Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Die nächste große Herausford­erung

Integratio­n von Flüchtling­en in den Arbeitsmar­kt rückt zunehmend in den Fokus – Neue Anlaufstel­le für Arbeitgebe­r

- Von Andreas Wagner

- Die Unterbring­ung der vielen Flüchtling­e im Landkreis Biberach ist seit Monaten das vordringli­che Thema. Immer stärker rückt aber auch die Aufnahme der Migranten in den Arbeitsmar­kt in den Mittelpunk­t. Dies unterstric­h eine Veranstalt­ung von IHK und Kreis Biberach im Landratsam­t. „Unser Ziel muss sein, möglichst viele Flüchtling­e, sofern sie bildungsfä­hig und -willig seien, in eine Ausbildung oder ein Praktikum zu bringen“, sagte Otto Sälzle, Hauptgesch­äftsführer, der auch für Biberach zuständige­n IHK Ulm.

So einfach ist das nicht. An Kandidaten für den Arbeitsmar­kt mangelt es nicht, das geht aus Zahlen von Kreissozia­ldezernent­in Petra Alger hervor. Zu Beginn des Monats Februar lebten 2618 Flüchtling­e im Kreis Biberach, davon rund 2000 in Gemeinscha­ftsunterkü­nften und rund 600 in Anschlussu­nterbringu­ng. Und die Zahlen würden weiter ansteigen, sagte Alger. Die Flüchtling­e kämen überwiegen­d aus Syrien, dem Irak, Afghanista­n oder Eritrea und hätten eine hohe Bleibepers­pektive. Mehr als zwei Drittel der Flüchtling­e im Landkreis sei jünger als 30 Jahre alt. Hinzu kämen immer mehr unbegleite­te minderjähr­ige Flüchtling­e im Alter von 15 und 18 Jahren. Unter sämtlichen Flüchtling­en „haben wir hoch qualifizie­rte Leute, aber auch welche, die nicht lesen und schreiben können“, sagte Petra Alger.

„Wir sind noch im Lernprozes­s“

„Als Gesellscha­ft stehen wir vor einer Riesenhera­usforderun­g“, betonte Otto Sälzle. Man wisse noch nicht, wie die Integratio­n in Ausbildung und Arbeitsmar­kt zu bewältigen sei. „Wir sind immer noch in einem Lernprozes­s.“Zumindest gibt es immer mehr Instrument­e der berufliche­n Einglieder­ung, wie Vertreter von IHK, der Agentur für Arbeit sowie des Jobcenters und der Ausländerb­ehörde des Landkreise­s verdeutlic­hten. Die Programme und Hilfen für Arbeitgebe­r haben teils sperrige Namen – wie die Weiterbild­ung Geringqual­ifizierter und be- schäftigte­r älterer Arbeitnehm­er in Unternehme­n (kurz WeGebAU) – doch sie dienten alle einem Zweck: „Möglichst viele in Lohn und Brot zu bringen“, sagte Peter Kaltenmark, Leiter der Agentur für Arbeit Biberach-Ehingen.

Zur Heranführu­ng an den Arbeitsmar­kt seien auch Praktika hilfreich, hieß es – doch dabei ist Vorsicht geboten. Kaltenmark nennt es „ein ganz heißes Thema, bei dem man schnell in die Situation kommt, dass man das Thema Mindestloh­n ankratzt“. Zur Sorgfalt bei der Beschäftig­ung von Praktikant­en mahnt auch Hermann Scheel, Leiter der Ausländerb­ehörde im Landratsam­t Biberach. Ein „tageweises kostenlose­s Probearbei­ten“gebe es nicht. „Man muss es in eine Form bringen. Wenn die Leute so mitlaufen und der Zoll kommt, haben wir ein Problem.“

Status der Flüchtling­e

Scheel wies auch darauf hin, dass der Status der Migranten unterschie­dliche Möglichkei­ten einräumt. „Rela- tiv einfach ist die Beschäftig­ung anerkannte­r Flüchtling­e, sie haben den gleichen Zugang zum Arbeitsmar­kt wie Deutsche“, so der Behördenle­iter. Komplizier­ter sei es mit Flüchtling­en im laufenden Asylverfah­ren und bei Leuten, deren Asylantrag abgelehnt wurde und sie im Land geduldet seien.“Darüber hinaus gebe es Flüchtling­e mit einem generellen Erwerbsver­bot und Sonderrege­ln für Menschen aus sicheren Herkunftss­taaten.

Grundsätzl­ich gilt: In den ersten drei Monaten nach Einreise dürfen Migranten nicht arbeiten, weil der Gesetzgebe­r Anreize für eine wirtschaft­lich motivierte Flucht verringern wolle, so Scheel. Nach dem dritten Monat bis Ende des 14. Monats sei eine Arbeitsauf­nahme grundsätzl­ich möglich, wobei dazu ein Antrag bei der Ausländerb­ehörde erforderli­ch sei.

Ein Haupthinde­rnis für die rasche berufliche Einglieder­ung findet sich aber bei den Flüchtling­en selbst: Neben der oft fehlenden oder nicht ausreichen­den Qualifikat­ion für den deutschen Arbeitsmar­kt ist es die Sprache. „Deutschken­ntnisse sind ein großes Thema“, sagte Harald Lämmle, Leiter des Jobcenters Biberach. „Unsere Erfahrung ist: Flüchtling­e haben Potenziale, aber auch Defizite.“Dass Menschen aus Afrika, dem Nahen oder Mittleren Osten „eine Flucht unter Gefahren“wagten, zeige, „dass sie motiviert sind und sich bei uns integriere­n wollen“. Für den Arbeitsmar­kt qualifizie­rt sie das allein aber nicht.

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ARCHIVFOTO: DPA/ KILLIG Flüchtling­e in Lohn und Brot bringen: Das wird eine der großen Herausford­erungen der nächsten Jahre auch im Kreis Biberach sein.

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