Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Sieg der Kleinanleger gegen die Sparkasse
Verbraucherschutz lobt Entscheidung – Finanzwissenschaftler kritisiert „faulen Vergleich“
- Als einen klaren Sieg für Sparer werten Verbraucherschützer den Vergleich zwischen der Sparkasse Ulm und 220 Anlegern, der nach langem Rechtsstreit um gut verzinste Scala-Sparverträge geschlossen worden ist. Das Angebot der Sparkasse sei „so gut und so fair gewesen“, dass es alle Mandanten überzeugt habe, sagt Klägeranwalt Christoph Lang. Martin Faust, Professor an der Frankfurt School of Finance & Management, fordert, dass alle Scala-Sparer von dem Kompromiss profitieren.
Dieser Freitag ist der Tag des Triumphs für den Ulmer Anwalt Christoph Lang: „Die Vergleiche sind geschlossen für alle Mandanten von uns – alle, alle, alle“, freut sich Lang. Denn praktisch im Alleingang hat der Jurist die Sparkasse Ulm mithilfe der Gerichte dazu gezwungen, einmal geschlossene Verträge einzuhalten. Landgericht und Oberlandesgericht haben in den von Lang geführten Prozessen den Verbrauchern den Rücken gestärkt. Andere Banken haben die Urteile genau verfolgt. „Das war ein Aufstand der Sparer, der sich ausgezahlt hat“, findet Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.
Mit mehr als 21 000 Sparern schließt die Sparkasse Ulm zwischen 1993 und 2005 Scala-Verträge ab. Kunden können bei Verzinsungen von bis zu 3,5 Prozent pro Jahr ihre monatlichen Sparraten auf bis zu 2500 Euro erhöhen. Dass sich eine bis heute anhaltende Niedrigzinsphase anschließt, ahnt niemand.
Nach 2011, die Zinsen tendieren gegen null, sieht sich das Geldhaus unkalkulierbaren Risiken gegenüber. Mancher Sparer leiht sich sogar bei Verwandten oder am Stammtisch Geld, stockt damit seinen Scala-Vertrag auf und macht glänzende Geschäfte. Diesem Treiben will die Sparkasse einen Riegel vorschieben. Tausende Kunden werden aus den lang laufenden Verträgen herausgelockt – ansonsten drohe die Kündigung. Etwa 14 000 Sparer gehen im Sommer 2013 auf die Alternativangebote ein. Sie erhalten einen Zins von 3,5 Prozent, können aber ihre Sparraten nicht erhöhen.
Doch 220 Sparer verweigern sich dem Angebot, pochen auf ihr Recht und ziehen vor Gericht. Der junge Anwalt Christoph Lang vertritt sie. Sowohl das Landgericht Ulm wie auch das Oberlandesgericht Stuttgart stärken den klagenden Anlegern 2015 den Rücken. Danach leitet die Sparkasse eine Revision vor dem Bundesgerichtshof ein. Parallel hierzu laufen Gespräche über einen Vergleich, die jetzt abgeschlossen sind. Die Vergleiche sehen nach Angaben der Sparkasse Ulm strukturell vor, die Alternativangebote vom Sommer 2013 zu übernehmen. Über den weiteren Inhalt der Vergleichsvereinbarungen vereinbaren die Parteien umfassendes Stillschweigen. Verbraucherschützer Nauhauser vermutet sogar, „dass alle Kläger das bekommen haben, was sie wollten“.
Doch bisher haben nur 220 Anleger sich durchgesetzt. Martin Faust, Professor an der Frankfurt School of Finance & Management, ärgert sich daher über den jetzt veröffentlichen Abschluss, spricht von einem „faulen Vergleich“und fordert: „Ich hätte mir eine Lösung für alle Kunden gewünscht, dies hätte auch die Transparenz erhöht.“Faust, Professor für Bankbetriebslehre, fordert Gleichbehandlung. Von den jetzt getroffenen Vereinbarungen dürften nicht nur die durch Lang vertretenen Anleger profitieren: „21 000 Anleger müssen die gleichen Rechte bekommen, sonst sind diejenigen, die 2013 unterschrieben haben, die Dummen.“Daher könnte für die Sparkasse der Streit weitergehen und sogar größere Dimensionen annehmen: „Mit den anderen Verträgen passiert nichts“, sagt Sparkassen-Sprecher Boris Fazzini, „wir sehen von uns aus keinen Handlungsbedarf.“Die Sparkasse werde aber „natürlich mit Kunden, die mit uns reden wollen, auch reden“. 4000 Fälle seien „unproblematisch“, etwa 3000 Anleger dürften betroffen sein, heißt es.
Und diese 3000 Kunden haben gute Chancen, ebenfalls recht zu bekommen. Zwar seien mit den Vergleichen alle bisherigen Entscheidungen der Gerichte nicht rechtswirksam, sagen Sparkasse und Anwalt. „Ein rechtskräftiges Urteil des Bundesgerichtshofes wäre daher gut gewesen“, sagt auch Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale. Aber er fordert Betroffene auf, sich zu melden und ihre Rechte anzumelden: „Uns liegen die Urteilsbegründungen des Landgerichts Ulm und des Oberlandesgerichts Stuttgart vor und sind abzurufen.“Da die Rechtslage eindeutig sei, werde die Sparkasse allen Anlegern die gleichen Konditionen einräumen müssen. Nauhauser: „Es reicht offenbar Klage anzudrohen, um ähnliche Vergleiche zu erhalten.“