Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Streit um Ökosiegel für Holz
FDP bezweifelt Sinn von doppeltem Qualitätszertifikat bei ForstBW – CDU hält sich zurück
RAVENSBURG - Heimisches Holz ist das Produkt einer nachhaltigen, ökologisch und sozial verantwortungsvollen Waldwirtschaft – für dieses Versprechen stehen im baden-württembergischen Staatsforst gleich zwei Qualitätssiegel. Doch ausgerechnet an dem Siegel mit den höchsten ökologischen Ansprüchen lässt ein interner Bericht aus dem benachbarten Hessen kein gutes Haar. Die FDP im Stuttgarter Landtag drängt auf ein Ende der Doppel-Zertifizierung.
Das Gütesiegel FSC gilt als strengstes vorhandenes Zertifikat für eine schonende Waldbewirtschaftung. Der größte Waldbesitzer Deutschlands, der dieses Siegel nutzt, ist das Land Baden-Württemberg: Seit 2014 lässt der Landesbetrieb ForstBW sein Holz nach FSC zertifizieren – zusätzlich zum konkurrierenden PEFC-Siegel. Die Doppel-Zertifizierung war von Grün-Rot eingeführt worden, die Regierung wollte einen Wandel in der traditionell schwarz dominierten Forstpolitik dokumentieren. Beim Wechsel zu Grün-Schwarz setzten die Grünen durch, dass das Holz von ForstBW weiterhin beiden Siegeln genügen soll. Zuständig ist nun aber der CDUMinister Peter Hauk.
Die Entstehungsgeschichte von FSC ist mit Umweltorganisationen wie Greenpeace und WWF verbunden. Umso erstaunlicher ist ein Bericht des Unternehmens HessenForst – als Landesbetrieb das hessische Pendant zu ForstBW. Die Hessen steigen seit 2014 nach und nach auf FSC-Zertifizierung um.
Bilanz soll verheerend sein
Glaubt man dem internen Schreiben des landeseigenen Forstbetriebs an das Umweltministerium in Wiesbaden, sind die Folgen verheerend. „Die durch die FSC-Zertifizierung verursachte Reduktion der jährlich nachhaltig nutzbaren Holzmenge im Staatswald verhindert die Einsparung von jährlich 63 000 Tonnen CO2 und verursacht globale Folgeschäden in einer Größenordnung von 21,42 Millionen Euro“, heißt es in dem Bericht, der der „Schwäbischen Zeitung“vorliegt. Auch die Artenvielfalt im Wald werde beeinträchtigt. Ganz abgesehen davon, dass dem Land Hessen Einnahmen von 8,1 Millionen Euro im Jahr entgehen und 135 Jobs wegfallen. Kurz: Das angeblich ökologisch wertvolle Siegel ist schlecht für Umwelt, Wirtschaft und Arbeitsplätze.
Die baden-württembergische FDP-Fraktion hat sich das heikle Zwei konkurrierende Siegel sollen potenziellen Kunden anzeigen, dass die Holzproduktion hohen Ansprüchen genügt. Die jeweiligen Organisationen hinter den Siegeln legen Bewirtschaftungsstandards fest – etwa zur Mischung der Baumarten und zur Verjüngung der Bestände, aber auch zum Einsatz von Maschinen und Arbeitsregelungen für Waldarbeiter. Ein Vergleich (Zahlen von Juni 2016):
PEFC (Programme for the Endorsment of Forest Certification Schemes)
Zentrale Beteiligte: Waldbesitzer, Holzwirtschaft
Besteht seit: 1999 – basiert auf Vereinbarungen europäischer Ministerkonferenzen zum Schutz der Wälder
Zertifiziert ForstBW seit: 2000 Jährliche Kosten für ForstBW: 54 555 Euro Zertifizierter Anteil an Waldfläche in Baden-Württemberg: 81 Prozent Kritik: große Nähe zur Forstwirtschaft; nicht jeder teilnehmende Betrieb wird tatsächlich geprüft (regionale Zertifizierung)
FSC
Besteht seit: 1993 – gegründet im Kampf gegen die Abholzug von Urwäldern
Zentrale Beteiligte: Greenpeace, WWF, Menschenrechtsgruppen, Gewerkschaften Zertifiziert ForstBW seit: 2014 Jährliche Kosten für ForstBW: 18 800 Euro für Zertifizierung plus 104 144 Euro an Verwaltungsaufwand (eine Vollzeitstelle) Zertifizierter Anteil an Waldfläche in Baden-Württemberg: 27 Prozent Kritik: hoher bürokratischer Aufwand; Siegel wurde im Ausland schon an Forstbetriebe vergeben, die Monokulturen anbauen oder Kahlschlag betreiben (ume)
(Forest Stewartship Council) Gutachten aus Hessen besorgt und Forstminister Hauk mit den Ergebnissen konfrontiert. Es handle sich um eine „fachlich fundierte Grundlage für die im schwarz-grünen Koalitionsvertrag angekündigte Evaluierung der beiden Zertifizierungssysteme“, heißt es in einem Antrag des FDP-Abgeordneten Friedrich Bullinger. Er schlägt vor, die Abschaffung des FSC-Siegels für ForstBW „ernsthaft als mögliche Handlungsoption zu prüfen“– wohl wissend, dass ein solcher Schritt Zoff in der Koalition bedeuten würde. Schließlich war die CDU, ganz im Gegensatz zu den Grünen, vor dem Regierungsantritt dem FSC-Siegel gar nicht wohlgesonnen.
Minister vermeidet Konfrontation
Doch die Union hält sich bedeckt. „Wir hätten das FSC-Siegel nicht zwingend gebraucht“, sagt zwar ihr forstpolitischer Sprecher Patrick Rapp. Zunächst müsse aber die Evaluation abgewartet werden. Die sei „frühestens für 2019 angesetzt“, teilt Forstminister Hauk mit, der sich im Übrigen zum Thema zurückhält: Man habe das Gutachten aus Hessen nicht erhalten, könne also auch nichts dazu sagen.
Die Antworten, die FDP-Mann Bullinger aus Hauks Ministerium bekommen hat, deuten ebenfalls nicht darauf hin, dass der Forstminister in dieser Frage Streit mit dem Koalitionspartner sucht. Zur Frage möglicher negativer Auswirkungen auf das Klima heißt es schlicht: „Die Beibehaltung des FSC-Standards hat keine Auswirkungen auf die CO2-Vermeidung durch den Staatswald“– exakt das Gegenteil der Einschätzung aus Hessen also.
Ohnehin weckt das Schreiben von HessenForst bei manch einem Leser Zweifel. „Die haben sich selbst evaluiert, das geht schon mal gar nicht“, sagt der forstpolitische Sprecher der Grünen im Stuttgarter Landtag, Reinhold Pix. Auch anderweitig ist von Unstimmigkeiten zu hören. So sträube sich die hessische Forstverwaltung gegen die vom eigenen Ministerium verordnete FSC-Zertifizierung; die Rede ist von einem „merkwürdigen Eigenleben“des Landesbetriebes. Auch in Hessen war die Einführung eines FSC-Siegels Ergebnis eines Koalitionswechsels: Seit 2014 regiert die CDU mit den Grünen, die Ökopartei stellt auch die für die Forstpolitik zuständige Ministerin Priska Hinz. Zuvor war das Ressort lange CDU-geführt. Hinz dürfte über das Papier aus der eigenen Verwaltung wenig erbaut gewesen sein. Sie hat jetzt eine zweite Untersuchung in Auftrag gegeben – von externen Gutachtern.