Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Baumeister mit großer Tradition
Architekten brauchen technisches Talent und künstlerische Kreativität – An berühmten Vorbildern mangelt es hierzulande nicht
eutschland kann stolz sein auf seine berühmten Architekten. Seit dem Barock, als Balthasar Neumann, Dominikus Zimmermann und andere ihre unvergänglichen Werke schufen (Klosterkirche Neresheim, Wallfahrtskirche Steinhausen), zieren viele Namen bedeutender deutscher Baumeister die europäische Architekturgeschichte. Schon im Klassizismus setzte sich dies fort mit Leo von Klenze (Alte Pinakothek in München) und Karl Friedrich Schinkel (Neue Wache in Berlin). Die Architektur des Historismus hatte ihren wohl größten Vertreter in Gottfried Semper (Dresdener Semper Oper), die Baukunst des Jugendstils in Richard Riemerschmid (Villa Wieland in Ulm). Eine weltweit beachtete Blüte erreichte die deutsche Architektur ab 1919 mit den Meistern des Bauhauses, Walter Gropius etwa und Ludwig Mies van der Rohe, um nur ein paar davon zu nennen. Schon vor dem Ersten Weltkrieg hatte sich das Multitalent Peter Behrens nicht zuletzt als hochbegabter Industriearchitekt einen legendären Ruf erworbenen. Die große Montagehalle für die AEG in Berlin (1912) gilt als eines seiner Meisterwerke.
Münchner Olympia-Gelände aus der Stuttgarter Schule
Nach der Zeit des Nationalsozialismus und dem Zweiten Weltkrieg konnten sich deutsche Architekten wieder Spitzenplätze in der internationalen Liga ihres Berufsstandes erarbeiten. Das gilt beispielsweise für Egon Eiermann (Neubau der KaiserWilhelm-Gedächtnis-Kirche in Berlin) oder für die großen Vertreter der Stuttgarter Schule, Günter Behnisch und Frei Otto, die gemeinsam für den Entwurf des Münchner Olympia-Geländes mit dem weltberühmten Zeltdach des Stadions verantwortlich zeichneten.
Deutsche und deutschstämmige Architekten haben es auch im Ausland zu Ruhm gebracht, vor allem auf dem amerikanischen Kontinent. Oscar Niemeyer, 2012 in Rio de Janeiro gestorben, hatte sich mit dem Entwurf aller öffentlichen Gebäude der auf dem Reißbrett geplanten brasilianischen Hauptstadt Brasilia selbst ein spektakuläres Denkmal geschaffen. Seine in den USA lebenden Kollegen Richard Meier und Helmut Jahn sind längst mit einer Reihe von aufsehenerregenden Bauten auch in ihrer alten Heimat beziehungsweise der ihrer Vorfahren vertreten. So prägt Helmut Jahns 257 Meter hoher Messeturm seit 1990 die Skyline von Frankfurt am Main. In Ulm und Schwendi sorgen Richard Meiers Stadthaus und das Weishaupt Forum für architektonische Glanzpunkte, die weit über unsere Region hinausstrahlen.
Auch die Ausbildung des Architektennachwuchses hat in Deutschland eine bemerkenswerte Tradition. Viele der großen Baumeister waren und sind auch als Professoren tätig. Mehr als 60 Hochschulen bieten einschlägige Studienmöglichkeiten an. Trotzdem ist Architektur kein Massenstudienfach. Nur knapp eineinhalb Prozent der 2,5 Millionen an deutschen Hochschulen eingeschriebenen Studierenden (2011) hatten das Fach Architektur gewählt. Das dürfte insbesondere damit zu tun haben, dass von den Studierenden sowohl technisches Talent und Verständnis als auch künstlerische Kreativität verlangt werden – eine Kombination von Begabungen, die nicht allzu häufig anzutreffen ist. Die Studieninhalte spiegeln diese Anforderungen wider, und noch weitere dazu. Zu den technischen beziehungsweise mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern wie Bauphysik und -chemie, Baustatik, Tragwerkslehre, Beton-, Holz- und Stahlbau kommen die klassischen Architekturinhalte wie Entwerfen, Gebäudekunde, Bau- und Kunstgeschichte, aber auch Lehrveranstaltungen in Baumanagement, Bauleitung und Baurecht. Zugangsvoraussetzungen für ein Architekturstudium sind in der Regel das Abitur oder die Fachhochschulreife sowie ein Praktikum oder eine Berufsausbildung im Baubereich.
