Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Zwischen Alltagspflicht und Wahlkampfkür
Ingo Bergmann sucht und findet auf dem Laupheimer Wochenmarkt außer Obst und Gemüse auch manches Gespräch
LAUPHEIM - Eine zentrale Rolle hat für den OB-Kandidaten Ingo Bergmann der Laupheimer Marktplatz vor allem in der ersten Phase seines Wahlkampfs gespielt. „Man kommt hier schnell ins Gespräch“, sagt er.
Leise rieselt der Schnee, während sich ein Mann mittleren Alters über die Adventskränze auf dem Laupheimer Wochenmarkt beugt und etwas in sein Handy tippt. Er sieht aus wie ein ganz gewöhnlicher Marktbesucher – und als solcher fühlt sich Ingo Bergmann im Grunde auch. „Ich habe von meiner Frau den Auftrag, Obst, Gemüse und Brot zu kaufen. Und jetzt will sich sie fragen, ob auch etwas Adventsschmuck recht wäre“, erklärt er dem SZRedakteur. Warum die Wahlkampfkür nicht mit der Alltagspflicht verknüpfen, denkt sich der Kandidat auf den Laupheimer Oberbürgermeisterposten. Und da kommt es ihm ganz gelegen, dass er – wie bei all seinen Marktbesuchen – keinen Infostand aufgebaut hat und deshalb in aller Ruhe die Marktstände begutachten kann.
„Ich habe bewusst keinen eigenen Stand. Ich laufe lieber rum und gehe gerne zu den Leuten hin“, sagt er. Dann blickt er etwas missmutig gen Himmel, von wo sich die Schneeflocken auf seinem Lockenhaupt niederlassen. Bei allem Sinn für Winterwetter-Romantik – ein bisschen frisch ist’s halt um die Ohren. „Aber wenn ich eine Mütze trage, erkennen mich die Leute nicht.“
Sagt’s, und als er am Gemüsestand um die Ecke biegt, sagt eine Verkäuferin: „Der würde mir gefallen.“„Vorsicht, ich habe einen Ehering“, erwidert Ingo Bergmann lächelnd. Schnell erklärt die Frau, wie sie das gemeint hatte: „Er würde mir als OB gefallen, weil ich finde, dass Laupheim mal ein jüngeres Gesicht gut täte.“39 ist Bergmann am 28. November geworden, und damit 14 Jahre jünger als Konkurrent Rechle. Über den sagt die Verkäuferin: „Er hätte sich schon vor acht Jahren bewerben sollen.“Und zwar weniger, weil er da erst 45 gewesen wäre, sondern dem aktuellen OB Kapellen vielleicht den Chefsessel weggeschnappt hätte. Der Amtsinhaber, findet die Frau, habe sich nämlich selten in der Stadt blicken lassen, „und auf dem Markt schon gar nicht. Frau Sitter (Kapellens Vorgängerin, die Red.) war dagegen regelmäßig hier“.
Auch Ingo Bergmann hat, zumindest während des OB-Wahlkampfs, den Markt als eine seiner LieblingsLocations auserkoren. „Die Menschen sind sehr offen und sehr interessiert“, umschreibt er seine Erfahrung aus etwa einem halben Dutzend Besuchen. „Und ich bin überrascht, wie schnell es ging, dass mich die Leute erkannt haben und auf mich zugekommen sind. Man kommt dann auch recht schnell ins Gespräch.“
Länge und Inhalt sind ganz unterschiedlich. „Für uns in Laupheim ist Bergmann ja ein toller Name“, ruft eine Frau im Vorbeiradeln dem Kandidaten zu. Ein bisschen tiefer geht der Informationsaustausch mit der kleinen Gruppe, die darüber diskutiert, wann die offizielle Kandidatenvorstellung stattfindet. Ingo Bergmann antwortet und fragt die Leute, wo sie denn – lokalpolitisch betrachtet – der Schuh drückt. Sie vermissen „ein Verkehrskonzept“. Dieses und andere Themen werden ein paar Minuten lang im klassischen Marktgespräch verkartet. „Die Themen wiederholen sich“, sagt Bergmann später im SZ-Gespräch, „Verkehr, Parken, ÖPNV, Wohnen, Senioren.“
Mehr schwätzen, weniger werben
Eine ältere Dame fragt vorsichtig den SZ-Redakteur: „Isch dees dr OBKandidat?“– „Ja, er isch’s.“Sogleicht geht sie auf ihn zu und fragt: „Sie, wo sind Ihre Flyer?“Bergmann lächelt, reicht ihr einen Flyer und sagt: „Wisset se, i schwätz lieber mit de Leit, it so viel Werbung.“Und dann schwätzen die beiden über Probleme der Senioren in Laupheim. Die Frau wünscht sich ein Bürgerbüro im Rathaus, in dem zum Beispiel älteren Mitbürgern beim Fahrkartenkauf geholfen wird. „Genau diesen Vorschlag lesen Sie morgen von mir in der Schwäbischen Zeitung“, freut sich Bergmann über die Schwester im Geiste.
„Was macht ihr mit Leuten, die bauen wollen?“, möchte der Gemüseverkäufer wissen. Bergmann erläutert ihm in aller Kürze sein Konzept der aktiven städtischen Grundstückspolitik. Der Fragesteller schaut, als ob ihm jemand den Unterschied zwischen einer Gurke und einer Zucchini erklärt hätte. Aber schön, dass darüber gesprochen wurde.
Dann schnappt Ingo Bergmann seine Einkaufstüte, die er inzwischen mit Obst und Gemüse gefüllt hat, und verabschiedet sich. „Ich gehe noch beim Bäcker vorbei und fahre dann nach Hause“, sagt er. Und der Adventsschmuck? „Ich habe meine Frau nicht erreicht, und ohne ihr Plazet kaufe ich sowas nicht.“