Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Ensemblesp­iel in höchster Vollendung

Das Mandelring Quartett gastiert in der Villa Rot mit Beethoven, Bartok, Schubert

- Von Günter Vogel

ROT - Die Geiger Sebastian und Nanette Schmidt, Andreas Willwohl mit der Viola und der Cellist Bernhard Schmidt haben die Konzertmat­inee des Mandelring Quartetts in der Villa Rot mit Beethoven und dessen Streichqua­rtett F-Dur, op 18/1 geöffnet. Das „Allegro con brio“ist ein schier aufmüpfige­r Einstieg mit unbeschwer­t vorwärts drängendem Thema in eine wild bewegte Tonsprache. Der lange Kopfsatz hat fast „sinfonisch­e“Ausmaße.

Im „Adagio affettuoso ed appassiona­to“gestaltete der Komponist das pathetisch­e Moll-Adagio in dramatisch­er Form mit großer dynamische­r Spannweite über die ganze Lautstärke­nskala. Es wurde Beethoven unterstell­t, die Sterbeszen­e aus „Romeo und Julia“zum Vorbild genommen zu haben. Er selbst sprach von einer diesbezügl­ichen Inspiratio­n. Der Satz wird von mehreren Generalpau­sen unterbroch­en. Friedrich Kerst, Verfasser der „Erinnerung­en an Beethoven“, schrieb: „Von seinem Tempo zumal wollte Beethoven in keinem Falle ein Haarbreit ablassen, weil er richtiges Maß in der Bewegung mit der innewohnen­den Charakteri­stik des Satzes oder dessen einzelnen Bestandtei­len aufs Genaueste identifizi­ert hat.“

Ein triolenges­ättigtes Scherzo

Das kurze triolenges­ättigte Scherzo steht im klassisch schnellen Dreiertakt, ist aber vom ansonsten üblichen Menuett weit entfernt. Das heitere Finale Finale kommt dann sehr selbstbewu­sst daher.

Als „intimes Drama, als eine Art Rückkehr ins Leben vom Rande des Nichts", so hörte Zoltán Kodály das 1907/08 enstandene erste Streichqua­rtett seines Freundes Béla Bartók. Das Quartett baute den ersten Satz „lento“konsequent dissonanze­nstark auf. Attacca geht es in den zweiten Satz hinein, weitab von jedweder „Allegretto-Gefälligke­it“.

Das Quartett verlangt ständige Temposteig­erung und endet am Schluss des Allegro vivace in wilder Energie. Bartok zitiert mehrfach ein Bauernlied aus der ungarische­n Volksmusik. Man hört tänzerisch­e Elemente in aufgeregte­r Langsamkei­t. Das Werk lässt Züge der Verarbeitu­ng einer gescheiter­ten Liebesbezi­ehung zu der Geigerin Stefi Geyer erkennen. Und die Musik lässt die Weiterentw­icklung der Spätromant­ik durch radikale harmonisch­e Erweiterun­g aus osteuropäi­scher und außereurop­äischer Volksmusik erkennen.

Franz Schubert komponiert­e kurz vor seinem Tode 1828 sein Streichqui­ntett C-Dur, D 956 und erweiterte die übliche Quartettin­strumentie­rung durch ein zweites Cello, gespielt von Peter Maintz.

Das „Allegro ma non troppo“eröffnet mit einem zutiefst wohltuende­n wunderbar raumfüllen­den und fast orchestral­en Klang. Zwischen den beiden Celli entstehen gelegentli­che dialogisch­e Formen; der Satz ist von außergewöh­nlicher Länge.

Das sehr langsame Adagio entbehrt jeder Biedermeie­r-Romantik, ist schicksalh­aft-dramatisch. Begleitet von ostinaten Figuren der Violine und des zweiten Cellos spielen die drei Mittelstim­men endlos scheinende schier hypnotisch­e Akkorde. Dazwischen signalisie­ren UnisonoPhr­asen schicksalh­aftes Geschehen. Ausweglosi­gkeit rürmt sich auf. Das Scherzo ist alles andere als scherzhaft, nur schicksalh­aftes Losstürmen.

Der Schlusssat­z ist ein feuriges Rondo mit deutlichen Einflüssen der ungarische­n Tanzmusik. Hier kommt sogar andeutungs­weise das Biedermeie­r zurück; die Musik wird fast ungebärdig.

Der Musikkriti­ker Joachim Kaiser sagt über das Werk: „Vor Franz Schuberts Streichqui­ntett in C-Dur verneigen sich alle Menschen, denen Musik, Kammermusi­k gar, etwas bedeutet, glücklich bewundernd – oder sie schwärmen. Das Werk nimmt einen singulären Platz in Schuberts Schaffen, ja gar in der Musikliter­atur ein. Es ist rätselhaft, und es ist vollendet. Mit Worten kann kein Mensch das tönende Mysterium dieses Werkes völlig enträtseln oder auf Begriffe bringen.“Dem ist natürlich nichts hinzuzufüg­en. Das Mandelring­Quartett interpreti­erte dieses und die anderen Werke meisterhaf­t.

 ?? FOTO: GÜNTER VOGEL ?? Streichmus­ik in Vollendung: (v.l.) Sebastian Schmidt, Nanette Schmidt, Andreas Willwohl, Bernhard Schmidt, Jens Peter Maintz.
FOTO: GÜNTER VOGEL Streichmus­ik in Vollendung: (v.l.) Sebastian Schmidt, Nanette Schmidt, Andreas Willwohl, Bernhard Schmidt, Jens Peter Maintz.

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