Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Angezählt ins Derby
Nach dem 1:2 (1:0) des BVB gegen Tottenham steht Trainer Peter Bosz mehr denn je unter Druck
DORTMUND (SID/dpa) - Am Mittwoch übernahm Hans-Joachim Watzke die Abteilung Attacke bei Borussia Dortmund. „Ich erwarte jetzt Mut, Entschlossenheit und Leidenschaft“, appellierte der Geschäftsführer des immer bedrohlicher schlingernden BVB vor dem zukunftsweisenden 173. Revierderby gegen den Erzrivalen Schalke 04 (Samstag, 15.30 Uhr/Sky). Wenn es tatsächlich so kommt – und die Dortmunder mal wieder ein Erfolgserlebnis feiern – dann ist vielleicht auch Trainer Peter Bosz noch zu retten.
Wer den Niederländer aber am Dienstag in den letzten Minuten seines 54. Geburtstags erlebte, benötigte schon viel Fantasie, um daran zu glauben. Gewohnt stoisch, aber ungewohnt offen kommentierte Bosz nach dem 1:2 (1:0) gegen Tottenham Hotspur in der Champions League die vertrackte Ausgangslage. „Ich weiß, es ist wichtig, dass wir gegen Schalke gewinnen – auch für meine Position. Wenn man bei einem großen Verein wie Dortmund Trainer ist und so lange nicht gewinnt, ist Druck da.“
Beim Versuch, die anhaltende Talfahrt der Borussia mit zuletzt nur einem Sieg in acht Spielen plausibel zu erklären, wirkte Bosz aber ähnlich hilflos wie seine Spieler zuvor auf dem Rasen. Selbst die Führung von Pierre-Emerick Aubameyang (31.), der seine Torflaute nach 507 Minuten beendete, ansonsten aber eine eher blasse Leistung ablieferte, verschaffte keine Sicherheit. Dilettantische Abwehrfehler brachte die Borussia um den erhofften Sieg. Harry Kane (49.) und der ehemalige BundesligaProfi Heung-Min Son (76.) nutzten diese Schwäche eiskalt aus. „Solche Tore dürfen nicht alle drei Tage passieren, das müssen wir souverän runterspielen“, klagte Spielgestalter Mario Götze.
„Sind Fans und der Stadt schuldig, diese drei Punkte zu holen“
Die Fans flohen lange vor dem Abpfiff zu Tausenden, es gab Pfiffe, nur ein verzweifeltes Häuflein auf der Südtribüne versuchte, an die Ehre der Spieler zu appellieren. Doch der Eindruck war, dass diese den Ernst der Lage teilweise verkennen. Kapitän Marcel Schmelzer beispielsweise hob die ordentliche erste Halbzeit mit dem Führungstor hervor, anstatt sich auf das Bild des Jammers nach der Pause zu konzentrieren.
Der Blick auf das Revierderby fiel realistischer aus. „Die Fans haben lange genug die Ruhe bewahrt. Wir sind ihnen und der Stadt schuldig, diese drei Punkte zu holen“, forderte Schmelzer, der den Trainer in Schutz nahm: „Es liegt an uns Spielern.“Und: „Die Mannschaft steht hinter ihm. Wir haben nicht ein großes, sondern viele kleine Probleme“, meinte er.
Bosz klammert sich an seine wahrscheinlich letzte Chance. „Ich glaube, dass das Derby das Beste ist, was uns passieren kann. Für mich ist das super. Da braucht der Trainer keinen Psychologen – nur das Spiel.“Er stellte fest, dass nach einem Sieg aus den vergangenen neun Pflichtspielen „die Angst in die Mannschaft gekommen ist“.
Woher plötzlich die Trendwende kommen soll? Dazu hatte Bosz selbst nichts zu sagen. Zu krachend war der Absturz von der Spitze der Bundesliga, zu blamabel das Auftreten in der Champions League. Dem BVB droht ein unrühmlicher Rekord: Noch nie hat es ein Verein mit nur zwei Punkten auf den dritten Gruppenplatz und damit in die eigentlich ungeliebte Europa-League-Zwischenrunde geschafft. Nun wäre das Erreichen dieser aber bereits ein Erfolg.
Doch das ist in den kommenden Tagen Nebensache. Die Dortmunder müssen es schaffen, sich irgendwie für das heiße Duell mit den in der Tabelle vorbeigezogenen und überdies äußerst selbstbewussten Schalkern zusammenzureißen. „Dann werden unsere Fans auch wie eine Wand hinter dem Team stehen“, sagte Watzke.
Geht es schief, wird es im Verein noch turbulenter werden. Am Sonntag um 11 Uhr muss sich der Geschäftsführer auf der Jahreshauptversammlung den Mitgliedern stellen, tags darauf den Aktionären. Bosz sagt zwar, er sehe „kein Endspiel“. Doch im Falle einer Niederlage dürfte Watzke das wohl ein wenig anders sehen.