Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Fachkräftemangel schweißt Firmen zusammen
IHK-Umfrage stellt Herausforderung für den Wirtschaftsstandort Ulm heraus
ULM - Viele junge Menschen in der Region starten heute eine Ausbildung. Einige sind unsicher, ob die Lehre die richtige Entscheidung war. Für sie dürfte das Ergebnis einer Umfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) Ulm erfreulich sein: Die Erhebung hat ergeben, dass Unternehmen in der Region den Mangel an beruflich qualifizierten Fachkräftemangel als größte Schwäche des Wirtschaftsstandorts Ulm empfinden.
Die Studie, die von der IHK Ulm in Zusammenarbeit mit einem Wirtschaftsforschungsinstitut durchgeführt wurde, fragte Unternehmen in der Region Ulm, Alb-Donau und Biberach, wie zufrieden sie mit dem Standort sind. Verschiedene Faktoren, wie die Breitbandversorgung oder das Image der Region wurden abgefragt. Dabei zeigte sich besonders in einem Punkt Handlungsbedarf: „Die Schwäche der Region ist, dass die Fachkräfte fehlen“, sagt Simon Pflüger, Referent für Standortpolitik bei der IHK Ulm.
Den Grund dafür sieht Otto Sälzle, Hauptgeschäftsführer der IHK Ulm, vor allem in einem Punkt: „Viel zu viele Menschen gehen in Richtung Akademie.“2014 erreichten in Bayern rund 46 Prozent der Schulabgänger die allgemeine und die Fachhochschulreife. Laut Statistischem Bundesamt waren es in Baden-Württemberg über 58 Prozent der Absolventen, die zum Studium zugelassen wurden. Sälzle ist der Überzeugung: „Im nächsten Jahrzehnt wird es mehr arbeitslose Akademiker als Fachkräfte geben.“Daher plädiert er für eine Lehre in Industrie, Handel und dem Dienstleistungsbereich. „Die Wege sind für die Auszubildenden offen“, sagt Sälzle. „Man kann ja auch nach der Ausbildung immer noch studieren.“
Neben dem Mangel an Fachkräften sehen die Unternehmen in der Region auch Handlungsbedarf bei anderen Standortfaktoren. Der Breitbandausbau ist an manchen Orten immer noch nicht fortgeschritten. Ein großes Hindernis für viele Betriebe, wie Sälzle weiß: „In Zeiten von Industrie 4.0 und der Digitalisierung in fast allen Lebensbereichen sind unsere Unternehmen auf zukunftsfähige Breitbandanschlüsse angewiesen.“
Betriebe kritisieren Wohnsituation
Seit der vorherigen IHK-Standortumfrage im Jahr 2012 hat sich insbesondere ein Faktor verschlechtert: die Wohnsituation. Für die Wirtschaft in der Region kein unerhebliches Problem, denn Fachkräfte lassen sich nur gewinnen, wenn auch genügend Wohnraum in der Umgebung zur Verfügung steht, wie Sälzle sagt. Der Hauptgeschäftsführer der IHK Ulm betont, dass es im Einzuggebiet insbesondere an leistbaren Wohnungen fehlt.
Die Ergebnisse der Studie, die alle fünf Jahre durchgeführt wird, zeigen aber auch: Insgesamt betrachtet, fühlen sich die Unternehmen in der Region wohl. Sie vergaben dem Wirtschaftsstandort die Note 2,0. Zudem würden acht von zehn Betrieben die Umgebung anderen Unternehmen empfehlen, sich hier niederzulassen.
Die IHK-Region Ulm kann vor allem bei sogenannten weichen Standortfaktoren punkten: So sind die Unternehmen insbesondere zufrieden, dass es die Stromversorgung gesichert ist, profitieren vom Image der Region und erfreuen sich an den vielfältigen Sport- und Freizeitmöglichkeiten für ihre Mitarbeiter.
Die Befragung geht zwar auf die subjektive Einschätzung von rund 1650 Betreiben in der Region zurück. Dies tut der Aussagekraft aber keinen Abbruch, wie Sälzle sagt: „Wirtschaft ist zu einem großen Teil auch Psychologie. Wir wollen mit der Erhebung die Stimmung bei den Unternehmen einfangen.“Für den Landkreis Neu-Ulm würden die Ergebnisse ähnlich ausfallen, ist er überzeugt.
Zugleich betont der Hauptgeschäftsführer der IHK Ulm, dass das schwäbische Gemüt auch einen Einfluss auf die Studienergebnisse hat. So könnte in wirtschaftlich schwächeren Regionen die Umfrage dennoch positiver ausfallen. Denn Sälzle ist der Ansicht: „Beim Schwaben gilt: Net g’schimpft ist g’lobt g’nug.“