss. Beim europäischen Spitzenreiter Dänemark sind es 56 Prozent. Bei den privaten Vebrauchern sieht es nur auf den ersten Blick besser aus. Knapp 70 Prozent der Haushalte haben einen schnellen Netzzugang. Doch vor allem in ländlichen Regionen sind Surfer allenfalls im Schneckentempo unterwegs. Das soll sich nun ändern.
Eine wesentliche Frage ist dabei, auf welche Weise die Endkunden an das Übertragungsnetz angeschlossen werden. Bis zu den Verteilern ist es vergleichsweise unkompliziert. Immer mehr Kommunen schreiben den finanziell geförderten Bau von Glasfasernetzen aus. Heikel wird es ab den Verteilerkästen. Die Bundesnetzagentur setzt ebenso wie Digitalisierungsminister Alexander Dobrindt (CSU) im sogenannten Nahbereich auf eine alte Technologie, das Kupferkabel. Der Nahbereich umfasst ein Gebiet von etwa 500 Metern rund um die grauen Verteilerkästen. Auf diesen letzten Metern zu den Endkunden will die Telekom nun mittels einem Vectoring genannten Verfahren zusätzliche Breitband-An- schlüsse ermöglichen. Die Kupferkabel werden mit einem Kunststoffmantel abgeschirmt, um elektromagnetische Störungen zwischen den Leitungen auszugleichen. Sie sind dann jedoch so dick, dass keine weiteren Verbindungen in die zu den Häusern führenden Rohre passen.
„Nur so können Millionen Haushalte mit vertretbaren Mitteln superschnelle Internetanschlüsse bekommen“, behauptet die Telekom. Diese Investition will das Unternehmen leisten, wenn es dafür ein Exklusivrecht zugesprochen bekommt. Alle Wettbewerber müssten die Kabel der Telekom mieten, wenn sie in den Nahbereichen Kunden versorgen wollen. Die Bundesnetzagentur will dem Antrag stattgeben und der Telekom damit ein Teilmonopol sichern. Der Entwurf der Behörde wird nun von allen Beteiligten diskutiert. Im Frühjahr rechnet die Netzagentur mit der endgültigen Fassung. Wirtschaftsverbände, Kommunen und die Konkurrenten der Telekom laufen Sturm gegen das Vorhaben.
Die Gegenspieler der Telekom fordern einen generellen Ausbau des Breitbandnetzes mit den viel schnelleren Glasfaserkabeln bis in die Wohnungen. „Die Ertüchtigung vorhandener Kupferkabel kann schon in wenigen Jahren die allgemeine Nachfrage nach schnellem Internet nicht mehr befriedigen“, warnen Wirtschafts- und Kommunalverbände in einer gemeinsamen Erklärung. Eine Entscheidung zugunsten der Telekom werde vor allem ländliche Räume negativ betreffen, weil der Bau eines flächendeckenden Glasfasernetzes beinträchtigt würde.
Erbost sind auch die Wettbewerber, die im Verband für Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) zusammengeschlossen sind. „Der Nahbereich ist am leichtesten mit Glasfaser zu erschließen“, sagt VATM-Chef Jürgen Grützner. Die Telekom habe daran kein Interesse, weil sie mit der Vermietung bereits bezahlter Kupferkabel viel verdiene. Die Telekom sieht dagegen auch Vorteile für die Rivalen, die ihren Kunden damit auch schnelle Verbindungen anbieten könnten.
Minister Alexander Dobrindt will bestehende Kabelschächte für den
Breitbandausbau nutzen
Nun hat die Bundesnetzagentur das vorläufig letzte Wort. Minister Dobrindt zeigt derweil Optimismus, dass 2018 tatsächlich überall schnell gesurft werden kann. Immerhin fördert der Bund den Breitbandausbau mit 2,8 Milliarden Euro. Damit es nicht zu unnützen Erdarbeiten bei der Verlegung der Kabel kommt, hat Dobrindt kürzlich das DigiNetz-Gesetz auf den Weg gebracht. Die Regelung sieht zum Beispiel vor, dass bei der Erschießung von Neubaugebieten oder Straßenbauarbeiten Glasfaserkabel mitverlegt werden müssen. Auch sollen die Betreiber bereits vorhandener Netze, etwa für die Energieversorgung, Kapazitäten für die Kabel freigeben. „Unzählige Straßen im Land müssen nicht mehr doppelt aufgerissen werden.“
„Unzählige Straßen müssen nicht mehr doppelt aufgerissen
werden.“
Tausende Haushalte unversorgt
Ob am Ende tatsächlich die einsamen Gegenden Deutschlands schnelles Internet bekommen, ist fraglich, zumindest im erhofften Zeitraum. Wo sich kein Kabelnetz lohnt, sollen zwar mobile Funkverbindungen den Internetzugang ermöglichen. Doch wer dies bezahlen soll, ist nicht klar. Denn es gibt dafür keine Förderung und wirtschaftlich rechne sich der Aufwand nicht. Und rund 800 000 Haushalte blieben bei den Plänen der Telekom unversorgt.