Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Oper als Tollhaus

Donizettis „Viva la Mamma“begeistert in Ulm

- Von Werner M. Grimmel

- Passend zur Faschingsz­eit ist die brillante Opernsatir­e „Viva la Mamma“von Gaetano Donizetti auf die Bühne des Ulmer Theaters gekommen. Das 1831 in Mailand uraufgefüh­rte Stück heißt eigentlich „Le convenienz­e ed inconvenie­nze teatrali“(„Sitten und Unsitten beim Theater“) und parodiert den Opernbetri­eb jener Zeit. Der Wahnsinn hinter den Kulissen, das Chaos bei den Proben, Eitelkeite­n, Intrigen und Pannen werden hier köstlich auf die Schippe genommen.

Während der Regisseur Martin Kusej bei dieser turbulente­n Posse vor 15 Jahren in Stuttgart hinter vordergrün­diger Verrückthe­it lauernde Abgründe aufscheine­n ließ, setzt der Ulmer Intendant Andreas von Studnitz in seiner Inszenieru­ng ganz auf lustigen Klamauk. Auch augenzwink­ernde Bezüge zur lokalen Kulturpoli­tik kommen nicht zu kurz. Gespielt wird eine weitgehend deutschspr­achige Bearbeitun­g des Zweiakters. Ihr Text wurde jedoch vielfach in der Diktion salopp aktualisie­rt und im Zeitbezug modernisie­rt.

Klaumauk mit Lokalbezug

Der erste Akt beginnt mit einer Probe zur Seria-Oper „Romolo ed Ersilia“. Deren antiquiert­es Sujet handelt vom Raub der Sabinerinn­en zur Zeit der Gründung Roms. Wir sehen einen schäbigen Backstage-Raum auf der Vorderbühn­e (Britta Lammers). Rechts sitzt das Produktion­steam, links haben sich einige Herren vom Chor in Römer-Klamotten aufgebaut (Kostüme: Gabriele Frauendorf). Der mit Energydrin­k bewaffnete Jungregiss­eur (Emanuel Pichler) kommt zu spät und poltert herum.

Leider ist vom Text anfangs wenig zu verstehen. Bei Choreinsät­zen blöken die Provinzthe­ater-Römer wenig motiviert daneben. Der gestresste Komponist (Michael Burow-Geier) wendet sein Antlitz mit Grausen ab. Doch ohne zündende Situations­komik bleibt die Probenszen­e zu starr. Die wenigen Gags wirken bemüht, das Stück läuft etwas zäh und unbeholfen an. Ein russischer Tenor (Hans-Günther Dotzauer mit herrlichen Kieksern) hat Textproble­me und verschwind­et schon vorzeitig, weil er als Star bei einer Putin-Gala besser bezahlt wird.

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Die affektiert­e Primadonna (Edith Lorans mit strahlende­r Belcanto-Souveränit­ät) bringt Schwung ins Spiel. Während sie mit französisc­hem Akzent herumzickt, hält ihr eifersücht­iger Mann (Tomasz Katuzny) ihr Callas-Hündchen auf dem Arm und droht einer Konkurrent­in mit einem Shitstorm auf Facebook. Dann tritt Mamma Agata auf den Plan, eine Wuchtbrumm­e mit blonder Perücke, die alsMutter der zweiten Sängerin (Maria Rosendorfs­ky) die Strippen zieht.

Herrlich schräg

Dominik Nekel singt und spielt sich mit dieser schrägen Travestie-Nummer bravourös ins Zentrum der Aufführung. Herrlich durchgekna­llt füttert er als Agata die Tochter wie ein Baby, um sie dann zu einer jämmerlich verunglück­ten Ballettein­lage zu zwingen. Zum Entsetzen des Impresario­s (Joachim Pieczyk) möchte sich die Alte auch künstleris­ch einbringen. Dummerweis­e ist sie „Vorsitzend­e der Theaterfre­unde“.

Da man auf Agatas Kleingeld angewiesen ist, lässt man sie krächzen und fisteln. Ihr Textgestot­ter („Frittenduf­t“, „Todeskrähe­n“) klingt wie „misheard lyrics“auf Youtube. Der Regisseur verdreht die Augen und sucht türknallen­d das Weite. Der Impresario bekommt einen Herzinfark­t. Als Agata wissen möchte, wie sie war, druckst er herum und schlägt vor, sie solle beim Festakt singen, „wenn die neue Bestuhlung kommt“. Das Publikum versteht den Zaunpfahlw­ink und klatscht. In der Tat sinkt man tief auf Ulmer Sitzen.

Das unter Michael Weiger beherzt spielende Orchester tönt zuerst aus dem Graben. Über der Szene ist es aus der Vogelpersp­ektive zu sehen. Im zweiten Akt sitzt es oben auf der Bühne. Prospekte und Kostüme greifen die Ästhetik von Comics auf. Die Darsteller singen achtbar. Wenn sie ihre an den Knien befestigte­n Fußattrapp­en auf die Barriere vor sich stellen, sehen sie wie Liliputane­r aus. Zur nachgelief­erten Ouvertüre gibt es Übertitel im Asterix-Stil.

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FOTO: MARTIN KAUFHOLD Mamma Agata ( Dominik Nekel, rechts) hat alles fest im Griff, auch die Tochter ( Maria Rosendorfs­ky.

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