Schwäbische Zeitung (Laupheim)
„Seite an Seite“zur Gänsehaut
TSV-Sportgruppe für Menschen mit geistiger Behinderung bereichert Sängerbund-Konzert
LAUPHEIM - Seit 30 Jahren gibt es beim TSV Laupheim eine Sportgruppe für Menschen mit geistiger Behinderung. Donnerstagabends wird im Hallenbad geschwommen und in der TSV-Halle geturnt. Die vergangenen sechs Übungsabende verliefen aber etwas anders als sonst: Nach 30-minütigem Sportprogramm wurde gesungen. Denn die Sportgruppe bildet beim Jahreskonzert des Sängerbunds Laupheim am heutigen Samstag im Kulturhaus den krönenden Abschluss.
So voll wie am vergangenen Donnerstag war der Turnraum beim Übungsabend noch nie: Rund 70 Menschen haben sich versammelt und singen mit Leibeskräften den Hit „Seite an Seite“von Christina Stürmer. Seite an Seite mit den Mitgliedern des Sängerbunds Laupheim wollen die geistig behinderten Sportler am Samstag die Herzen des Publikums erstürmen. „Wenn die Leute weinen, haben wir schon gewonnen“, sagt Dirigentin Claudia Litzbarski – und alle lachen. Die Aussichten, dass die Konzertbesucher am Samstagabend feuchte Augen bekommen, sind gut: Es ist berührend, mit welcher Leidenschaft sich alle Beteiligten ins Zeug legen. Ein helles Strahlen liegt in den Gesichtern, Hände werden in den Himmel gereckt und die Körper wiegen sich zum Rhythmus des Liedes hin und her. „Wir hatten alle eine Gänsehaut“, erzählt die Dirigentin hinterher.
„Das ist gelebte Integration“, freut sich Thomas Strobel, der Leiter des Sängerbundes. Er hatte die Idee, dem alljährlichen Konzert des gemischten und des offenen Chores heuer ein i-Tüpfelchen zu verleihen. „Meine Frau kam von einer Weihnachtsfeier
„Wenn die Leute weinen, haben wir schon gewonnen.“Claudia Litzbarski, Dirigentin des Chors der Behinderten-Sportgruppe, über den krönenden Konzertabschluss.
im Behindertenwohnheim zurück und war begeistert, wie toll die singen“, erzählt Strobel. Also ging er auf Cornelia Gensch zu, die Leiterin der Sportabteilung für behinderte Menschen im TSV Laupheim, und stieß bei ihr auf offene Ohren. „Sie war begeistert, zumal die Abteilung in diesem Jahr ja auch ihr 30-jähriges Bestehen feiert.“
Auch eine Dirigentin für die außergewöhnliche Gesangsgruppe war schnell gefunden: Claudia Litzbarski, Leiterin des Äpfinger Ensembles „Choragiert“, erklärte sich bereit. Und ist froh über diese Entscheidung. „Es macht riesig Spaß. Die Leute sind nicht nur mit Begeisterung dabei, sie können auch richtig singen. Viele haben sogar zu Hause die Youtube-Videos zu den Liedern geschaut und dabei den Text gelernt“, erzählt Litzbarski.
Auch Verbeugung wird geübt
Unterstützt werden sie von einer Handvoll Sängern von „Choragiert“und von Robert Mages an der Gitarre. Zwei Lieder – „Marmor, Stein und Eisen bricht“von Drafi Deutscher und „Life is Life“von Opus – werden die Behindertensportler sogar alleine singen, ehe das große Finale „Seite an Seite“mit den SängerbundChören folgt. Und vielleicht noch mehr. „Was machen wir, wenn alle klatschen?“, fragt Claudia Litzbarski am Ende der Probe. „Eine Zugabe!“, antwortet jemand zur allgemeinen Erheiterung. „Das stimmt zwar auch. Aber erst verneigen wir uns vor dem Publikum“, sagt die Chorleiterin und lässt auch die Verbeugung üben. Auch das klappt im zweiten Anlauf perfekt.
Nach einer Dreiviertelstunde ist die Generalprobe beendet. Das Konzert kann kommen. „Wir freuen uns alle sehr“, sagt Cornelia Gensch. Ein bisschen Kribbeln ist bei ihren Schützlingen allerdings schon zu spüren – kein Wunder, zwar haben sie schon diverse öffentliche Darbietungen als Sportgruppe hinter sich, aber einen Chorauftritt gab’s noch nie. Und schon gar nicht gemeinsam mit gestandenen Sängerinnen und Sängern. Doch Claudia Litzbarski ist nicht bange: „Wir brauchen uns nicht zu verstecken.“