Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Die nächste große Herausforderung
Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt rückt zunehmend in den Fokus – Neue Anlaufstelle für Arbeitgeber
- Die Unterbringung der vielen Flüchtlinge im Landkreis Biberach ist seit Monaten das vordringliche Thema. Immer stärker rückt aber auch die Aufnahme der Migranten in den Arbeitsmarkt in den Mittelpunkt. Dies unterstrich eine Veranstaltung von IHK und Kreis Biberach im Landratsamt. „Unser Ziel muss sein, möglichst viele Flüchtlinge, sofern sie bildungsfähig und -willig seien, in eine Ausbildung oder ein Praktikum zu bringen“, sagte Otto Sälzle, Hauptgeschäftsführer, der auch für Biberach zuständigen IHK Ulm.
So einfach ist das nicht. An Kandidaten für den Arbeitsmarkt mangelt es nicht, das geht aus Zahlen von Kreissozialdezernentin Petra Alger hervor. Zu Beginn des Monats Februar lebten 2618 Flüchtlinge im Kreis Biberach, davon rund 2000 in Gemeinschaftsunterkünften und rund 600 in Anschlussunterbringung. Und die Zahlen würden weiter ansteigen, sagte Alger. Die Flüchtlinge kämen überwiegend aus Syrien, dem Irak, Afghanistan oder Eritrea und hätten eine hohe Bleibeperspektive. Mehr als zwei Drittel der Flüchtlinge im Landkreis sei jünger als 30 Jahre alt. Hinzu kämen immer mehr unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Alter von 15 und 18 Jahren. Unter sämtlichen Flüchtlingen „haben wir hoch qualifizierte Leute, aber auch welche, die nicht lesen und schreiben können“, sagte Petra Alger.
„Wir sind noch im Lernprozess“
„Als Gesellschaft stehen wir vor einer Riesenherausforderung“, betonte Otto Sälzle. Man wisse noch nicht, wie die Integration in Ausbildung und Arbeitsmarkt zu bewältigen sei. „Wir sind immer noch in einem Lernprozess.“Zumindest gibt es immer mehr Instrumente der beruflichen Eingliederung, wie Vertreter von IHK, der Agentur für Arbeit sowie des Jobcenters und der Ausländerbehörde des Landkreises verdeutlichten. Die Programme und Hilfen für Arbeitgeber haben teils sperrige Namen – wie die Weiterbildung Geringqualifizierter und be- schäftigter älterer Arbeitnehmer in Unternehmen (kurz WeGebAU) – doch sie dienten alle einem Zweck: „Möglichst viele in Lohn und Brot zu bringen“, sagte Peter Kaltenmark, Leiter der Agentur für Arbeit Biberach-Ehingen.
Zur Heranführung an den Arbeitsmarkt seien auch Praktika hilfreich, hieß es – doch dabei ist Vorsicht geboten. Kaltenmark nennt es „ein ganz heißes Thema, bei dem man schnell in die Situation kommt, dass man das Thema Mindestlohn ankratzt“. Zur Sorgfalt bei der Beschäftigung von Praktikanten mahnt auch Hermann Scheel, Leiter der Ausländerbehörde im Landratsamt Biberach. Ein „tageweises kostenloses Probearbeiten“gebe es nicht. „Man muss es in eine Form bringen. Wenn die Leute so mitlaufen und der Zoll kommt, haben wir ein Problem.“
Status der Flüchtlinge
Scheel wies auch darauf hin, dass der Status der Migranten unterschiedliche Möglichkeiten einräumt. „Rela- tiv einfach ist die Beschäftigung anerkannter Flüchtlinge, sie haben den gleichen Zugang zum Arbeitsmarkt wie Deutsche“, so der Behördenleiter. Komplizierter sei es mit Flüchtlingen im laufenden Asylverfahren und bei Leuten, deren Asylantrag abgelehnt wurde und sie im Land geduldet seien.“Darüber hinaus gebe es Flüchtlinge mit einem generellen Erwerbsverbot und Sonderregeln für Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten.
Grundsätzlich gilt: In den ersten drei Monaten nach Einreise dürfen Migranten nicht arbeiten, weil der Gesetzgeber Anreize für eine wirtschaftlich motivierte Flucht verringern wolle, so Scheel. Nach dem dritten Monat bis Ende des 14. Monats sei eine Arbeitsaufnahme grundsätzlich möglich, wobei dazu ein Antrag bei der Ausländerbehörde erforderlich sei.
Ein Haupthindernis für die rasche berufliche Eingliederung findet sich aber bei den Flüchtlingen selbst: Neben der oft fehlenden oder nicht ausreichenden Qualifikation für den deutschen Arbeitsmarkt ist es die Sprache. „Deutschkenntnisse sind ein großes Thema“, sagte Harald Lämmle, Leiter des Jobcenters Biberach. „Unsere Erfahrung ist: Flüchtlinge haben Potenziale, aber auch Defizite.“Dass Menschen aus Afrika, dem Nahen oder Mittleren Osten „eine Flucht unter Gefahren“wagten, zeige, „dass sie motiviert sind und sich bei uns integrieren wollen“. Für den Arbeitsmarkt qualifiziert sie das allein aber nicht.