Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Gewitterwolken über Jamaika
Wieder einmal gibt es unterschiedliche Ansichten darüber, was eigentlich vereinbart ist
BERLIN (dpa) - Auf dem Balkon der ehrwürdigen Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin lässt sich immer wieder mal begutachten, wie es bei Jamaika gerade läuft. Lassen sich die Unterhändler gemeinsam winkend fotografieren? Gucken die Raucher ernst oder entspannt? Am Donnerstag betritt FDP-Chef Christian Lindner diesen Balkon. Umarmt Alexander Dobrindt, CSU. Umarmt Armin Laschet, CDU. Umarmt nicht: Katrin Göring-Eckardt, Grüne. Immerhin: Sie lacht darüber. Das ist gar nicht so selbstverständlich.
Denn es geht vor allem ums Klima und um Asylpolitik. Zwei Themen, an denen die Sondierungen leicht scheitern könnten, wenn eine der vier Parteien auf stur schaltet. Um das zu vermeiden, wird erst mal übers Klima gesprochen – und zwar das interne. Der offene Streit vom Vortag darüber, was zur Finanzpolitik nun vereinbart sei und was nicht, wirkt nach.
Von einem „kleinen reinigenden Gewitter“sprechen Teilnehmerkreise. Kanzlerin Angela Merkel (im grünen Jackett) soll hinter verschlossenen Türen klargemacht haben, dass eben noch nichts vereinbart sei – auch nicht die Abschaffung des „Soli“bis 2021. Die hatte FDP-Vize Wolfgang Kubicki als abgemachte Sache verkauft. Das wiederum hatte die Grünen erzürnt – deren Verhandlungsfähigkeit dann FDP-Fraktionsgeschäftsführer Marco Buschmann infrage stellte.
Auch wenn solche Streitereien zum Sondierungsgeschäft gehören, weil niemand so wirken will, als gäbe es Schwarz-Gelb-Grün umsonst: Eine Spirale von Sticheleien und Anschuldigungen kann das Projekt gefährden. Das wissen alle Beteiligten, auch die Kanzlerin. Dass Kubicki feststellt, es fehle das „Grundvertrauen“zwischen den Parteien, ist daher ein echtes Problem. Allerdings wird gerade er sich auch den Schuh anziehen müssen, zumindest in der Öffentlichkeit nicht gerade vertrauensbildend aufzutreten.
Das gilt auch für Dobrindt, den CSU-Landesgruppenchef. Er hat für sich die Rolle des skeptischsten Jamaika-Verhandlers seiner Partei angenommen – und deutet in gewohnt provokanter Manier Minuten vor Gesprächsbeginn an, das deutsche Klimaschutz-Ziel für 2020 müsse auf den Prüfstand.
Diese letzte Spitze in Richtung Grüne ist allerdings ziemlich genau fünf Stunden später vom Tisch. Halbwegs. Nach zähem Hin und Her in teils barschem Ton – angeblich wird sogar mit Gesprächsabbruch gedroht – gelingt ein dürrer Minimalkonsens: Die verschiedenen Ziele für die Minderung zum Treibhausgas-Ausstoß bleiben gültig, sowohl die europäischen als auch die nationalen.
Sowieso heißt das Bekenntnis, dass die Klimaziele gelten, für sich genommen erst mal wenig. Diese Ziele gelten seit Jahren, ohne das Deutschland zuletzt seinen CO nennenswert senkte. 2020 allerdings kommt schon in dieser Legislaturperiode, daran wird die Regierung sich messen lassen müssen. Wie bis dahin der Ausstoß von Treibhausgasen um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken soll, bleibt offen.
Trotzdem verbuchen die Grünen die Mini-Einigung als Punktsieg. Ohne den hätte ihr Parteitag ohnehin kaum erlaubt, von der Sondierungsin die echte Verhandlungsphase überzugehen. Das wissen alle am Tisch.
Gut zwei Stunden später kommen die vier Generalsekretäre vor die Tür. Thema diesmal: Europa. Das Papier, das sie mitbringen, ist inhaltlich dünn. Im „Geist des Miteinanders“wolle man „mit allen Partnern“die EU weiter entwickeln. Alles andere – muss noch besprochen werden. Andreas Scheuer von der CSU stellt fest, dass man eigentlich schon um 11 Uhr hier stehen wollte. Es ist 17 Uhr. „Sie sehen, wir diskutieren intensiv, aber wir sind noch wach“, sagt sein CDU-Kollege Peter Tauber.
Auch nach stundenlangen Beratungen gab es bis zum Abend bei der Flüchtlingspolitik keinerlei Annäherungen, daher bleibe nur die Vertagung, hieß es übereinstimmend von mehreren Teilnehmern. Ein Abschluss werde für kommende Woche angestrebt.