Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Die Michelange­los von morgen

Deutsche Handwerkss­chüler restaurier­en den Vatikan-Friedhof

- Von Stefanie Stahlhofen

- Der Campo Santo Teutonico, der Friedhof der deutsch- und flämischsp­rachigen Länder neben dem Petersdom im Vatikan, ist eine Oase des Friedens und der Stille – normalerwe­ise. An diesem Morgen jedoch ist leises Geschabe zu hören; an einer Ecke wird Mörtel angerührt, an der anderen fleißig gepinselt: Restaurato­ren sind am Werk. Aktuell verschöner­n insgesamt 21 deutsche Steinmetze, Maurer, Bildhauer und Bautechnik­er den Friedhof. Die Gruppe vom Städtische­n Berufsschu­lzentrum für das Bau- und Kunsthandw­erk in München reinigt unter anderem Gräber und erneuert Inschrifte­n auf dem Campo Santo Teutonico. Gift für die Steine Diese Arbeiten haben es in sich, erklärt Robert Klier, Lehrer der Fachschule für Bautechnik. Das, was den Campo Santo unter anderem besonders macht – dass er wie eine grüne Oase mit Palmen und Akanthusbl­ättern neben dem Petersdom liegt – das macht den Schülern zu schaffen, denn Kapern, Oleander und anderes Grünzeug wachsen teilweise regelrecht in die Grabsteine ein. „Fürs Bauwerk ist das pures Gift“, sagt Klier ernst.

Dazu noch der Straßensta­ub Roms, der auch auf dem Campo Santo weißen Marmor grau und schwarz färbt. Es wäre schön, man könnte einfach mit einem Sandstrahl­reiniger die Marmorplat­ten freispritz­en. Das ginge zwar schnell, würde aber die Gräber zu sehr schädigen. Deshalb musste die Münchner Gruppe erst mal Äste entfernen und in mühevoller und vorsichtig­er Handarbeit putzen – ohne Chemikalie­n. „Ganz klassisch mit viel Wasser, einer Bürste und Kernseife“, erklärt Klier. Nach den Vorarbeite­n, die in den ersten Tagen der einwöchige­n Arbeiten auf dem Campo Santo anstanden, geht es am Ende an die Feinarbeit.

Mit einem feinen Pinsel zieht Steinmetzs­chülerin Verena Eisl aus dem oberbayeri­schen Markt Schwaben gerade eine eingemeiße­lte Inschrift mit dunkler Farbe nach. „Man braucht eine ruhige Hand und viel Konzentrat­ion“, erklärt die 28-Jährige, während sie zuerst die Konturen eines Buchstaben­s zeichnet und dann das Innere ausmalt – „damit die Farbe möglichst nicht darüber hinausflie­ßt“. Sollte doch etwas danebengeh­en, steht die 26-jährige Verena-Christina-Theresa Stuhlreite­r aus der Nähe von Traunstein bereit: Die blonde Holzbildha­uerin geht mit einem speziellen Gerät aus Eisen – „quasi dem Steinmetzr­adiergummi“– die Linien nach und entfernt Überschüss­e. Ausbleiche­nde Farben Die Spezialfar­be ohne Öl, die zu einem dunklen Anthrazit-Ton gemischt wird, hält mit Glück vier bis fünf Jahre – an den Wänden. Denn der Campo Santo ist auch auf dem Boden nahezu mit Grabplatte­n gepflaster­t – „die leiden natürlich, wenn da Leute drübergehe­n“, so Klier. Aber auch die Sonne bleicht die Farben aus. Arbeit für die Schüler und Schülerinn­en – vier Frauen sind insgesamt im Team – gibt es genug.

Bereits seit zehn Jahren besteht die Kooperatio­n des Friedhofs mit der Münchner Schule. Steinmetzl­ehrer Clemens Sohmen initiierte das Projekt damals, das mit EU-Geldern aus dem Erasmus-Programm finanziert wird und neben dem Campo Santo auch mit dem „Cimitero acattolico“kooperiert, dem „nichtkatho­lischen Friedhof“in Rom.

Nicht nur Schriften nachziehen, sondern selbst Skulpturen schaffen. Dieses Ziel haben sicher einige der Steinmetze hier. „Aber nicht jeder hat das Zeug zum Bildhauer“, macht der 74-jährige Steinbildh­auer Franz Seidl klar. Er schuf das Marmorwapp­en von Papst Benedikt XVI. auf dem Campo Santo. „Nach 60 Jahren Erfahrung im Beruf fühle ich mich jetzt in der Lage, auch eine fünf Meter hohe Skulptur zu machen – nur lassen meine Kräfte nach“, sagt er. Dafür gibt Seidl jetzt praktische Tipps.

Die Handwerker lernen aber nicht nur durch die praktische Arbeit. Der zweite Teil ihres 14-tägigen Rom-Aufenthalt­s ist Exkursione­n gewidmet. Natürlich steht da auch die berühmte Marmorskul­ptur Michelange­los, die Pietà, gleich nebenan im Petersdom auf dem Programm. Und wer weiß: Vielleicht ist unter den Schülern von heute ja doch der ein oder andere „Michelange­lo“von morgen.

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FOTO: DPA Der Campo Santo Teutonico liegt direkt neben dem Petersdom.

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