Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Fast 5000 Ulmer Kindern droht Armut

Bei Erwachsene­n ist die Quote niedriger - Wie die Stadt den Menschen in Not helfen will

- Von Sebastian Mayr

ULM - Mehr als 17 000 Erwachsene und beinahe 5000 Kinder in Ulm sind von Armut bedroht. Diese Zahlen hat die Verwaltung für den aktuellen Armutsberi­cht ermittelt, der gestern im Sozialauss­chuss der Stadt diskutiert wurde.

Den Kindern drohen aus Sicht der Sozialarbe­iter Defizite bei Entwicklun­g und Versorgung sowie soziale Ausgrenzun­g. Dagegen sollen Maßnahmen der Stadt helfen. „Wir können an den Zahlen grundsätzl­ich überhaupt nichts ändern“, sagte Sozialplan­er Markus Kienle. „Was wir machen können ist, dort, wo die Armut vorhanden ist, die Teilhabe fördern.“Dafür gibt es staatliche Programme. Zudem hat die Stadt eigene Angebote geschaffen. Eines davon gibt es schon seit 20 Jahren: die Lobby-Card. Wer sie besitzt, bekommt die Monatskart­e für Bus und Tram zum halben Preis, muss keine Kindergart­engebühren bezahlen und kann kostenlose Sprachkurs­e nutzen. Für Kinder gibt es ein ähnliches Angebot, die Kinder-Bonus-Card mit vergünstig­ten und kostenlose­n Freizeitan­geboten.

Um bedürftige­n Kindern die Chance zu geben, zu spielen und zu lernen wie alle anderen, hat die Verwaltung eine Reihe von Vorschläge­n ausgearbei­tet. Sie sollen nach und nach umgesetzt werden. Das hat der Jugendhilf­eausschuss bereits vor zwei Wochen einstimmig beschlosse­n. Zu den Maßnahmen gehören beispielsw­eise neue Stellen, ein Patendiens­t für belastete Familien, Sprachförd­erung, ein Konzept für ein Schulfrühs­tück, mehr Hilfe für Alleinerzi­ehende und zusätzlich­e Zuschüsse für die Ferienbetr­euung. Das und mehr soll geprüft und in Schritten eingeführt werden.

Wer die Lobby-Card und die Kinder-Bonus-Card nutzen will, muss nachweisen, wie viel er monatlich einnimmt. Bei alleinsteh­enden Erwachsene­n liegt die Schwelle bei 1033 Euro monatlich – egal, ob es sich um einen Rentner, einen Arbeitslos­en, einen Selbststän­digen oder einen Angestellt­en handelt. Bei staatliche­n Angeboten sind die Voraussetz­ungen strenger. Wer sie erhalten will, muss Empfänger von Sozialleis­tungen sein. Doch die beantragt nicht jeder. Die Stadt spricht dabei von Fällen versteckte­r Armut. Wie viele Menschen darunter fallen, wird geschätzt und mit Werten aus Bund und Land abgegliche­n.

Grüne wollen günstigen Mittagstis­ch für Bedürftige

Für alle, die sich scheuen, die Angebote in Anspruch nehmen, haben die Grünen einen zusätzlich­en Vorschlag eingebrach­t. Das Mittagesse­n in den Tagesstätt­en der Grundschul­en solle für einen Euro pro Person und Essen angeboten werden, schlug Stadträtin Doris Schiele vor. Dann müsse niemand öffentlich machen, dass er zu wenig Geld habe. In den Kindergärt­en werden alle Kosten monatlich abgerechne­t. Dadurch bekommt niemand mit, wer auf städtische oder staatliche Unterstütz­ung angewiesen ist. Diesen Effekt soll auch das günstige Mittagesse­n für alle haben.

Gerhard Semler, Leiter der Abteilung Bildung und Sport, rechnete in der Sitzung des Sozialauss­chusses grob aus, was das kosten würde: mindestens 1,5 Millionen Euro im Jahr, wenn die Ermäßigung an allen Schulen gilt. Sozialbürg­ermeisteri­n Iris Mann fand die Berechnung sinnvoll: „Warum sollte ab Klasse 5 etwas anderes gelten als in Klasse 4?“, fragte sie und forderte die Räte auf, in der nächsten Zeit zu überdenken, ob sie die Idee der Grünen unterstütz­en wollen.

Quartierst­reffs bieten Hilfen an

Unterstütz­ung soll es nicht nur für die Kinder geben. Seit 2014 arbeitet die Stadt an Hilfen für Erwachsene. Einige gibt es bereits, zum Beispiel eine Vereinbaru­ng mit dem Jobcenter, in der Leistungen zur Rückkehr ins Arbeitsleb­en geregelt sind. Dazukommen sollen Quartierst­reffs für Viertel, die überdurchs­chnittlich von Armut betroffen sind, etwa im Mähringer Weg. In den Vierteln soll es auch zusätzlich­e Hilfe bei der Kindererzi­ehung geben. Und die Stadt will noch mehr Leute überzeugen, Lobby-Card und KinderBonu­s-Card zu nutzen. Derzeit sind es ungefähr 4500 Erwachsene und etwa 1500 Kinder.

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FOTO: DPA Ein Mädchen steht in abgetragen­er Kleidung ohne Schuhe in einem Hinterhof: Kinderarmu­t gibt es auch in reichen Städten wie Ulm.

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