Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Spanien stellt Separatisten ein Ultimatum
Lenkt der katalanische Regionalregierungschef Carles Puigdemont im Unabhängigkeitsstreit nicht ein, könnte die Entmachung drohen
MADRID - Das Kräftemessen zwischen der katalanischen Regionalregierung in Barcelona und der spanischen Zentralregierung in Madrid geht weiter. Am Mittwoch forderte Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy den katalanischen Ministerpräsidenten Carles Puigdemont ultimativ auf, Klarheit darüber zu schaffen, ob der illegale Unabhängigkeitsprozess fortgesetzt werde, oder ob Puigdemont wieder bereit sei, „die Legalität zu akzeptieren“. Diese formale Aufforderung ist die Vorbedingung zur zwangsweisen Entmachtung der Separatistenregierung, die mit der Aktivierung des Artikels 155 der spanischen Verfassung möglich ist.
Rajoys Ultimatum ist die Reaktion auf zwei Schachzüge Puigdemonts am Vorabend: Zunächst bekräftigte Puigdemont im katalanischen Parlament seinen Willen, die spanische Region Katalonien „in einen unabhängigen Staat in Form einer Republik“zu verwandeln. Aber zugleich schlug er vor, die konkrete Umsetzung der Abspaltung auszusetzen, um mit Spaniens Regierung über die Unabhängigkeit zu verhandeln. Zu einer formellen Abstimmung im Parlament in Barcelona kam es aber nicht.
Verwirrende Winkelzüge
Wenige Stunden später unterzeichneten jedoch Puigdemont und alle Abgeordneten seiner Separatistenfront, die im katalanischen Parlament mit 72 Mandaten die knappe Mehrheit hält, eine unmissverständliche Unabhängigkeitserklärung, in der es heißt: „Wir konstituieren die katalanische Republik, als unabhängigen und souveränen Staat.“Zudem wird versichert, dass der „verfassungsgebende Prozess“für eine katalanische Republik gestartet und ein Übergangsgesetz aktiviert wird, das die Übernahme aller staatlichen Kompetenzen in Katalonien regelt.
Die Separatisten hatten vor zwei Jahren bei der Regionalwahl mit 47,8 Prozent der Wählerstimmen die knappe absolute Mehrheit in der Kammer errungen. Eine klare Mehrheit der katalanischen Bevölkerung haben sie also demzufolge nicht hinter sich.
Haben Kataloniens Separatisten nun formell die Unabhängigkeit proklamiert oder nicht? Darüber rätselte am Mittwoch ganz Spanien. Die Analysten der spanischen TV-Sender debattierten in den Politikprogrammen stundenlang darüber, wie es nun im katalanischen Drama weitergehen werde. Offenbar strebe Puigdemont nun eine „Unabhängigkeit auf Raten“an, schrieb Spaniens größte Zeitung „El País“. Das Blatt befürchtet, dass das politische Chaos in Katalonien damit nur verlängert werde.
„Farce und Erpressung“, titelte die Konkurrenz „El Mundo“. Das Gesprächsangebot Puigdemonts an Spaniens Regierung sei nur eine Falle, um Madrid unter Druck zu setzen. „Die separatistischen Abgeordneten unterzeichneten eine Unabhängigkeitserklärung Stunden nach Puigdemonts Ankündigung, dass die Abspaltung ausgesetzt werde, um Verhandlungen zu beginnen.“Dieses Dialogangebot sei doch wohl kaum ernst zu nehmen, hieß es.
Verhandlungen über die Unabhängigkeit Kataloniens lehnt Rajoy ab: Schon vor der Rede Puigdemonts hatte der spanische Premier erklärt: „Wenn Puigdemont verhandeln oder Vermittler schicken will, weiß er, was er vorher tun muss: auf den Weg des Rechts zurückkehren.“In Spaniens Verfassung ist die Einheit der Nation verankert und keine Abspaltung einer Region vorgesehen. Vor einer regionalen Unabhängigkeit müsste die Verfassung geändert werden, wofür aber bisher keine politische Mehrheit in Sicht ist.