Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Seehofer gewinnt Zeit
In Bayern könnte man jetzt getrost sagen: A Hund is er scho. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer hat klargemacht, dass er entscheidet, wann er wem welches Zepter übergibt – und dass ihn vollmundige Ankündigungen herzlich wenig interessieren, wenn es seine eigenen sind. Und so endete der Tag nicht mit einer halbwegs spektakulären Personalentscheidung, sondern mit dem Ergebnis, dass es demnächst eine Entscheidung geben wird. Eine nicht ganz neue Erkenntnis. Falls der bayerische Finanzminister Markus Söder bereits am Mittag, als ihn der Bayerische Rundfunk zum Ministerpräsidenten ausrief, Freibier für alle in Aussicht gestellt haben sollte, tat er dies verfrüht. Aber aufgeschoben ist bekanntlich nicht aufgehoben – und vieles deutet darauf hin, dass Horst Seehofer zumindest auf das Amt des Ministerpräsidenten demnächst verzichten muss.
Seehofer ist natürlich ein gewiefter Stratege, der es immer wieder geschafft hat, seine Gegner, mögen sie auch so schlau und rücksichtslos wie Söder sein, unter Kontrolle zu bringen. Aber er kennt die Spielregeln in seiner Partei. Sobald einem Vorsitzenden nicht mehr zugetraut wird, die absolute Mehrheit für die CSU zu holen, wird er vom Hof gejagt. Das war beim Kurzzeit-Ministerpräsidenten Günther Beckstein so, das war beim Langzeit-Ministerpräsidenten Edmund Stoiber so. Da kennt die CSU kein Pardon. Aber allzu großes Mitleid für Seehofer wäre deplatziert, denn bislang hat er von den Ränkespielen in der Partei meistens profitiert. Zudem ist ihm nicht fremd, was seinem Konkurrenten Söder nachgesagt wird: über Bande zu spielen, wenn es dem eigenen Machterhalt dient und dem Parteifreund schadet.
Womöglich haben die Geschehnisse in Berlin den Ablauf des Donnerstags in München beeinflusst. Vielleicht sind die Rivalen dadurch zur Erkenntnis gelangt, dass allzu große Halsstarrigkeit in der Politik zu nichts Gutem führt. Seehofer ist nicht daran gelegen, die Spaltung der CSU voranzutreiben. Und Söder weiß, dass ungeliebte Kronprinzen in der Gunst des Wahlvolks abstürzen, wenn sie zu Königsmördern werden.