Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Auf den Spuren des Retters für Hunderte Juden
Beim „Lämmle-Walk“stellte die Historikerin Cornelia Hecht die helfende Seite von Carl Lämmle heraus
– Carl Lämmle: Begründer der Universal-Filmstudios, Gründungsvater Hollywoods, einst ein so berühmter wie generöser Mann. So kennt jedes Kind in Laupheim den großen Sohn der Stadt. Die Historikerin Cornelia Hecht stellte bei ihrem „Lämmle-Walk“mit Lesern der „Schwäbischen Zeitung“eine weitere Seite des Filmproduzenten in den Vordergrund: die des Retters für Hunderte Juden aus der Region. Das war es auch, was viele der 15 Teilnehmer jeden Alters besonders interessierte. Da kam im Publikum auch der Vergleich mit Oskar Schindler auf, dem Hollywood für seine Rettungsaktionen sogar einen Kinofilm gewidmet hat.
„Wir versuchen alles, um dem großen Mann Carl Lämmle gerecht zu werden, und das ist nicht einfach.“So begrüßte Dr. Michael Niemitz als Leiter die Teilnehmer im Museum zur Geschichte von Christen und Juden. Die Einrichtung widmet Carl Lämmle eine Ausstellung, die im Juli erneuert wird. „Sie gehören zu den letzten, die die bisherige Ausstellung noch sehen können“, lud die Historikerin Cornelia Hecht in die abgedunkelten Räume, die dem Aufstieg und Wirken Lämmles als Filmstudio-Betreiber breiten Raum widmen. Danach ging es durch die Stadt zu jenen Orten und Häusern, die markant waren im Leben des großen Laupheimers.
Carl Lämmle, wie er 1884 mit 17 Jahren in die USA auswanderte, sich dort zunächst über Jahre mit Gelegenheitsjobs durchschlug, ehe er ein Kino kaufte, einen Filmverleih begründete und wegen der großen Nachfrage selbst anfing, Filme zu drehen. Noch bevor er 1912 die Universal-Studios gründete, so erklärte die Historikerin, war der Filmproduzent Lämmle ein reicher Mann. Und einer, der seine Heimatstadt nie vergessen hat. Weil er Laupheim mit großzügigen Spenden in schweren Zeiten stützte, bekam er 1919 die Ehrenbürgerwürde verliehen – aber bald wieder aberkannt. Seine antideutschen Propaganda-Filme im Ersten Weltkrieg wirkten nach. Als die Nazis an die Macht kamen und ihn bedrohten, verzichtete er auf weitere Besuche in Deutschland.
Aber als jüdisch geborener Deutscher mit amerikanischem Pass half er in den dreißiger Jahren 300 bedrängten Juden überwiegend aus Laupheim, in die USA auszuwandern, indem er für sie Bürgschaften übernahm. Als er nicht noch mehr Bürgschaften übernehmen dürfte, überzeugte er Freunde, weitere 150 Mal zu bürgen. Carl Lämmle litt unter der Not der Juden in Deutschland. Das bestätigen Briefe, erzählte die Historikern. Und vielleicht, so meinte sie, trug der Kummer dazu bei, dass Lämmle 1939, kurz nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, in Beverly Hills am Herzinfarkt starb.
Die Rolle als Retter interessierte besonders, ließ sich vielen Nachfragen aus dem Publikum entnehmen – „Wie er sich für andere eingesetzt hat“, faszinierte eine Besucherin. „Mich interessiert der Mensch“, erklärte der Diplom-Sportlehrer Ulrich Eberhardt, 64, als Teilnehmer der Führung. Für ihn sei Lämmle ein Mann vom Format eines Nelson Mandelas gewesen, dessen Geschichte er ergründen müsse. Als „eine Gelegenheit, weitere Anekdoten zu erfahren“, war die 17-jährige Jil Biffar dabei, die Jüngste in der Runde. Sie beschreibt Lämmle in einer Seminararbeit für ihre Schule in Ulm und ist sehr interessiert an seinen Wirken als unentwegter Helfer. Das möchte sie heraus stellen. Denn: „Alle kennen den Schindler. Aber keiner kennt mehr Carl Lämmle.“