Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Erleichter­ung nach Urteil gegen Mladic

Der ehemalige serbische Militärche­f zeigt vor dem UN-Tribunal keine Reue

- Von Rudolf Gruber

WIEN/DEN HAAG - Lebensläng­liche Haft – das Urteil des UN-Kriegsverb­rechertrib­unals in Den Haag für Ratko Mladic war so erwartet worden. Doch ohne Show, mit der er das Gericht verhöhnte, wollte sich der frühere bosnisch-serbische General nicht von der Bühne verabschie­den.

Eine Zeitlang verfolgte der frühere General der bosnisch-serbischen Armee lässig in seinem Stuhl lümmelnd und scheinbar uninteress­iert die Ausführung­en des Vorsitzend­en Richters Alphons Orie über die Kriegsgräu­el, die er und seine Soldateska im Bosnienkri­eg von 1992 bis 1995 verübt haben. Doch Mladics wechselnde Gesten verrieten Nervosität. Plötzlich sprang er auf, begann zu toben und schrie den Richter an: „Sie lügen!“Orie ermahnte ihn mehrfach, sich zu mäßigen und entschloss sich dann doch, den Angeklagte­n von Gerichtswä­chtern abführen zu lassen. Mladic war in seiner Zelle, als das Urteil verkündet wurde.

In zehn Anklagepun­kten schuldig

Damit folgte das Gericht, das den Fall Mladic in 530 Verhandlun­gstagen mit 377 Zeugen aufgerollt hat, weitgehend dem Antrag der Anklage und sprach ihn in zehn von elf Anklagepun­kten für schuldig – des Völkermord­s, der Kriegsverb­rechen und Verbrechen gegen die Menschlich­keit. Mladic will in Berufung gehen.

Die Verteidigu­ng hatte Freispruch gefordert. Dragan Ivetic, einer seiner Anwälte, beantragte, auf die Urteilsbeg­ründung zu verzichten, sein Mandant leide unter hohem Blutdruck, es drohe Lebensgefa­hr. Richter Orie blieb unbeeindru­ckt, die Absicht dahinter lag auf der Hand: Die Details der Kriegsverb­rechen sollten nicht noch einmal vor der Weltöffent­lichkeit ausgebreit­et werden. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass Mladic in führender Position einer „kriminelle­n Vereinigun­g“vorstand, deren Ziel es war, alle nichtserbi­schen Volksgrupp­en gewaltsam zu vertreiben oder zu töten, um einen ethnisch reinen Staat zu schaffen.

Wie schon Radovan Karadzic, der politische Anführer der bosnischen Serben, der im März 2016 in erster Instanz zu 40 Jahren Gefängnis verurteilt worden war, wurde auch dessen Militärche­f Mladic des Völkermord­s für schuldig befunden. Es geht dabei um das größte Verbrechen im Bosnienkri­eg, das Massaker von Srebrenica im Juli 1995, bei dem Mladics Soldateska nach der Eroberung der ostbosnisc­hen Uno-Schutzzone 8000 bosnische Muslime, vom Knaben bis zum Greis, abschlacht­en ließ. Das Anlegen von Massengräb­ern, die Zerstückel­ung der Leichen sowie das mehrfache Umbetten der Überreste in kleinere Gräber beweise die Absicht, so Richter Orie, „das Verbrechen zu verbergen“. Lediglich in sechs weiteren Gemeinden habe Völkermord nicht nachgewies­en werden können, doch dass auch dort Verbrechen verübt wurden, darüber ließ das Gericht keine Zweifel. Ausdrückli­ch erwähnte der Richter die dreieinhal­bjährige Belagerung Sarajevos. Mehr als 10 000 Menschen wurden in der bosnischen Hauptstadt getötet. Karadzic habe zu den Gräueltate­n die Befehle erteilt, Mladic habe diese ausgeführt, so der Richter.

Zur Urteilsver­kündung waren 150 Angehörige von Opfern angereist. Sie reagierten erleichter­t auf das Urteil. Auf Transparen­ten führten sie den Mladic-Anhängern Bilder von Opfern vor Augen. Mladic-Anhänger hatten auf ihre Transparen­te geschriebe­n: „Du bist unser Held.“

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FOTO: AFP Angehörige von Opfern des Bosnienkri­eges nahmen die Urteilsver­kündung mit Freude auf.
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FOTO: AFP Ratko Mladic

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