Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Der Herr des Rings
Schläge und Show, das ist sein Geschäft: Christian Tscherpel ist hauptberuflich Wrestler
WEISSENHORN/NEU-UIM - Eine gebrochene Nase, gebrochene Rippen oder eine ausgekugelte Schulter – das alles konnte Christian Tscherpel nicht davon abhalten, in den Ring zu steigen. Der Weißenhorner hat einen außergewöhnlichen Beruf: Er ist professioneller Wrestler. Jedes Wochenende im Ring stehen. Jedes Wochenende gegen andere Gegner kämpfen. Jedes Wochenende Schmerzen und Verletzungen ertragen. Das gehört zu Tscherpels Arbeitsalltag.
Unter der Woche trainiert der Mann mit dem Dreitagebart, den breiten Schultern und den durchtrainierten Oberarmen angehende Wrestler. „Die Wochenenden sind fürs Kämpfen“, sagt er. Stundenlange Fahrten durch ganz Deutschland, in den Ring steigen, kämpfen und danach geht es gleich wieder nach Hause – so sieht ein typisches Wochenende für den 27-Jährigen aus.
Wieso lässt er sich freiwillig malträtieren? Tscherpels Leidenschaft begann schon früh. „Bereits als Kind habe ich mit meiner Mama Wrestling im Fernsehen geschaut.“Die Faszination für Show, Kampf und bekannte Vertreter des Sports wie Hulk Hogan, Eddie Guerrero oder Dwayne „The Rock“Johnson haben nie nachgelassen. Mit 18 Jahren fing er mit dem Kampfsport an. Seit 2010 trainiert der Weißenhorner in der Nürnberger „Pro Wrestling School“von Alex Wright. Er gilt als Legende in dem Geschäft. Wright ist der einzige Deutsche, der gegen Hogan antrat. Tscherpel ist seit zwei Jahren hauptberuflich Wrestler. Die Arbeit als Schreiner hat er dafür aufgegeben.
Tests auf
Können und ihre Präsenz
Dieses Jahr bekam der Weißenhorner die Chance, bei den sogenannten Worlds Wrestling Entertainment (WWE) „Tryouts“in London teilnehmen. Dabei werden an zwei Tagen Wrestler aus der ganzen Welt auf ihr Können und ihre Präsenz getestet – vor allem aber auf ihren Kämpferwillen. So sollen talentierte Sportler gefunden werden. Aus ganz Europa wurden dieses Jahr lediglich 22 Männer und zwei Frauen eingeladen. Tscherpel war einer davon: „Acht bis zehn Stunden haben wir an den beiden Tagen trainiert. Durchgehend. Die Pausen waren nur zum Trinken.“Wer bei diesen sogenannten „Tryouts“überzeugt, hat gute Chancen in eine der US-amerikanischen Wrestling-Ligen aufgenommen zu werden. Für Tscherpel ist das ein Lebenstraum. In Deutschland wird dem Sport kein hoher Stellenwert zugesprochen. Finden hierzulande nur jedes Wochenende Kämpfe statt – so gibt es in den USA oder England täglich Wrestling-Matches.
Nicht nur gegen andere Wrestler hat der 27-Jährige zu kämpfen – sondern auch gegen Vorurteile: Die Kämpfe seien abgekartet, heißt es oft. Es sei alles nur Show ohne sportlichen Anspruch dahinter. Aber er kontert: „Wrestling ist kein Fake. 95 Prozent ist Sport, fünf Prozent Show.“Hierzulande sei der Kampf härter als in den USA.
Mit einem Rückwärtssalto auf den Gegner springen
Dort überwiegt die Selbstdarstellung des Wrestlers und Show-Einlagen. Ganz ohne Rollenspiel geht es in Deutschland auch nicht. Mit seiner Schildmütze und dem Blouson erinnert Tscherpel an einen Hip-Hopper. Wenn er in seine Kampfklamotten schlüpft, sein Einlaufsong, ein aggressiver Rap, ertönt und er auf den Ring zugeht – dann verwandelt sich Tscherpel in TKO. Das Kürzel ist ein Fachbegriff aus dem Wrestling. Es bedeutet, dass der Gegner das Handtuch wirft. „Mein Trainer Alex Wright war der Überzeugung, dass man sich TKO gut merken und vor allem gut rufen kann“, sagt der Weißenhorner. Seine spezielle ShowEinlage: Tscherpel springt von oben mit einem Rückwärtssalto auf den Gegner. „Dafür liegt unter dem Ring eine Leiter.“
Nicht nur sein Gegenüber bekommt was ab. Tscherpel landete vor Kurzem in einem Haufen Reißnägel. „Mein ganzer Rücken war voll“, erzählt der 27-Jährige. Doch aufgeben oder gar einen Kampf mal absagen – das gehe nicht. „Mein Trainer sagte zu mir, es gibt genau zwei Gründe, weshalb man nicht kämpfen kann: Du hast den Fuß gebrochen oder bist tot.“Ansonsten würden Wrestler schnell den Ruf bekommen, sie sei eine „Memme“. Die Folge: Die Wrestlingagenturen würden sie nicht mehr buchen – die Karriere steht vor dem Aus.
Doch das ist bei TKO alias Christian Tscherpel nicht der Fall: „Ich kann mir vorstellen, dass ich in 20 Jahren noch immer im Ring stehe, wenn es die Gesundheit hergibt.“Vorerst hat er ein anderes Ziel: Nächstes Jahr will der Weißenhorner nach England ziehen. Zwei bis drei Kämpfe finden dort täglich statt. Wie sein Leben dann ausschaut, weiß er bereits: „Training, Kämpfen, Schlafen, Essen – und dann alles wieder von vorn.“Um sein Ziel zu erreichen, würde er sich das antun, denn: „Es gibt nichts Größeres für mich als Wrestling.“