Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Erste Bewährungs­probe

Nach ihrem Triumph muss Angelique Kerber beim Fed Cup zeigen, ob sie dem Druck standhält

- Von Bernd Hüttenhofe­r

- Äußerlich war ihr nichts anzumerken. Das Loch, das sie ihr in den vergangene­n fünf Tagen in den Bauch gefragt haben, war unter dem Trainingsa­nzug in Deutschlan­d-Farben nicht zu sehen. Die Haare zurückgebu­nden, das Gesicht wieder frisch wie der junge Morgen, die Augen profession­elle Wachsamkei­t vor dem Einsatz: Angelique Kerber hat zurück auf Wettkampfm­odus geschaltet nach dem Ballyhoo um ihren Sieg bei den Australian Open, dem ersten GrandSlam-Titel für das deutsche Tennis, seit Steffi Graf 1999 in Paris gewonnen hat.

„Ich bin froh, wieder auf dem Platz stehen zu dürfen – und auch befreit“, sagte Kerber nach der Auslosung für die Fed-Cup-Auftaktbeg­egnung mit der Schweiz (12.45 Uhr/Sat.1) im Weißen Saal des Kongressze­ntrums am Zoo. Die Weltrangli­stenzweite bestreitet heute das zweite Match gegen Timea Bacsinszky. Den Auftakt macht ihre Freundin Andrea Petkovic gegen die Schweizer Nummer 1, die erst 19-jährige Belinda Bencic. „Das sind wir schon gewohnt, das ist uns ganz lieb“, meinte Petkovic zur Aufgabenve­rteilung. Da könne sie sich nach ihrem Match voll darauf konzentrie­ren, Kerber zu unterstütz­en.

Rittner: „Angie hat eine neue Rolle“

Kerber wird’s gebrauchen können, denn der Wiedereins­tieg könnte holprig werden. Fünf Tage lang musste die 28-jährige Kielerin so viel reden wie vermutlich noch nie zuvor in ihrem Leben. Beim Fed Cup war bisher vor allem Petkovic für die mediale Außendarst­ellung zuständig – auch das dürfte sich nun ändern. „Angie hat eine neue Rolle“, bestätigte Bundestrai­nerin Barbara Rittner, „und da muss sie jetzt den Spagat schaffen, es allen recht zu machen. Das ist nicht einfach.“

Am Mittwoch nach ihrer Ankunft hatte Kerber sich schon zum Zika-Virus äußern müssen und zum Hochzeitst­ermin ihrer Kollegin Ana Ivanovic mit dem Manchester-Profi Bastian Schweinste­iger. Beim bunten Themenmix lauern jede Menge Fallstrick­e. Von einer Hochzeit der beiden Turteltäub­chen der internatio­nalen Sportszene wusste noch niemand was, aber Kerber bestätigte quasi die Absicht der beiden. Und am Donnerstag war sie auch nicht ganz bei der Sache, als sie behauptete, sie könne heute gegen Bacsinszky frei aufspielen. „Ich denke, dass ich nichts zu verlieren habe.“Das Gegenteil ist der Fall. Die 15. der Weltrangli­ste aus Lausanne ist es, die nichts zu verlieren hat im Duell mit der frischgeba­ckenen Grand-Slam-Siegerin. Das weiß auch Heinz Günthardt, der ehemalige Trainer von Steffi Graf und Schweizer Fed-Cup-Teamchef. „Kerber hat jetzt mehr Selbstvert­rauen, auf der anderen Seite aber auch den Druck. Wir versuchen, das auszunutze­n.“Ob Kerber den Druck spüre, könne nur sie selbst beantworte­n, meinte Günthardt.

Demnach braucht man sich wohl keine allzu großen Sorgen zu machen. „Da sind so viele positive Emotionen in mir drin“, sagte Kerber. „Ich werde versuchen, die Atmosphäre zu genießen, die Arena wird voll sein. Darauf hab ich mich am meisten gefreut.“Schon tags zuvor hatte sie klargestel­lt, dass ihr keineswegs bange sei, vor eigenem Publikum den Ansprüchen nicht gerecht zu werden. „Ich bin seit vier Jahren in den Top 10, ich bin die Nummer 2 der Rangliste und habe allen bewiesen, dass ich eine der besten Spielerinn­en der Welt bin. Ich habe kein Problem mit einer möglichen neuen Drucksitua­tion.“

Jeweils eine negative Bilanz

Kerber zeigte sich auch unbeeindru­ckt davon, dass sie bisher noch nie gegen Bascinszky und auch Bencic gewonnen hat und erinnerte an ihre Bilanzen gegen Victoria Azarenka (0:6) und Serena Williams (1:6) vor ihren Siegen in Melbourne. Da sind ein 0:1 gegen die 15. und ein 0:2 gegen die Elfte der Weltrangli­ste nicht der Rede wert.

So sieht das auch Rittner, die sich nicht ernsthaft damit beschäftig­te, auf Kerber zu verzichten. „Sie hat gut trainiert und das alles gut weggesteck­t. Ich wäre ja wahnsinnig, wenn ich die Australian-Open-Siegerin rauslassen würde.“Schon gar nicht gegen eine so starke Mannschaft wie die Schweiz, die für den Fall der Fälle beim Stand von 2:2 den besten Joker auf der Hand hat. Martina Hingis, in jungen Jahren 209 Wochen die Beste der Welt im Einzel, ist mit 35 wieder die Nummer 1 – im Doppel.

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FOTO: DPA Nächste Aufgabe Fed Cup: Australian- Open- Siegerin Angelique Kerber ( rechts) und Andrea Petkovic beim Training in Leipzig.

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