Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Die schlimmsten Überschwemmungen seit Jahrzehnten
Südasien erlebt eine katastrophale Monsunzeit – Mehr als 2100 Menschen sind bislang ums Leben gekommen
KATHMANDU/DHAKA/NEU-DELHI (dpa) - Was einmal eine Straße war, ist nun ein Fluss. Aus dem Wasser ragen Hausdächer hervor. Ein Boot mit einer obdachlos gewordenen Familie an Bord gleitet vorbei. Diese Szene könnte sich in Houston abspielen. Die Dächer sind aber aus Stroh, das Boot ein Kanu und kein Motorboot, denn dies ist Südasien. Mehr als 2100 Menschen sind bislang in diesem Sommer bei Überschwemmungen ums Leben gekommen. Es gibt zwar jedes Jahr eine Monsunzeit, diesmal ist sie aber besonders verheerend. Und diese Ecke der Welt ist viel schlechter gerüstet als die USA, die Folgen zu bewältigen.
„Wir wurden mitten in der Nacht wach, als ein Fluss in der Nähe über die Ufer trat“, erzählt der Bauer Lekhnarth Khatri in dem nepalesischen Dorf Jhapa an der indischen Grenze. Die meisten Bewohner hätten sich in einer hochgelegenen Schule in Sicherheit gebracht. Es habe zwei Tage gedauert, bis Helfer Reis und Kochutensilien brachten. Von der Regierung sei nichts gekommen, so Khatri. „Wir haben unsere gesamte Reisernte verloren, und wir wissen nicht, wie wir ohne Hilfe über die Runden kommen sollen.“Das Haus sei unbewohnbar. Vor allem sei das Dorf immer noch größtenteils von der Außenwelt isoliert. „Unsere Kinder können nicht zur Schule gehen, weil die Fluten die Straßen weggeschwemmt haben.“
Teile Südasiens erleben nach Einschätzung des Roten Kreuzes die schlimmsten Überschwemmungen seit Jahrzehnten. Etwa 41 Millionen Menschen in Indien, Nepal und Bangladesch seien derzeit betroffen. Einige Dörfer seien noch komplett von der Außenwelt abgeschnitten.
Die Behörden hätten keinen Notfallplan gehabt, sagt der nepalesische Wasserwirtschaft-Experte Madhukar Upadhya in Kathmandu. „Das Ausmaß mag diesmal anders sein, aber das ist ein jährlich wiederkehrendes Ereignis.“Es fehle an Booten, um Gestrandete zu retten. „Die Katastrophe hat die schutzlosesten Menschen getroffen. Die Folgen werden Krankheit, Armut und Nahrungsknappheit sein. Und es wird bald wieder aus den Nachrichten verschwinden, und dann sind wir wieder am Anfang.“
In Bangladesch wurden nach offiziellen Angaben seit der zweiten Augustwoche rund 700 000 Häuser beschädigt und gut ein Zehntel davon komplett zerstört, ebenso 800 000 Hektar Anbaufläche. So schlimme Überschwemmungen habe das Land seit 1988 nicht mehr erlebt, als mehr als 1600 Menschen starben.
Die meisten Opfer hat Indien zu beklagen. Fast 1700 Todesfälle zählt das Land seit Beginn der Monsunzeit, die meisten im nordöstlichen Bundesstaat Bihar. Die Menschen hier seien Monsunregen zwar gewohnt, sagt Hanna Butler vom Roten Kreuz sagt, die dortHilfsgüter verteilt. „Die Heftigkeit dieses Jahr hat sie aber überrascht.“Schwer betroffen ist auch Mumbai, wo im südlichen Stadtteil Bhendi Bazaar ein fünfstöckiges Wohnhaus einstürzte. Dabei starben nach Angaben der Katastrophenschutzbehörde mindestens 22 Menschen.