Schwäbische Zeitung (Laupheim)
„Wir können für die Bayern unangenehm sein“
Der Ravensburger Ömer Toprak will mit Leverkusen die Münchner stoppen – und träumt von Manchester United
s wird viel geschrieben und geredet über die Mannschaften der Stunde in der FußballBundesliga. An Bayer Leverkusen denkt hierbei kaum einer. Dabei hat die Werkself seit der Niederlage Anfang Dezember bei Hertha BSC nicht mehr verloren und lediglich ein Gegentor kassiert. Mitverantwortlich ist Innenverteidiger Ömer Toprak, der in Ravensburg geborene türkische Nationalspieler. Aktuell ist er als Vertreter des verletzten Lars Bender Kapitän bei Bayer, für die Türkei läuft er derzeit in Folge der sogenannten „Pistolenaffäre“nicht auf. Vor dem Gastspiel von Tabellenführer FC Bayern München am Samstag (15.30 Uhr/Sky) sprach Jochen Schlosser mit dem 26-Jährigen – über seine Rolle, Spektakel-Fußball, Titelträume und Karriereziele.
Erst die Bayern, dann im Pokal gegen Bremen, später Dortmund und in der Europa League gegen Sporting Lissabon. Für Bayer stehen richtungsweisende Spiele an ...
Das sind die wichtigen Wochen. Jetzt werden die Weichen gestellt, auch für die kommende Saison. Wir wollen eine Serie hinlegen, wie wir das in der letzten Saison auch gemacht haben.
Bayer hat sich nach dem eher holprigen Saisonstart stabilisiert. Wird jetzt etwa vorsichtiger gespielt?
Nein, das war einfach eine schwierige Phase. Da sind wir jetzt raus. Bei uns waren viele Führungsspieler verletzt: Lars Bender, Roberto Hilbert, auch ich. Das fällt sehr ins Gewicht. Zum einen, weil wir eine extrem junge Mannschaft sind, zum anderen, weil wir ein besonders kompliziertes System spielen.
Das Festhalten an diesem System hat beim VfB Stuttgart Trainer Alexander Zorniger den Job gekostet. Auch Bayer-Spiele bieten unter Coach Roger Schmidt oft großes Spektakel. Es sei nur an die Champions-League-Partien gegen AS Rom, das 4:4 und das 2:3, erinnert. Sie als Innenverteidiger können das doch nicht amüsant finden?
Gegen AS Rom haben wir viele Tore kassiert, aber wenn man sich die Statistik der Bundesliga anschaut, haben wir die drittbeste Abwehr. So viele Treffer kassieren wir gar nicht! Es ist eben ein sehr anspruchsvolles System, es ist sehr schwierig zu spielen – und auch wir machen manchmal Fehler. Wenn das System funktioniert, lassen wir aber nur wenige Offensivaktionen der Gegner zu.
Dann spielt Bayer gar nicht anders als in der Vorsaison, als es häufiger diese Spektakel-Spiele gab?
Nein, vergangene Saison haben wir dieses System erst gelernt. Diese Sai- son ist uns so ein Spiel eigentlich nur beim 4:4 gegen Rom passiert ...
... und beim 4:3 gegen Alexander Zornigers VfB Stuttgart.
Stimmt! Aber das ist ein Entwicklungsprozess. Gewünscht sind die vielen Gegentore, dieses Spektakel nicht. Was wir aber wissen: Wir haben immer Power.
Sie persönlich haben nach den Abgängen vieler routinierter Spieler bei Bayer als Kapitän mittlerweile einen anderen Stellenwert ...
Wir haben viele erfahrene Spieler verloren: Rolfes, Spahic, Castro, Reinartz. Das ändert das Gefüge in der Mannschaft. Verantwortung habe ich in den vergangenen Jahren jedoch auch schon übernommen. Als Kapitän will und soll ich vorneweg marschieren, aber tatsächlich will ich das eh: So bin ich als Person. Ich bin eben ein etwas anderer Führungsspieler, ich will mit Leistung überzeugen. Nach der überstandenen Verletzung zu Saisonbeginn habe ich das zuletzt, glaube ich, ganz gut hinbekommen.
Wie auch die komplette Mannschaft: Die Stürmer Stefan Kießling und Chicharito treffen, die Abwehr hält – der perfekte Zeitpunkt,
um
gegen Bayern zu spielen. Danach wissen Sie, wo Bayer steht?
(lacht) Nun ja, wir spielen gegen die beste Mannschaft in Deutschland, aber letztes Jahr haben wir auch zu Hause zweimal gegen die Bayern gespielt: Einmal haben wir 2:0 gewonnen, einmal haben wir unglücklich im Elfmeterschießen verloren. Wir können für die Bayern unangenehm sein, das wissen wir.
Am System wird bei Trainer Schmidt aber nie gerüttelt. Eine defensivere Variante kommt auch gegen Topteams nicht infrage?
Wir wollen immer unser Spiel spielen, egal gegen wen: Immer hoch anlaufen, immer pressen, immer früh attackieren, die gegnerischen Stürmer vom Tor fernhalten. Wenn wir die Bälle früh erobern, können wir selbst sehr schnell gefährlich werden. Das ist Bayer Leverkusen – zu Hause oder auswärts. Es spielt keine Rolle, ob wir gegen Bayern München oder Darmstadt 98 spielen. Mir persönlich gefällt das sehr gut.
Ein Titel mit Bayer fehlt Ihnen aber noch. Ohnehin datiert der letzte Leverkusener Titel, der Sieg im DFB-Pokal, aus dem Jahr 1993. Damals waren Sie nicht einmal vier Jahre alt ...
Klar, wir wollen einen Titel, ich auch. Es ist aber sehr, sehr schwierig. In der Bundesliga sind die Bayern das Maß der Dinge. Wenn sie straucheln, muss man da sein. Das Problem an der Sache: Es gibt keine Anzeichen, dass sie straucheln. In der Champions League ist es ebenfalls extrem schwer. Nun sind wir in der Europa League: Da wollen wir, wenn möglich, ins Finale und den Pott holen. Außerdem gibt es auch noch den DFB-Pokal. Das ist natürlich der schnellste Weg zum Titel, aber geschenkt bekommt man den Pokal leider auch nicht.
Sie selbst haben bereits Tiefen erleben müssen. Nach dem Kart-Unfall 2009, bei dem Sie schwere Verbrennungen erlitten haben, schien Ihre Laufbahn früh beendet. Ist alles, was jetzt noch kommt, nicht ohnehin ein Bonus für Sie?
Das ist schwer zu formulieren. Der Tag, an dem ich wieder spielen konnte, war der schönste in meiner Karriere. Alles was jetzt dazukommt, macht dieses Comeback von damals noch größer. Irgendwann wusste ich, dass ich wieder spielen würde, aber jetzt bin ich Kapitän bei Bayer Leverkusen. Dass ich auf dieses Niveau kommen würde, damit konnte man nicht unbedingt rechnen.
Ihre Karriere in der türkischen Nationalmannschaft ruht aktuell. Im Sommer steht die EM an. Gibt es noch die Möglichkeit, dass Sie ins Team der Türkei zurückkehren?
Ich konzentriere mich auf meine Leistung hier bei Bayer – und alles andere werden wir sehen. Mehr möchte ich zu diesem Thema derzeit nicht sagen.