Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Norweger müsste man sein
Dänemark als glücklichstes Land der Welt abgelöst – Deutschland auf Platz 16
(dpa/KNA/AFP) - Sind es die malerischen Fjorde und die hellen Sommernächte? Oder doch ganz unromantisch die unablässig sprudelnden Ölquellen? Die Norweger sind das glücklichste Volk der Welt, stellt der diesjährige „World Happiness Report“fest. Dänemark, die letzten drei Jahre Spitzenreiter, ist diesmal vom Spitzenplatz verdrängt. Deutschland stagniert auf Platz 16 – hinter den USA, Israel und Costa Rica, aber vor Großbritannien und Frankreich. Demgegenüber hatte eine am Freitag in Berlin veröffentlichte Studie ergeben, dass die Deutschen heute zufriedener seien als zu jedem anderen Zeitpunkt nach der Wiedervereinigung.
Trotzdem: Was macht die Skandinavier so glücklich? Ein scherzhaft gemeintes Klischee über die Norweger besagt, dass sie sich am glücklichsten fühlen, wenn sie viele Stunden Auto gefahren und mit schwerem Gepäck auf dem Rücken auf Langlauf-Skiern weit in die Landschaft gewandert sind, um dann an einer Hütte ohne Strom und Wasser anzukommen und es sich dort gemütlich zu machen. Glücksgefühle kann demnach bei den Skandinaviern auch auslösen, wenn ihre Nachbarn aus Schweden in Sportwettkämpfen schlecht abschneiden. Und im Ernst? Wenn man die Menschen auf den Straßen in Norwegens Hauptstadt Oslo fragt, sind es die kleinen Alltagsfreuden, die die Wikinger-Nachfahren glücklich machen. „Gerade bin ich glücklich darüber, dass die Sonne zurückgekommen und der Frühling im Anmarsch ist“, sagt die 25-jährige Maiken Mikkelsen. „Mich macht es froh, wenn ich draußen in der Natur sein kann, und wenn ich mit meinem Freund zusammen bin.“Für den 71-jährigen Haakon Stauge ist es die Zeit mit seinen Kindern, die das Leben lebenswert macht.
Dahinter steckt mehr. Man könnte wohl sagen: Was die Norweger so glücklich macht, ist, dass die meisten keine großen Sorgen haben. „Wir sind ein reiches Land. Wir haben viele Ressourcen und zusätzlich ein hohes Einkommen“, sagt der Soziologe Anders Barstad vom norwegischen Statistikamt. „In Norwegen und den nordischen Ländern gibt es dazu sehr geringe Einkommensunterschiede. Wir haben wenig Armut und Arbeitslosigkeit.“
Wer Arbeit und eine gesunde Familie hat, nimmt sich eher als glücklich wahr oder sieht zumindest keinen Grund, es nicht zu sein. „Uns geht es gut hier in Norwegen, und ich bin so alt, dass ich das Leben zu schätzen weiß“, sagt die 64-jährige Eli Sandvig, die aus Haugesund stammt. „Für mich ist Glück, mit meinem kleinen Hund Elmo spazierengehen zu können.“ Glück ist mehr als Ökonomie Das gut ausgebaute Wohlfahrtssystem sorgt dafür, dass sich Skandinavier weniger Gedanken um ihre Zukunft machen müssen, meint Barstad. „Es gibt kleine Probleme am Horizont, aber ich glaube nicht, dass das die Menschen bekümmert.“Die Nordmänner vertrauen nicht nur den Behörden, der Polizei und der Justiz mehr als die Menschen in anderen Ländern, sondern auch einander. Mehr als 75 Prozent aller Norweger meinen, dass den meisten Menschen zu trauen ist.
Trotz der Dunkelheit im Norden sind laut Barstad nur wenige seiner Landsleute depressiv, auch Stress plagt die Skandinavier demnach kaum. Trübsinn sagen die Norweger eher den Finnen nach. Finnland landet allerdings immer noch auf Platz fünf (hinter der Schweiz), und auch Schweden schafft es noch in die Top Ten.
Für den am „Weltglückstag“veröffentlichten UN-Bericht haben Forscher der New Yorker Columbia University sowie internationale Experten 155 Länder untersucht und auch jeweils mehr als 3000 Menschen befragt. Kriterien sind unter anderem das Bruttoinlandsprodukt, die Lebenserwartung, geistige Gesundheit, die Selbstwahrnehmung der Einwohner, die Stärke des sozialen Umfelds, aber auch das Vertrauen in Regierung und Unternehmen sowie Arbeitslosigkeit. Der Report wurde in Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen erstmals 2012 veröffentlicht. Heute stehen vor allem Professor Jeffrey Sachs von der New Yorker Columbia University und eine Gruppe internationaler Experten dahinter. Ihnen zufolge hängt das Glücksempfinden der Menschen vor allem von den Faktoren Fürsorge, Freiheit, Großzügigkeit, Ehrlichkeit, Gesundheit, Einkommen und gute Regierungsführung ab.
Die Autoren des Reports warnen davor, Glück nur an ökonomischen Gesichtspunkten festzumachen. Der „Tyrannei des Bruttosozialprodukts“müsse ein tieferes Nachdenken über die Qualität von Wachstum entgegengesetzt werden. Rückgängige Glückswerte sieht die Studie trotz steigender Durchschnittseinkommen und eines wachsenden Bruttosozialprodukts etwa in den USA: Das Land richte seinen Blick zu sehr auf Wirtschaftszahlen, heißt es in dem Bericht. Abnehmende Solidarität, Korruption, Misstrauen und ethnische Gegensätze wiesen auf eine wachsende soziale Krise.