Schwäbische Zeitung (Laupheim)
KV-Bescheid: Keine Internisten-Sitze für Riedlingen
Nach Entscheidung der Kassenärztlichen Vereinigung steht Gesundheitszentrum vor dem Aus
(uno/ sz) - Die Umsetzung des Runde-Konzepts in Riedlingen hat einen herben Dämpfer erlitten: Der Zulassungsausschuss der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) hat am Dienstagabend in Reutlingen zwei zum Jahresende 2016 eingereichte Sonderbedarfsanträge zur Etablierung einer internistischen Praxis für den Bereich Innere Medizin für den Standort Riedlingen abgelehnt. Damit hat sich die Möglichkeit, in der Raumschaft Riedlingen die vakante ambulante internistische Versorgung zu besetzen – Stand jetzt – zerschlagen. Die Reaktionen von Landkreis, Sana, Bürgerinitiative und Stadt reichen von Enttäuschung bis Wut. „Wir sind erschüttert“, sagt Landrat Heiko Schmid. Jörißen: „Wir sind sehr enttäuscht“„Wir sind sehr enttäuscht darüber, dass die KV den Sonderbedarf für die internistische Versorgung der Raumschaft Riedlingen nicht gesehen hat“, sagt Beate Jörißen, Geschäftsführerin der Sana Kliniken Landkreis Biberach GmbH. Die Anträge für Innere Medizin, mit und ohne Schwerpunkt Kardiologie, waren von einem Team bestehend aus vier Internisten gestellt worden. Wie die beiden Antragsteller, Dr. Christiane Menz und Dr. Jochen Grill, berichten, habe die KV als Begründung angegeben, dass der Planungsbereich Donau-Iller mit einem Versorgungsgrad von 225 Prozent für die Niederlassung von Fachinternisten bereits überversorgt sei, es also mehr als doppelt so viele internistische Fachärzte gebe, wie eigentlich benötigt würden, und dass Patienten im Umkreis von 40 Kilometer demzufolge eine ausreichende fachärztliche Versorgung vorfinden würden. Dieser Entfernungsradius sei zumutbar, so die weitere Begründung der KV.
Die vier Mediziner, die die klinische Säule nach dem Konzept von Professor Runde für den Gesundheitsstandort Riedlingen in Kooperation mit der Klinik bilden wollen, sind bereits in den Sana Kliniken Landkreis Biberach beheimatet. Dr. Leonid Basovski und Dr. Holger Kohlhammer, beide Fachärzte für Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie, betreiben in den Sana Kliniken Biberach und Riedlingen bereits Praxen mit onkologischem Schwerpunkt. Komplettiert werden solle das Ärzte-Team durch die beiden Sana-Mediziner Dr. Christiane Menz, Fachärztin für Kardiologie und Innere Medizin, und Dr. Jochen Grill, Facharzt für Innere Medizin, Notfallmedizin.
Mit „Schrecken und Wut“hat der Landkreis die Nachricht von der ablehnenden Entscheidung der KV zur beantragten Etablierung einer internistischen Praxis in Riedlingen aufgenommen, wie es in einer Mitteilung heißt. „Wir können diese Entscheidung gar nicht richtig glauben, schon gar nicht nachvollziehen oder gar akzeptieren“, so Landrat Heiko Schmid in einer ersten Stellungnahme. Auf diesen Antrag seien viele Hoffnungen für die weitere erfolgreiche Umsetzung der Gesundheitsstrukturen am Standort Riedlingen begründet gewesen. Nach den zähen, letztlich erfolgreichen Verhandlungen mit dem Sozialminister sei dies nun eine weitere Hiobsbotschaft innerhalb weniger Wochen. „Für mich ist diese Nachricht ein Ausdruck von Ignoranz“, so Landrat Schmid; sie betreffe und strafe den gesamten ländlichen Raum. Es könne nicht sein und sei weltfremd, in die Versorgungserfüllung der Raumschaft Riedlingen sogar noch die ärztliche Versorgung in der Stadt Ulm hineinzurechnen.
„Diese weiten Wege mit 50 Kilometern bis nach Ulm sind niemandem und schon gar nicht kranken, alten oder gehandicapten Menschen zuzumuten“, so Schmid. Jeder wisse, wie lange man von Riedlingen nach Ulm brauche und wie lange man mittlerweile auf einen Termin bei einem Facharzt warten müsse. Außerdem beruhe diese Bedarfsberechnung der KV auf Datenmaterial aus dem Jahr 1992. Schmid erwartet von der Politik und den örtlichen Abgeordneten, dass sie sich unverzüglich dieses Dilemmas annehmen: „Die Zeit von Schönwetterreden ist vorbei, jetzt muss gehandelt werden“, so Schmid. Verwundert und verärgert „Ich bin sehr enttäuscht“, sagt auch Riedlingens Bürgermeister Marcus Schafft. Noch kenne er nicht die offizielle Begründung für die Entscheidung, doch das Argument der Überversorgung lässt er nicht gelten. Denn derzeit liegt diese Überversorgung in allen Kreisen in Baden-Württemberg bei Internisten zwischen 165 und 270 Prozent. In anderen Bereichen hat man damit eine Überversorgung zugelassen. Schafft zeigt sich auch über einen anderen Aspekt verwundert und verärgert: Bislang wurde von verschiedenen Seiten in Zweifel gezogen, ob sich stationäre Strukturen in Riedlingen halten. Doch mit dieser Entscheidung wird auch der Aufbau von ambulanten Strukturen verhindert. Dabei hatte etwa Sozialminister Manne Lucha in der Diskussion um das Riedlinger Gesundheitszentrum davon gesprochen, dass man ambulante Strukturen stärken wolle. KV: Keine Stellungnahme Die Kassenärztliche Vereinigung hüllte sich am Mittwoch in Schweigen. Sie wollte sich weder zur Entscheidung äußern noch diese kommentieren. Die Entscheidung sei in nicht-öffentlicher Sitzung gefallen. Dazu dürfe man keine Auskunft geben, so Pressesprecher Kai Sonntag. Gegen diese Entscheidung des Zulassungsausschusses, dem Vertreter der Ärzteschaft und der Krankenkassen angehören, kann nach Vorliegen der schriftlichen Begründung Widerspruch eingelegt werden. Über den wird dann ein weiteres Gremium, der Berufungsausschuss, entscheiden. Danach bliebe noch ein Gang zum Sozialgericht, so Sonntag.
Ob Dr. Menz und Dr. Grill Widerspruch einlegen werden, ist noch nicht sicher: „Wir wollen nun zunächst die schriftliche Begründung sowie den Beschluss der KV abwarten. Diese werden uns in den kommenden Wochen zugehen. Dann werden wir entscheiden, ob es unter Umständen sinnvoll sein könnte, Einspruch dagegen einzulegen.“Landrat Schmid geht dagegen davon aus, dass nach Vorliegen der Begründung Sana gegen diese KV-Entscheidung vorgehen wird. Dies will er auch in der Aufsichtsratssitzung kommende Woche deutlich machen. „Diese fatale Entscheidung kann nicht einfach hingenommen werden“, so der Landrat.
„Die Zeit von Schönwetterreden ist vorbei, jetzt muss gehandelt werden.“Landrat Heiko Schmid