Das Architekturstudium wird von vielen Hochschulen sowohl als Bachelor- wie auch als Masterstudiengang angeboten. Das gilt beispielsweise für die Universität Stuttgart, die Hochschule Biberach und die Hochschule Konstanz. Das Bachelorstudium dauert in der Regel sechs Semester, das Masterstudium vier und setzt einen Bachelorabschluss voraus.
Lernen und Kontakte knüpfen in einem renommierten Büro
Anschließend an das Studium streben die meisten jungen Architekten einen Job in einem renommierten Architekturbüro an, um dort noch weiterzulernen und Kontakte zu knüpfen. Ein gutes Arbeitszeugnis von einem bekannten Architekten hilft auch sehr auf dem weiteren Berufsweg, vor allem wenn dieser zur Partnerschaft in einem angesehenen Büro führen soll. Aber die Mitarbeit eines Anfängers in einem solchen Team hat auch ihren Preis, der zumeist mit dem Verzicht auf ein gutes Gehalt zu bezahlen ist.
Die weniger auf die künstlerische als auf die technische Seite des akademischen Bauberufs ausgerichtet Version firmiert unter der Bezeichnung „Bauingenieurwesen“. Bauingenieure beschäftigen sich mit der Planung, Technik, Statik und Funktionalität von Bauwerken. Wichtige Fächer des Studiums an Universitäten und Hochschulen sind Mathematik, Statik, Festigkeitslehre, Bauinformatik und CAD, aber beispielsweise auch Baustoffkunde, Bauentwurf und -konstruktion. Die Hochschulen Biberach und Konstanz bieten im Bauingenieurwesen einen Bachelorstudiengang mit sechs Theorie- und einem Praxissemester sowie einen Masterstudiengang mit einer Regelstudienzeit von drei Semestern an.
Qualifizierte Fachberufe in der Baubranche auch ohne Abitur
Auch ohne Abitur oder Fachhochschulreife können sich ausgebildete Baufachkräfte für den beruflichen Aufstieg ins mittlere Management der Baubranche qualifizieren. Eine interessante Gelegenheit dazu gibt es an der Fachschule für Bautechnik an der Gewerblichen Schule Schwäbisch Hall. Dort führt eine zweijährige Ausbildung zum/zur „Staatlich geprüften Bautechniker/Bautechnikerin“.
Auch die Innenarchitektur hat eine bemerkenswert lange Geschichte. Seit etwa 1700 sind Bemühungen bekannt, Inneneinrichtungen und Accessoires wie Tapeten und Vorhänge als harmonisches Ganzes zu planen. Und dies, also die Planung und Gestaltung von Innenräumen nach technisch-konstruktiven sowie künstlerisch-ästhetischen Gesichtspunkten, ist bis heute die Aufgabe von Innenarchitekten geblieben. Das Studium der Innenarchitektur umfasst einen breiten Fächerkanon, der von Freiem Zeichnen und Möbeldesign bis zu Bauphysik und Wärmeschutz reicht. Gut 20 Studiengänge stehen Interessenten des Innenarchitekturstudiums in Deutschland zur Wahl, darunter ein Bachelor- und ein Masterstudium (mit sechs und vier Semestern) an der Hochschule für Technik in Stuttgart sowie ein Bachelor- und ein Masterstudium (mit sieben und drei Semestern) an der Hochschule Rosenheim.