Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Einer wird Chef
Vier Kandidaten wollen Jeroen Dijsselbloem als Chef der Eurogruppe beerben
BRÜSSEL - Bis vor wenigen Jahren fand die Eurogruppe als politisches Organ kaum Beachtung. Spätestens in der Finanzkrise änderte sich das, und ihr Chef steht seither deutlich mehr im Fokus der Öffentlichkeit. Jeroen Dijsselbloem wurde 2013 als frisch gebackener niederländischer Finanzminister eher aus Proporzdenn aus Kompetenzerwägungen ausgewählt und leistete sich zunächst einige Patzer und Unsicherheiten. Er wuchs rasch an seiner Aufgabe und wird im Januar wohl mit viel Applaus aus dem Amt scheiden.
Sein Nachfolger oder seine Nachfolgerin soll am Montag beim Treffen der Eurofinanzminister gekürt werden. Zum ersten Mal wird nicht im Vorfeld ein Kompromisskandidat ausgekungelt, sondern es gibt eine geheime Wahl, bei der sich am Ende mindestens zehn der 19 Eurominister auf eine Person einigen müssen. Sie können unter vier interessanten Bewerbern wählen. Lediglich Außenseiterchancen werden der lettischen Finanzministerin Dana ReiznieceOzola eingeräumt. Ihr Land führte den Euro erst im Juli 2013 ein, wenige Monate nachdem Dijsselbloem Eurogruppenchef geworden war. Als Mitglied der grünen Bauernpartei kann sie in den übrigen EU-Regierungen nicht auf parteipolitische Unterstützung zählen.
Das wäre bei dem slowakischen Sozialisten Peter Kazimir oder seinem portugiesischen Parteifreund Mario Centeno anders. Lautstark verlangen die Sozialisten, nach Dijsselbloem wieder einen Politiker aus ihren Reihen zu benennen. Denn, so lautet die Proporzlogik, mit Donald Tusk und Jean-Claude Juncker bekleiden bereits zwei Konservative die wichtigsten EU-Ämter. Vierter Bewerber ist der Luxemburger Liberale Pierre Gramegna. Der Ruf seines Landes, sich gegenüber großen Unternehmen sehr entgegenkommend in Steuerfragen zu zeigen, schadet seinen Ambitionen. Spätestens die Panama-Papers haben die Öffentlichkeit für das Problem sensibilisiert. Außerdem gilt das Miniland Luxemburg, das den Kommissionspräsidenten stellt und wichtige Institutionen beherbergt, bereits als überproportional gut in der EU vertreten.
In der letzten Wahlrunde dürften sich also Kazimir und Centeno gegenüberstehen. Für Letzteren spricht, dass sein Land sich gerade aus eigener Kraft aus der Pleitezone zurück in die schwarzen Zahlen gearbeitet hat. Portugal ist sozusagen das Paradebeispiel dafür, dass die strikte Sparpolitik verbunden mit Strukturreformen sehr wohl eine wirksame Medizin gegen Rezession sein kann. Der frühere Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der vor fünf Jahren nur deshalb nicht Eurogruppenchef wurde, weil Deutschland als größter Nettozahler ohnehin ein Schwergewicht in der Runde der Eurofinanzminister ist, fand großes Lob für Centeno. In Anspielung auf den Weltfußballer aus Portugal lobte er ihn als „Ronaldo der Eurogruppe“.
Da Schäuble gegenüber den Schuldenländern, allen voran Griechenland, stets auf einem strikten Sparkurs und konsequenten Reformen beharrte, ist er nicht überall beliebt. Es wird sich also zeigen, ob das Lob des in ganz Europa bekannten Badeners Centeno eher zum Nachteil oder zum Vorteil gereicht. Montagnachmittag soll das Ergebnis feststehen.