Schwäbische Zeitung (Laupheim)
In der Osteria überwintert der Sommer
rostiger Winterwind treibt die Bürger von Bad Wurzach durch die Straßen. Und obwohl gerade Mittag ist, bleibt die Sonne nur eine vage Ahnung hinter einem schleierhaften Grau. Ein paar kluge Menschen ziehen sich die Mütze tiefer ins Gesicht und überqueren entschlossenen Schrittes den Spitalweg, um dann das Haus mit der Nummer 1 zu betreten. Und plötzlich ist Sommer: Das Personal in der Osteria Veneta tratscht auf Italienisch und balanciert Espressotassen durch das freundliche Ambiente in hellem Holz. Die Gäste lassen sich von der fröhlichen Gelassenheit anstecken und sagen ganz automatisch plötzlich „Grazie“, wenn sie „Danke“meinen. Ach, es ist so leicht, ein bisschen Italiener zu sein, wenn der Gast unter dem historischen Kreuzgewölbe Platz nimmt und beim Blick aus dem Fenster ganz überrascht ist, dass das da draußen Bad Wurzach ist und nicht Venedig. Aus Venetien nämlich stammt die Familie Bucco. Papa Aldo ist in Bad Wurzach schon seit Jahrzehnten für sein italienisches Eis im gleichnamigen Café bekannt. Im Jahre 2013 ist die Sehnsucht nach all den anderen typischen Köstlichkeiten seiner Heimat offenbar so stark gewachsen, dass die Idee einer Osteria schließlich ihren Weg in die Wirklichkeit fand. Osteria – das ist in Italien das einfache Speiselokal, in dem nicht selten Mama und Oma hinterm Herd stehen. In Bad Wurzach beinhaltet das Konzept der authentischen Küche auch die Kunst des Pizzabackens. Ein ultramoderner Hochleistungsofen mit drehbarer Steinplatte und
beeindruckender Edelstahlverkleidung scheint der letzte Schrei unter ambitionierten Pizzabäckern zu sein. Und weiß Gott: Der wackere Mensch am Ofen weiß denselben zu bedienen. Das wird schon bei der Vorspeise klar, der sogenannten Caprese – also Tomaten mit Mozzarella und Basilikum. Ein anständiges Öl steht bereit, um Gemüse und Käse zu veredeln. Lustig: Beides liegt auf einem knusprig-luftigen Pizzabrot. Der Mozzarella stammt vom Büffel, was der Hauch eines leicht bitter-säuerlichen Beigeschmacks belegt und ihn so einzigartig macht. Das Brot verströmt einen aromatischen Duft, die Kruste ist knusprig, die Krume darunter weich und luftig, sodass sich in jeder Pore der pure Geschmack einnisten kann.
Und diese putzigen Teigtaschen mit ihren Walnüssen auf der Mütze? Dabei handelt es sich natürlich um Ravioli. Gebadet in brauner Butter, gefüllt mit einer leicht von Knoblauch geküssten Füllung aus Ricotta und Spinat. Der Prachtkerl dieser Mittagspause ist aber die Pizza Erica, benannt nach der Dame im Service: Auf einem unwiderstehlichen Boden breitet sich Tomatensauce aus. Darüber liegt geschmolzener Mozzarella wie Schnee. Giftgrün tummelt sich darauf der grüne Spinat, und große Hobelspäne aus Parmesan vervollkommnen dieses köstliche Bild, das von oben betrachtet tatsächlich einer frühlingshaften Landschaft äh-