Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Mahnerin
Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg – für viele ist das Geschichte. Es gibt immer weniger Menschen, die diese Zeit am eigenen Leib erfahren mussten. Charlotte Knobloch ist eine von ihnen. 1932 in eine jüdische Familie hineingeboren, prägten die Jahre des Schreckens und der Angst ihre Kindheit. Bis heute hält die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern die Erinnerung wach, damit so etwas nie wieder geschieht. Das einstige „Land der Mörder“ist für sie wieder zur geliebten Heimat geworden: „Ich bin ein Münchner Kindl – durch Geburt, daran kann ich nichts ändern.“Am Sonntag feiert die Demokratin ihren 85. Geburtstag.
1932 wurde sie als Charlotte Neuland geboren, in eine großbürgerliche, religiöse Familie. Ihr Vater war Rechtsanwalt in München. Die geborgene Kindheit währte nicht lange. „Von den Kindern, denen gesagt wurde, sie dürften nicht mehr mit mir spielen, bin ich als erstes diskriminiert worden“, erinnert sie sich. Als das Mädchen vier war, verließ ihre Mutter, eine konvertierte Jüdin, unter dem Druck der Nazis die Familie. Ein Schock, den die Großmutter väterlicherseits auffangen musste. Um seine Tochter vor der Deportation zu retten, brachte ihr Vater sie 1942 ins mittelfränkische Arberg zu Kreszentia Hummel, die die Familie von früher kannte. Sie gab das Mädchen als ihre uneheliche Tochter aus und rettete ihr so vermutlich das Leben. Nach dem Krieg zog Charlotte mit ihrem Vater nach München.
1951 heiratete sie – zunächst wollte das Paar auswandern. Dann kamen die Kinder und die Familie fing an, den Juden wieder einen Platz in der Gesellschaft zu verschaffen. Ihr Vater wurde Präsident der Münchner Kultusgemeinde, ein Amt, in dem sie ihm 1985 nachfolgte. Von 2006 bis 2010 war sie Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland. „Wir wussten, dass wir im Land der Mörder lebten, so wurde das damals genannt. Aber wir wissen auch, dass die Mörder heute nicht mehr die Möglichkeit haben, ihre Thesen zu verbreiten, sondern dass wir in einem freiheitlich-demokratischen Land leben.“(dpa)