Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Der Präsident bittet zum Gespräch
Frank-Walter Steinmeier versammelt Parteispitzen von CDU/CSU und SPD
BERLIN - Ab Donnerstagabend rollen die schweren Limousinen vor das Schlossportal im Berliner Tiergarten. Krisengipfel in Bellevue – der Bundespräsident bittet die Parteichefs von Union und SPD in seinen Amtssitz. Frank-Walter Steinmeier hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Chefs von SPD und CSU, Martin Schulz und Horst Seehofer, zum gemeinsamen Gespräch geladen. Steinmeier will die Weichen für eine Neuauflage der Großen Koalition stellen.
Rund 90 Minuten redet der Präsident mit seinen Gästen darüber, wie man die Hängepartie bei der Regierungsbildung mehr als zwei Monate nach der Bundestagswahl schnell beenden kann. Ziel sei es, dass die Parteichefs am Ende zu Sondierungen bereit seien, hieß es am Donnerstag. Es ist der Abschluss einer ganzen Reihe von Gesprächen mit Partei- und Fraktionsspitzen, den Präsidenten von Bundestag, Bundesrat und Bundesverfassungsgericht. CDU-Chefin Merkel hatte sich am Donnerstag zunächst mit CSU-Chef Seehofer getroffen, um eine gemeinsame Linie für das Gespräch beim Präsidenten abzusprechen.
Klar ist: Steinmeier wird die Rolle des Vermittlers wieder abgeben. Nach dem GroKo-Gipfel im Schloss sei es Sache der Parteivorsitzenden, weiter über eine mögliche Regierungsbildung zu beraten, heißt es aus dem Präsidialamt. Das Staatsoberhaupt will nicht die Rolle des Schiedsrichters übernehmen.
Kanzlerin Merkel hatte nach dem Scheitern der Jamaika-Beratungen Neuwahlen abgelehnt.
Sie setzt auf eine Koalition mit der SPD, soll aber intern auch eine Minderheitsregierung nicht ausgeschlossen haben. Anders Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). „Wir versuchen ernsthaft, mit den Sozialdemokraten eine stabile Regierung zu bilden, wenn die SPD dazu bereit ist“, sagte er. Erst wenn dies gescheitert sei, müsse man über andere Schritte nachdenken.
Parteichefs unter Druck
Merkel, Seehofer und Schulz – alle drei stehen unter Druck: Seehofers politische Zukunft ist ungewiss. Der Ruf nach seinem Rückzug wird in der Partei immer lauter. Am kommenden Montag will die CSU-Landtagsfraktion darüber entscheiden. Welche Rolle er bei der Regierungsbildung in Berlin künftig spielen wird, ist noch unklar. Auch in der CDU wird der Ruf nach Erneuerung laut, doch bleibt CDU-Chefin Merkel mangels Alternative weiter unangefochten im Amt.
Martin Schulz spürt mächtig Gegenwind in der Partei. Er muss seinen Kursschwenk in puncto Regierungsbeteiligung der Basis erklären und sich auf dem Bundesparteitag kommende Woche zur Wiederwahl stellen. Schulz hatte sich am Abend der Bundestagswahl auf die Oppositionsrolle festgelegt und noch am Tag nach dem Jamaika-Aus sein Nein zu einer Regierungsbeteiligung bekräftigt. Plötzlich gibt es ganz neue Allianzen, schreiten Jusos und CDU-Wirtschaftsrat Seite an Seite und machen mobil gegen eine Große Koalition. Steinmeier hatte vor knapp zwei Wochen nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen den Parteien ins Gewissen geredet, an die Vernunft appelliert und Neuwahlen indirekt eine Absage erteilt. Glaubt man den Demoskopen, hat der Präsident die Mehrheit der Deutschen auf seiner Seite. 61 Prozent sind laut einer Umfrage dafür, dass die SPD mit der Union über die Neuauflage einer Großen Koalition verhandelt. Neuwahlen wünschen sich vor allem Anhänger der Linkspartei und AfD.