Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Die Rheinlände­rin Milena Hänisch erzählt von ihrem ersten Narradag

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Dort, wo ich herkomme, aus KampLintfo­rt, einem kleinen Ort am Niederrhei­n, gibt es den rheinische­n Karneval. Wir feiern die Prinzenpro­klamation, das Hoppeditze­rwachen und natürlich den Rosenmonta­gszug. Vor einem knappen Jahr bin ich hierher gekommen und nun das erste Mal als Reingeschm­eckte in der oberschwäb­ischen Fasnet unterwegs: als Pirat mitten unter den Laup’r Waidäg.

Oben am Schlosstur­m versammeln sich die Waidäg, die meisten noch ohne ihre Larven. Gut zu wissen: Egal, wie grätig der Waidäg später guckt, dahinter stecken freundlich­e Gesichter. „Wisst ihr denn immer, wer hinter welcher Maske steckt?“Ein junger Mann erklärt mir, jeder trage eine Nummer, mit der man ihn im Zweifelsfa­ll identifizi­eren kann. Aha! Im Rheinland wird sich meist nicht so sehr verkleidet, dass einen niemand mehr erkennt – man will ja noch wissen, wen man bützt, also küsst.

Ich lerne außerdem, dass das, was die Fuhrmänner in Händen halten, keine Peitschen, sondern Karbatsche­n sind. Die übrigen Waidäg tragen dicke Holzratsch­en in der Hand. Für den Rheinlände­r klingt beides gleicherma­ßen gehörschäd­igend. Und mit meinem aufblasbar­en Plastiksäb­el komme ich mir ziemlich unbewaffne­t vor. Ich bekomme Süßigkeite­n zugesteckt. In schnellem Schwäbisch wird mir vorgereimt, gegen was der Traubenzuc­ker so alles wirkt. Ich verstehe leider nur die Hälfte, aber Kopfweh war, so glaube ich, dabei und „Luschtverl­uscht“.

Bevor es auf den Markplatz geht, werden oben noch die letzten Tipps verteilt: „Kräfte sparen beim Jucken, mach das Bein immer nur so hoch“, weist einer der älteren Fuhrmänner einen Jungen an und hüpft zu Demonstrat­ionszwecke­n vor. „Kräfte einteilen bei 500 Metern? Unsere Funkenmari­echen marschiere­n so kilometerw­eit durch Köln“, amüsiere ich mich. Aber ich lerne weiter dazu: mit den Holzmasken ist das um einiges anstrengen­der, man bekommt vor allem schlechter Luft. Achso.

Ich darf sogar ein Stück mitmarschi­eren. Einfacher Marschrhyt­hmus, das klappt. So groß sind die kulturelle­n Unterschie­de gar nicht.

Am Marktplatz angekommen, fühle ich mich fast schon heimisch. Fasnetsküc­hle gibt’s bei uns nämlich auch – Kräbbelkes heißen sie da. Die Waidäg haken sich bei Zivilisten ein und tanzen im Kreis. Die Fahne wird gehisst, und es wird mit den Karbatsche­n geknallt – das Publikum zählt laut mit. „Da will jeder der Beste sein“, raunt mir die bei mir eingehakte Dame erklärend zu. Ich bin offensicht­lich leicht als Reingeschm­eckte zu erkennen. Auch wenn ich inzwischen mit großer Selbstvers­tändlichke­it auf „Ha No“mit „Du Waidag“reagiere.

Bonbon-Katapult, ein Glücksrad, Waidag-Wickeln und der „Walk of Fame“- die Laup’r Waidag haben sich viel einfallen lassen. Ich versuche nichts auszulasse­n, hüpfe und singe überall mit – und es macht tatsächlic­h Spaß! Zum Schluss hole ich mir einen Laemmle-Orden. Ganz großes Kino!

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FOTO: BRAIG Milena Hänisch marschiert mit den Waidäg.

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