Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Journalisten leben in Mexiko gefährlich
Seit Beginn des Jahres wurden schon drei Medienvertreter ermordet
- Nirgends sind dieses Jahr so viele Journalisten getötet worden wie in Mexiko. Reporter, Redakteure und Fotografen werden bedroht und verprügelt, gefoltert und entführt und vor allem ermordet. Eine der formell größten Demokratien der Welt beklagt eine Zahl von getöteten Journalisten, wie es sie nur in Staaten mit kriegerischen Konflikten gibt.
Miroslava Breach verließ am vergangenen Donnerstag wie jeden Tag noch vor acht Uhr morgens ihr Haus in Chihuahua, um ihren Sohn zur Schule zu bringen. Als die Journalistin in ihr Auto steigen wollte, näherte sich ein Mann, zog eine Pistole und feuerte acht Schüsse auf die 54 Jahre alte Reporterin ab. Sie erlag ihren Verletzungen auf dem Weg ins Krankenhaus. Ihr Sohn blieb äußerlich unversehrt. Breach war seit 15 Jahren Korrespondentin der linksliberalen Tageszeitung „La Jornada“in Chihuahua. Der Bundesstaat, in dem auch die Stadt Ciudad Juárez liegt, ist einer der gewalttätigsten in ganz Mexiko. Die Journalistin war zuständig für die Berichterstattung über Drogenschmuggel und organisiertes Verbrechen.
Der Täter hinterließ am Tatort einen Zettel auf dem stand: „Por lengüona“. „Weil Du zu viel geredet hast“, sollte das heißen und ist ein klares Zeichen, dass vermutlich den Kartellen, die in der nordmexikanischen Stadt Chihuahua operieren, die jüngsten Artikel von Breach missfielen. In einer ihrer letzten Arbeiten beschrieb sie, wie eine Mafiaorganisation die Menschen aus einer Ureinwohner-Gegend in Chihuahua vertreibt, um dort Schlafmohn anbauen zu können.
Breach ist bereits die dritte ermordete Medienvertreterin in diesem Monat. Am 19. März war der Direktor des Portals „El Político“im Bundesstaat Veracruz getötet worden. Am 2. März ermordeten Unbekannte im Bundesstaat Guerrero den freien Reporter Cecilio Pineda.
Schon vergangenes Jahr war die Situation dramatisch. Annähernd jeder fünfte 2016 getötete Journalist war Mexikaner. Das Committee to Protect Journalists (CPJ) mit Sitz in New York beklagt in den vergangenen sechs Jahren 40 ermordete oder verschwundene Journalisten in Mexiko. Auftraggeber der Verbrechen sind Kartellbosse, aber auch Polizisten, Politiker und Gouverneure.
„Die Welle der Gewalt gegen Journalisten bedroht das Recht der Menschen auf Information und stellt die Demokratie in Mexiko infrage“, kritisierte CPJ-Sprecher Carlos Lauria angesichts des Mordes an Breach. Er rief die Regierung von Präsident Enrique Peña Nieto, dazu auf, Reporter besser zu schützen und mehr Anstrengungen zur Ergreifung der Täter zu unternehmen. Aber in Mexiko werden gerade einmal zwei von 100 Gewaltverbrechen aufgeklärt. Wer einen Mord begeht, hat beste Chancen, ungestraft davonzukommen.
Doch die Berichterstatter in Mexiko werden nicht nur an Leib und Leben bedroht. Vor allem die Drogenkartelle bestimmen auch darüber, was berichtet oder verschwiegen wird, wie der Autor und Reporter Javier Valdez in seinem Buch „Narcoperiodismo“(Aguilar, 2016) schreibt. „Narco“(Abkürzung für das Wort „Narcotráfico“, Drogenhandel) ist im Spanischen Chiffre für all das, was mit dem organisierten Verbrechen rund um den Rauschgifthandel zu tun hat. Immer wieder werde Reportern und Redakteuren die Ausübung ihrer Arbeit unmöglich gemacht, weil der Narco bestimmte Gebiete sperrt oder Berichte unterbindet, schreibt Valdez. Manchmal gäben Drogenbosse sogar die Linie eines Lokalblatts vor, indem sie Informationen kaufen oder Eigentümer bedrohen.