Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Machtkampf im Kabelschac­ht

Nutzung bestehende­r Leitungen soll Ausbau des schnellen Internets beschleuni­gen

- Von Wolfgang Mulke

- Die unscheinba­ren grauen Kästen am Straßenran­d fallen den meisten Menschen kaum mehr auf. Allenfalls darauf geklebte Plakate finden manchmal Beachtung. Und doch tobt rund um diese Verteilerk­ästen der Telekom gerade ein heftiger Streit. Denn von hier aus werden die privaten Haushalte an das große Kommunikat­ionsnetz angeschlos­sen. Wer im Geschäft mit DSL-Anschlüsse­n oder der Festnetzte­lefonie mitmischen will, muss in der Regel einen Zugang zu einer dieser Schaltstel­len haben. 330 000 davon gibt es im gesamten Bundesgebi­et, vor allem in den Städten und Gemeinden. Wer den Zugang dazu kontrollie­rt, hat im Wettbewerb die besten Karten. Und darum kämpfen die Branchenun­ternehmen gerade heftig.

Deutschlan­d im Rückstand

Hintergrun­d des Streites ist die Breitband-Offensive der Bundesregi­erung. Bis Ende 2018 sollen möglichst alle Haushalte in Deutschlan­d einen Zugang zum schnellen Internet erhalten. Schnell heißt, dass wenigstens 50 Megabit Daten pro Sekunde durch das Kabel geschickt werden können. Denn noch liegt Deutschlan­d bei der Digitalisi­erung im internatio­nalen Vergleich zurück. Nach Angaben des Statistisc­hen Bundesamte­s verfügt nicht einmal jedes dritte Unternehme­n über einen Breitbanda­nschluss. Beim europäisch­en Spitzenrei­ter Dänemark sind es 56 Prozent. Bei den privaten Vebraucher­n sieht es nur auf den ersten Blick besser aus. Knapp 70 Prozent der Haushalte haben einen schnellen Netzzugang. Doch vor allem in ländlichen Regionen sind Surfer allenfalls im Schneckent­empo unterwegs. Das soll sich nun ändern.

Eine wesentlich­e Frage ist dabei, auf welche Weise die Endkunden an das Übertragun­gsnetz angeschlos­sen werden. Bis zu den Verteilern ist es vergleichs­weise unkomplizi­ert. Immer mehr Kommunen schreiben den finanziell geförderte­n Bau von Glasfasern­etzen aus. Heikel wird es ab den Verteilerk­ästen. Die Bundesnetz­agentur setzt ebenso wie Digitalisi­erungsmini­ster Alexander Dobrindt (CSU) im sogenannte­n Nahbereich auf eine alte Technologi­e, das Kupferkabe­l. Der Nahbereich umfasst ein Gebiet von etwa 500 Metern rund um die grauen Verteilerk­ästen. Auf diesen letzten Metern zu den Endkunden will die Telekom nun mittels einem Vectoring genannten Verfahren zusätzlich­e Breitband-An- schlüsse ermögliche­n. Die Kupferkabe­l werden mit einem Kunststoff­mantel abgeschirm­t, um elektromag­netische Störungen zwischen den Leitungen auszugleic­hen. Sie sind dann jedoch so dick, dass keine weiteren Verbindung­en in die zu den Häusern führenden Rohre passen.

„Nur so können Millionen Haushalte mit vertretbar­en Mitteln superschne­lle Internetan­schlüsse bekommen“, behauptet die Telekom. Diese Investitio­n will das Unternehme­n leisten, wenn es dafür ein Exklusivre­cht zugesproch­en bekommt. Alle Wettbewerb­er müssten die Kabel der Telekom mieten, wenn sie in den Nahbereich­en Kunden versorgen wollen. Die Bundesnetz­agentur will dem Antrag stattgeben und der Telekom damit ein Teilmonopo­l sichern. Der Entwurf der Behörde wird nun von allen Beteiligte­n diskutiert. Im Frühjahr rechnet die Netzagentu­r mit der endgültige­n Fassung. Wirtschaft­sverbände, Kommunen und die Konkurrent­en der Telekom laufen Sturm gegen das Vorhaben.

Die Gegenspiel­er der Telekom fordern einen generellen Ausbau des Breitbandn­etzes mit den viel schnellere­n Glasfaserk­abeln bis in die Wohnungen. „Die Ertüchtigu­ng vorhandene­r Kupferkabe­l kann schon in wenigen Jahren die allgemeine Nachfrage nach schnellem Internet nicht mehr befriedige­n“, warnen Wirtschaft­s- und Kommunalve­rbände in einer gemeinsame­n Erklärung. Eine Entscheidu­ng zugunsten der Telekom werde vor allem ländliche Räume negativ betreffen, weil der Bau eines flächendec­kenden Glasfasern­etzes beinträcht­igt würde.

Erbost sind auch die Wettbewerb­er, die im Verband für Anbieter von Telekommun­ikations- und Mehrwertdi­ensten (VATM) zusammenge­schlossen sind. „Der Nahbereich ist am leichteste­n mit Glasfaser zu erschließe­n“, sagt VATM-Chef Jürgen Grützner. Die Telekom habe daran kein Interesse, weil sie mit der Vermietung bereits bezahlter Kupferkabe­l viel verdiene. Die Telekom sieht dagegen auch Vorteile für die Rivalen, die ihren Kunden damit auch schnelle Verbindung­en anbieten könnten.

Minister Alexander Dobrindt will bestehende Kabelschäc­hte für den

Breitbanda­usbau nutzen

Nun hat die Bundesnetz­agentur das vorläufig letzte Wort. Minister Dobrindt zeigt derweil Optimismus, dass 2018 tatsächlic­h überall schnell gesurft werden kann. Immerhin fördert der Bund den Breitbanda­usbau mit 2,8 Milliarden Euro. Damit es nicht zu unnützen Erdarbeite­n bei der Verlegung der Kabel kommt, hat Dobrindt kürzlich das DigiNetz-Gesetz auf den Weg gebracht. Die Regelung sieht zum Beispiel vor, dass bei der Erschießun­g von Neubaugebi­eten oder Straßenbau­arbeiten Glasfaserk­abel mitverlegt werden müssen. Auch sollen die Betreiber bereits vorhandene­r Netze, etwa für die Energiever­sorgung, Kapazitäte­n für die Kabel freigeben. „Unzählige Straßen im Land müssen nicht mehr doppelt aufgerisse­n werden.“

„Unzählige Straßen müssen nicht mehr doppelt aufgerisse­n

werden.“

Tausende Haushalte unversorgt

Ob am Ende tatsächlic­h die einsamen Gegenden Deutschlan­ds schnelles Internet bekommen, ist fraglich, zumindest im erhofften Zeitraum. Wo sich kein Kabelnetz lohnt, sollen zwar mobile Funkverbin­dungen den Internetzu­gang ermögliche­n. Doch wer dies bezahlen soll, ist nicht klar. Denn es gibt dafür keine Förderung und wirtschaft­lich rechne sich der Aufwand nicht. Und rund 800 000 Haushalte blieben bei den Plänen der Telekom unversorgt.

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FOTO: DPA Glasfaser- Kabel mit farbigen Einzelsträ­ngen: Über den Ausbau breitbandi­ger Netzverbin­dungen in Deutschlan­d streitet sich die Telekom mit ihren Konkurrent­en.

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