Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Fast 5000 Ulmer Kindern droht Armut
Bei Erwachsenen ist die Quote niedriger - Wie die Stadt den Menschen in Not helfen will
ULM - Mehr als 17 000 Erwachsene und beinahe 5000 Kinder in Ulm sind von Armut bedroht. Diese Zahlen hat die Verwaltung für den aktuellen Armutsbericht ermittelt, der gestern im Sozialausschuss der Stadt diskutiert wurde.
Den Kindern drohen aus Sicht der Sozialarbeiter Defizite bei Entwicklung und Versorgung sowie soziale Ausgrenzung. Dagegen sollen Maßnahmen der Stadt helfen. „Wir können an den Zahlen grundsätzlich überhaupt nichts ändern“, sagte Sozialplaner Markus Kienle. „Was wir machen können ist, dort, wo die Armut vorhanden ist, die Teilhabe fördern.“Dafür gibt es staatliche Programme. Zudem hat die Stadt eigene Angebote geschaffen. Eines davon gibt es schon seit 20 Jahren: die Lobby-Card. Wer sie besitzt, bekommt die Monatskarte für Bus und Tram zum halben Preis, muss keine Kindergartengebühren bezahlen und kann kostenlose Sprachkurse nutzen. Für Kinder gibt es ein ähnliches Angebot, die Kinder-Bonus-Card mit vergünstigten und kostenlosen Freizeitangeboten.
Um bedürftigen Kindern die Chance zu geben, zu spielen und zu lernen wie alle anderen, hat die Verwaltung eine Reihe von Vorschlägen ausgearbeitet. Sie sollen nach und nach umgesetzt werden. Das hat der Jugendhilfeausschuss bereits vor zwei Wochen einstimmig beschlossen. Zu den Maßnahmen gehören beispielsweise neue Stellen, ein Patendienst für belastete Familien, Sprachförderung, ein Konzept für ein Schulfrühstück, mehr Hilfe für Alleinerziehende und zusätzliche Zuschüsse für die Ferienbetreuung. Das und mehr soll geprüft und in Schritten eingeführt werden.
Wer die Lobby-Card und die Kinder-Bonus-Card nutzen will, muss nachweisen, wie viel er monatlich einnimmt. Bei alleinstehenden Erwachsenen liegt die Schwelle bei 1033 Euro monatlich – egal, ob es sich um einen Rentner, einen Arbeitslosen, einen Selbstständigen oder einen Angestellten handelt. Bei staatlichen Angeboten sind die Voraussetzungen strenger. Wer sie erhalten will, muss Empfänger von Sozialleistungen sein. Doch die beantragt nicht jeder. Die Stadt spricht dabei von Fällen versteckter Armut. Wie viele Menschen darunter fallen, wird geschätzt und mit Werten aus Bund und Land abgeglichen.
Grüne wollen günstigen Mittagstisch für Bedürftige
Für alle, die sich scheuen, die Angebote in Anspruch nehmen, haben die Grünen einen zusätzlichen Vorschlag eingebracht. Das Mittagessen in den Tagesstätten der Grundschulen solle für einen Euro pro Person und Essen angeboten werden, schlug Stadträtin Doris Schiele vor. Dann müsse niemand öffentlich machen, dass er zu wenig Geld habe. In den Kindergärten werden alle Kosten monatlich abgerechnet. Dadurch bekommt niemand mit, wer auf städtische oder staatliche Unterstützung angewiesen ist. Diesen Effekt soll auch das günstige Mittagessen für alle haben.
Gerhard Semler, Leiter der Abteilung Bildung und Sport, rechnete in der Sitzung des Sozialausschusses grob aus, was das kosten würde: mindestens 1,5 Millionen Euro im Jahr, wenn die Ermäßigung an allen Schulen gilt. Sozialbürgermeisterin Iris Mann fand die Berechnung sinnvoll: „Warum sollte ab Klasse 5 etwas anderes gelten als in Klasse 4?“, fragte sie und forderte die Räte auf, in der nächsten Zeit zu überdenken, ob sie die Idee der Grünen unterstützen wollen.
Quartierstreffs bieten Hilfen an
Unterstützung soll es nicht nur für die Kinder geben. Seit 2014 arbeitet die Stadt an Hilfen für Erwachsene. Einige gibt es bereits, zum Beispiel eine Vereinbarung mit dem Jobcenter, in der Leistungen zur Rückkehr ins Arbeitsleben geregelt sind. Dazukommen sollen Quartierstreffs für Viertel, die überdurchschnittlich von Armut betroffen sind, etwa im Mähringer Weg. In den Vierteln soll es auch zusätzliche Hilfe bei der Kindererziehung geben. Und die Stadt will noch mehr Leute überzeugen, Lobby-Card und KinderBonus-Card zu nutzen. Derzeit sind es ungefähr 4500 Erwachsene und etwa 1500 Kinder.