Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Wolfsrudel siedeln sich bis 2022 an
Viehhalter, Jäger und Naturschützer debattieren über Umgang mit dem Raubtier
STUTTGART (tja) - In spätestens fünf Jahren werden Wolfsrudel in Baden-Württemberg leben. Das sagte Rudi Suchant von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt des Landes am Donnerstag in Stuttgart. Bei der Anhörung äußerten sich Vertreter von Landwirten, Naturschützern und Jägern zur Frage, wie sich die Rückkehr des Wolfes auswirkt. Alle betonten: Es sei nicht zu verhindern, dass die Raubtiere Vieh erbeuteten. Seit 2015 sind in BadenWürttemberg fünf Wölfe beobachtet worden. In anderen Bundesländern, etwa Brandenburg, leben bereits Hunderte.
STUTTGART - Der Wolf kommt und er wird Weidetiere fressen: In diesen Punkten waren sich am Donnerstag alle Experten einig, die der Landtag zu einer Anhörung geladen hatte. Strittig bleibt, wie gut Zäune, Hunde oder andere Maßnahmen Herden schützen können.
Bislang gab es in Baden-Württemberg seit 2015 fünf Wolfssichtungen, Anfang Oktober riss eines der Raubtiere im Kreis Heilbronn erstmals drei Lämmer. Rudi Suchant von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt hält das erst für den Anfang: „Ich rechne damit, dass in fünf Jahren das erste Wolfsrudel im Land lebt.“
Vor zehn Jahren stand Brandenburg am selben Punkt wie BadenWürttemberg heute: Zum ersten Mal holte ein Wolf sich mehrere Schafe. Seitdem gab es dort 250 bestätigte Fälle, in denen Raubtiere Schafe, Rinder und zweimal auch Pferde rissen. „Die Dunkelziffer liegt nach unseren Schätzungen aber um das Zehnfache höher“, sagte Gregor Beyer vom Forum Natur Brandenburg. Darin haben sich Landwirte, Jäger und Grundeigentümer zusammengeschlossen. Als einer der Referenten schilderte er am Donnerstag im Stuttgarter Landtag die Erfahrungen in seiner Heimat mit den derzeit rund 400 Wölfen.
Landwirte fürchten Kosten
„Der Wolf ist nicht scheu. Er ist sichtbar und streift durch Berliner Vorgärten“, sagte Beyer. Zuletzt sei ein Tier vor einer Kita aufgetaucht. Er hole sich auch Schafe aus Ställen. Zäune, die wirksam schützten, müssten bis zu zwei Meter hoch und mit starkem Strom belegt sein. Absoluten Schutz gebe es nicht.
Solche Szenarien schrecken heimische Viehhalter. „Solche Zäune sind in Steillagen gar nicht zu erreichen“, sagte Anette Wohlfarth vom Schafzuchtverband. Sie warnte davor, dass viele Betriebe aufgeben würden, wenn sich der Wolf in Baden-Württemberg ausbreite. Auch Herdenschutzhunde seien keine gute Lösung. „Ein durchschnittlicher Züchter mit rund 500 Mutterschafen braucht für seine Schafe bis zu zwölf Hunde“, sagte Wohlfarth. Die Kosten für solche Schutzmaßnahmen seien nicht finanzierbar.
Zwar können Landwirte schon jetzt eine Entschädigung beantragen, wenn ihre Tiere von einem Wolf gerissen werden. Allerdings empfahl Andreas Krüß vom Bundesamt für Naturschutz: Geld vom Staat soll nur der Bauer bekommen, der ausreichend vorgesorgt habe – sprich: Zäune baue oder Hunde abrichte.
Michael Nödl vom Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverband hält das für völlig falsch. „Die Viehzüchter müssten Arbeit und Geld investieren, bevor sie eine Entschädigung bekommen.“Diese zusätzlichen Belastungen würden zahlreiche Familienbetriebe zum Aufgeben zwingen. Dabei leisteten Viehzüchter viel für den Landschaftsschutz: Ohne sie würden etwa im Schwarzwald oder auf der Schwäbischen Alb viele Flächen einfach zuwachsen.
Diese Meinung teilen Naturschützer wie Johannes Enssle vom Nabu. Er mahnt zur Besonnenheit und betonte, mit Zäunen und Hunden lasse sich viel erreichen: Dabei müsse das Land Viehzüchter mit Geld unterstützen. Auch Enssle ist allerdings der Ansicht, dass Wölfe keineswegs scheu sind – allenfalls vorsichtig und durchaus neugierig. Forderungen nach einem leichteren Abschuss von Wölfen erteilte er eine Absage. „Das ist populistisch“, sagte er in Richtung von Agrarminister Peter Hauk (CDU), der auch für die Jagd verantwortlich zeichnet. Das hatte ihm Proteste des grünen Koalitionspartners eingebracht.
Streng geschützt
Hauk macht sich dafür stark, den Wolf ins Jagdrecht zu übernehmen. Bislang unterliegt er nur dem Naturschutzrecht und der Zuständigkeit des Umweltministers Franz Untersteller (Grüne). Allerdings ist der Unterschied in der Praxis gering. Der Wolf ist streng geschützt. Sein Abschuss muss von der Naturschutzverwaltung genehmigt werden, auch im Jagdrecht.
Landesjägermeister Jörg Friedmann sieht dennoch Vorteile, das Raubtier im Jagdrecht zu führen. „Damit würden die Jäger miteinbezogen, sie hätten bestimmte Pflichten“, erklärt er. Damit müssten Jäger Wolfssichtungen ebenso melden wie Risse. Das könne künftig helfen, die Zahl der Tiere im Land genauer zu bestimmen.